Die Berliner Wahl am 18.9 2016 ist das Hauptthema der aktuellen Regional-Ausgabe der Taxi Times Berlin. Stefan Gelbhaar (40) , Verkehrspolitischer Sprecher der Berliner Grünen, hat dort ein Interview gegeben, das in der aktuellen Printausgabe auszugsweise abgedruckt wurde. In voller Länge können Sie das Interview hier nachlesen.
TAXI TIMES: Momentan ist oft die Rede von mehr Polizei, aber eher im Zusammenhang mit Angst vor Terrorismus. Wir brauchen aber auch mehr Polizei für den Straßenverkehr, wo alle immer rücksichtsloser werden und immer weniger die Rechte der anderen achten. Wenn ich mehr Durchgreifen seitens der Polizei fordere: Bin ich in Ihren Augen weltfremd?
GELBHAAR: Die Beobachtung mache ich auch, die Rücksichtnahme nimmt ab. Da müssen wir auf verschiedenen Ebenen gegensteuern. Die Senatsinitiative für mehr Rücksichtnahme ist aber, wie ich finde, völlig wirkungslos und erwartbar verpufft. Ich glaube, dass eine Aufklärungskampagne helfen würde, mit der informiert wird: Was darf man im verkehrsberuhigten Bereich, was nicht? Welche Regeln gelten auf der Fahrradstraße, was bedeutet Gelb usw. Die Fahrprüfung liegt bei vielen Menschen sehr lange zurück.
Der zweite Punkt ist, dass die Verkehrspolizei wirklich zeigen muss, dass sie da ist. Das beginnt mit zugeparkten Radstreifen und endet mit Rot Fahrten, das ist schon virulent. Insbesondere vor Schulen und Kindergärten muss man Tempokontrollen machen, weil man durch solche Maßnahmen sowohl Autofahrern als auch Radfahrern wieder bewusst macht, dass sie nicht alleine auf der Welt sind.
TAXI TIMES: Appelle an die Vernunft mögen nach gesundem Menschenverstand ja ein gutes Mittel sein, aber ist das nicht gescheitert? Man sieht doch, dass die Menschen immer unvernünftiger werden.
GELBHAAR: Da ist Berlin schon ein besonderes Pflaster. Ich liebe diese Stadt. Aber wenn man in anderen Städten unterwegs ist, merkt man, dass da mehr aufeinander Rücksicht genommen wird. Das heißt, hier hat sich etwas in die falsche Richtung entwickelt, und dem muss begegnet werden. Polizei alleine reicht nicht, auch aufklären und sensibilisieren tut Not. Manche wissen einfach nicht, was bestimmte Verkehrszeichen bedeuten.
TAXI TIMES: Das merke ich täglich. Ich wohne in Schöneberg, und die Busspur in der Hauptstraße ist permanent zugeparkt. Da macht niemand etwas.
GELBHAAR: Ja, da muss es auch wieder einfacher werden. Eine Busspur, die tagsüber gilt und nachts nicht, wird automatisch zur Parkspur. Das sieht man auch hier in der Karl-Liebknecht-Straße …
TAXI TIMES: Die geht ja noch.
GELBHAAR: … die wird immer abgeräumt von der Polizei, weil der Bus da tagsüber sonst im Stau steht. Das reicht aber einfach nicht. Einfachere, klare Regeln muss es geben. Selbst abends, wenn der Bustakt ausgedünnt ist, ist die Busspur immer noch als Radspur wichtig. Die fällt aber vollständig weg, wenn Autos darauf stehen. Das ist einfach nicht zu Ende gedacht. Die Busspur hat auch nachts ihre Berechtigung, weil da neben den Bussen auch Radfahrer und Taxifahrer fahren. Taxen sind auch „Umweltverkehr“, der beschleunigt werden soll.
TAXI TIMES: Irgendwo müssen die Autos aber auch parken können. Autoverkehr hat ja auch seine Daseinsberechtigung.
GELBHAAR: Das stimmt: Das Auto ist nicht erfunden worden, um Menschen zu ärgern. Aber auf Magistralen zu parken, ist nicht der Standardfall. In anderen Städten gibt es das fast gar nicht. Das gibt es nur in Berlin in dieser „Reichhaltigkeit“. In London in einer Hauptstraße zu parken … da können wir gerne mal durchgehen und zählen. Zumindest ist es da sehr, sehr teuer.
TAXI TIMES: Nun ja, bei uns sind Hauptstraßen ja meist zugleich Wohnstraßen. Da wohnen Menschen, von denen ein Teil ein Auto hat. Und Berlin ist ja im Vergleich gering motorisiert.
GELBHAAR: Ja eben, deswegen muss man nach Lösungen suchen für das Abstellen der Fahrzeuge. Es gibt ja viele Parkplätze, die nachts ungenutzt sind, weil da eine Schranke runtergeht. Ob das so zwingend und sinnvoll ist, dass Einkaufsmärkte da nachts zumachen, das halte ich nicht für gottgegeben.
TAXI TIMES: Der Senat hat letzte Woche ein Gutachten zur Wirtschaftlichkeit des Taxigewerbes veröffentlicht: Ergebnis: 77% aller Taxen in Berlin werden von Firmen betrieben, die systematisch Steuern hinterziehen. Das Gutachten wurde eine Weile unter Verschluss gehalten, und im Taxigewerbe besteht der Verdacht, dass der Senat das deshalb tat, weil er darin seine eigenen Fehler wiederfindet und das LABO lange Zeit untätig war. Im Taxigewerbe sind viele der Meinung, das LABO würde sich einfach um Arbeit drücken – natürlich unter anderem aus Personalmangel. Auch wenn für bestimmte Dinge wie die Integration von Flüchtlingen dringend Geld benötigt wird: Kann man LABO und Polizei trotzdem personell aufstocken?
GELBHAAR: Wir haben als Bündnisgrüne vor mehreren Jahren beantragt, dass man den Einbau von Fiskaltaxametern fördert. Das haben SPD und CDU abgelehnt. Ich glaube, wäre das damals geschehen, wären wir jetzt schon deutlich weiter. Selbst, wenn nicht jeder Betrieb in alle Taxen Fiskaltaxameter einbauen würde, hätte man doch immerhin schon eine Vergleichsgröße. Das Problem ist ja nicht nur ein Verlust für das Finanzamt, und damit für Kitas, Straßen, Schulen usw., sondern es verzerrt ja auch den Wettbewerb innerhalb des Taxigewerbes. Dadurch gibt es eine Art „Race to the bottom“, also einer macht den Betrieb billiger und die anderen müssen irgendwann nachziehen. Das ist nicht gut, weder für das Taxigewerbe noch für die Gesellschaft. Da hat die Koalition aus SPD und CDU leider einen falschen Weg eingeschlagen. Das Bundesverkehrsministerium will den Fiskaltaxameter ebenfalls nicht als verpflichtendes Instrument einführen. Selbst auf Bundesebene wird dieses Problem also nicht ernsthaft beleuchtet.
Das Gutachten ist zugleich eine Bestätigung dessen, was schon meine Vorgängerin, Claudia Hämmerling, gesagt hat. 2008 schätzte sie 70%, laut Gutachten sind es jetzt sogar 77%, das ist wirklich ein enorm hoher Anteil. Das kann ein Staat, der sich selber ernstnimmt, nicht so stehenlassen. Da ist der Fiskaltaxameter das eine, auch das Finanzamt bzw. die Steuerfahndung können genauer nachschauen, aber eigentlich muss jetzt das LABO tätig werden. Jetzt haben wir eine ernsthafte Grundlage, auf der man – ich sage mal positiv – ins Gespräch kommen muss. In zwei Jahren darf es nicht mehr so sein, wie es jetzt ist, das ist klar: Das ist kein Zustand, den man akzeptieren kann. Wenn es stimmt, was 2008 geschätzt wurde, dass dem Fiskus dadurch jährlich 50 Millionen entgehen … Selbst, wenn man davon nur ein Zehntel nimmt und fünf Millionen in Personal für das LABO investiert, verbleibt für die Gesellschaft noch ein riesiger Gewinn. Meine These ist, dass das auch dem Taxigewerbe helfen würde.
TAXI TIMES: Gab es für die Ablehnung des Fiskaltaxameters durch Rot-Schwarz eine offizielle Begründung und nebenbei eine inoffizielle unter der Hand?
GELBHAAR: Wir haben unsere Forderung damals mit dem Blick nach Hamburg begründet. Da haben sie es so gemacht: eine Förderung für Anschaffung und Einbau des Fiskaltaxameters. Die Begründung, es war in den Haushaltsberatungen, war denkbar schwach: SPD und CDU wollten das Geld zum einen nicht ausgeben, und zum anderen sagten sie, der Fiskaltaxameter würde ja eh irgendwann verpflichtend, und deshalb müssten wir ja nicht schon jetzt den Einbau fördern, das wäre ja verlorenes Geld. Wie man sieht, hatten sie auf mehreren Ebenen Unrecht.
TAXI TIMES: Man müsste zur Finanzierung der Förderung des Fiskaltaxameters also nirgends Geld einsparen, weil unter dem Strich ein Gewinn für die Staatskasse bleibt?
GELBHAAR: Ja, ich glaube gar nicht, dass man irgendwo kürzen muss. Ich glaube, dass wir sowieso an einigen Stellen mehr Geld ausgeben müssen. Wir sind in Berlin jetzt in der durchaus positiven Situation, dass wir eine sich verdichtende – andere sagen: eine wachsende – Stadt haben. Das heißt, wir haben mehr Menschen, die herkommen, das führt auch dazu, dass Berlin mehr Einnahmen generiert. So gesehen ist Kürzen jetzt überhaupt nicht mehr auf der Tagesordnung. Das heißt nicht, dass wir das Geld jetzt mit freien Händen rausschütten sollten, aber wir haben einige Investitionen zu tätigen, und bei dieser Geschichte ist es in der Tat nur eine Investition, die sich dann wieder einspielt.
TAXI TIMES: Noch hat Berlin aber einen Berg Schulden seit Landowsky.
GELBHAAR: Das stimmt, aber dieses Jahr hat Berlin mehr Einnahmen erzielt als Ausgaben getätigt. Die Schulden müssen wir auch tilgen. Wir haben Geldschulden, aber wir haben auch Investitionsschulden: Brücken, die zu sanieren sind und teilweise verrotten, Straßen, die wie Flickenteppiche aussehen, nicht vorhandene Fahrradverkehrsinfrastruktur, marode Schulen. Dazu kommen Kitas, die nicht ordentlich mit Personal ausgestattet sind usw. Das sind ja quasi auch alles Schulden, die wir nicht bei der Bank haben, sondern bei der Bevölkerung. Die müssen auch langsam mal bezahlt werden.
TAXI TIMES: Wobei ich heute gelesen habe, dass Berlin bestimmte EU-Mittel überhaupt nicht in Anspruch nimmt, die eigentlich für so etwas wie Schulsanierungen da wären.
GELBHAAR: Das ist ein altes Dilemma. Da gibt es zwei Probleme: Dadurch, dass der Personalabbau so rapide war, ist zum einen natürlich Erfahrung verlorengegangen und zum anderen bestimmte Möglichkeiten. Wenn man keinen hat, der einen Antrag stellen kann – entweder weil es keiner kann oder weil es keinen gibt –, dann wird dieses Geld natürlich nicht abgerufen. Man muss jetzt zwar nicht alle Stellen wieder einführen, die mal existiert haben. Durch Digitalisierung, Verwaltungsumstrukturierung, Wegfall von Aufgaben sind einige Stellen auch ganz zurecht entfallen. Aber man muss sagen: Die Verwaltung ist ausgedörrt, und in den nächsten Jahren werden auch viele in Rente gehen. Das heißt, wir müssen dahin kommen, jetzt auch wieder gute Leute einzustellen, an die Unis zu gehen und zu sagen, das brauchen wir, studiert das, auch an Schulen klarzumachen, welche Bedarfe bestehen. Ein vorsorgender Staat, eine Stadt, die sich selbst organisiert, organisieren will und das auch weiterhin machen will, muss so vorausschauend handeln.
TAXI TIMES: Bessere Luft ist ein grünes Kernthema. Wie kann man die Luft in Berlin verbessern und den Taxiverkehr umweltgerecht gestalten? Hilft da ein Dieselverbot? Und befürworten Sie das?
GELBHAAR: Wir sind hier in der Stadt alle dafür verantwortlich, dass wir hier gesund leben können. Gerade in der Stadt ist das ein virulentes Thema, da hier natürlich stärker Belastungen auftreten. Wenn auf dem Dorf mal „schlechte Luft“ ist, dann kommt ein laues Windchen und es ist weg. Aber in der Stadt hängt Feinstaub drin, das ist eindeutig schwieriger.
Es gibt da mehrere Problematiken: Die eine ist Feinstaub, und es ist natürlich wünschenswert, dass viel mehr Fahrzeuge mit Hybrid oder elektrisch fahren. Das müssen wir aber organisieren. Ein Verbot ist dabei nicht die erste Maßnahme. Ich glaube, der richtigere Weg ist, mit Fördermitteln und mit Hochsetzen der Standards Stück für Stück erst die ältesten Diesel aus dem Verkehr zu ziehen und das auch zu kommunizieren, zu gucken, was ist machbar und was ist verkraftbar für die Taxibranche. Viele Fahrzeuge sind geleast, da geht es leichter, aber es gibt auch viele „Eigentümertaxis“. Ich will, dass diese Branche, die ja Teil des Umweltverbundes ist, diesen Weg mitgehen kann, will und soll. Die Geschwindigkeit, mit der das in den letzten Jahren passiert ist, ist mir viel zu gering. Das sind ja eher mal ein paar Pilotprojektchen gewesen. Ich bin ambitionierter, da geht noch mehr. Es ist ja noch nicht so, dass die Hälfte der Taxis schon Elektro, Hybrid oder zumindest Erdgas wäre.
TAXI TIMES: Ich glaube, das geht auch einigen im Taxigewerbe zu langsam. Das generelle Interesse an Elektrofahrzeugen ist ja komischerweise sehr gering. Alle reden von Ölknappheit und –verteuerung, aber alle Versuche, Alternativen zu etablieren, gehen ja aufgrund der Nachfrage schleppend voran. Auch das Drei-Liter-Auto damals, dafür hat sich kaum ein Verbraucher interessiert.
GELBHAAR: Das stimmt. Da muss mit einer ambitionierten Mischung aus Forderung und Vorgabe rangegangen werden. Ich glaube, dass Berlin an vielen Stellen Vorreiter sein könnte, aber nicht ist. Ich habe dazu mal eine Kleine Anfrage gestellt, da kam heraus: In Berlin fahren gerade einmal ein bisschen mehr als 1.000 Elektroautos. Das ist natürlich nichts im Vergleich zu fast 100.000 E-Bikes und Pedelecs, und trotzdem tickt Berlin ja schon an vielen Stellen elektromobil – Straßenbahn, U-Bahn … Ich glaube, dass Berlin neben Taxis in Sachen Busverkehr umstellen kann und auch relativ zeitnah wird. In Sachen Wirtschaftsverkehr, und wir haben ja als Land Berlin einen relativ großen Fuhrpark, auch da kann man was tun, auch vorangehen, und damit die Nachfrage, auch die Bereitstellung von Fahrzeugen, erleichtern. Die Industrie hat noch nicht das Gefühl, dass das abgefordert wird, deshalb stellen die noch die alten Sachen her und machen damit weiter enorme Gewinne. Wir müssen da einfach zu anderen Standards kommen.
TAXI TIMES: Das klingt jetzt aber nur halb konkret. Es besteht ja eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der nächste Senat zum Beispiel Rot-Rot-Grün sein könnte. Oder anders gesagt, die Chancen, dass die Grünen künftig wieder in der Landesregierung sitzen, sind ja relativ hoch …
GELBHAAR: Na ja, wieder … erstmals richtig auch … wir haben ja 1989-90 zwanzig Monate regiert … und 2001 das halbe Jahr …
TAXI TIMES: … und Wolfgang Wieland war ja wahrnehmbar, fand ich.
GELBHAAR: Ja, Wolfgang Wieland war sehr wahrnehmbar, das stimmt. Aber die Zeit war schon relativ überschaubar.
TAXI TIMES: Also angenommen, Sie sind an einer künftigen Landesregierung beteiligt, würden Sie verstärkt Maßnahmen ergreifen wie Förderung der Elektromobilität, Förderung von Taxibetrieben, die Elektroautos zu Taxen umbauen lassen? Oder auch den Abbau von Industriebahnen aus den letzten 10-15 Jahren rückgängig machen, weil Wirtschaftsverkehr auf der Schiene ja auch die Straßen entlastet?
GELBHAAR: Es gibt ja auf Bundesebene Förderprogramme für Elektroautos, die sich aber fast ausschließlich an Privatverbraucher richten. Das ist ein Irrwitz. Viel sinnvoller wäre es, wenn die auch für Wirtschaftsunternehmen und Taxibetriebe wären.
Verlagerung von Verkehr auf die Schiene: Ja, diverse alte Industriebahnen sind weg, leider zum Teil unwiederbringlich, weil die Flächen inzwischen bebaut sind. Was man aber machen kann, ist, den weiteren Verkauf von alten Güterverkehrsflächen zu stoppen und dann zu gucken, wie man damit umgeht. Ob man das für eine temporäre Nutzung freigibt, aber nicht als Verkehrsfläche aufgibt. Das fände ich wichtig. Damit man mal die Dimesion begreift: Da sind in den letzten 15 Jahren auf Berliner Gebiet 150 bis 200 Grundstücke verkauft worden, die sind weg. Da wird man nicht viel von zurückbekommen können. Aber es sind nochmal so viele, bei denen im Raum steht, ob man die verkauft oder nicht. Das würde ich sehr, sehr kritisch nachschauen, ob man das noch macht oder besser nicht.
Ein dritter Punkt: Man muss sich überlegen, ob man nicht auch beim Lieferverkehr neue Wege geht, ob man nicht die City-Logistik neu aufstellt. Da gibt es spannende Projekte in Hamburg und anderswo, die man einfach kopieren kann. Da spielt auf einmal das Thema Lastenrad eine Rolle – nicht für die Grob-, aber für die Feinverteilung, die „letzte Meile“. Wir kennen das alle von der Post, da ist es vollkommen üblich, dass die Briefe nicht mit dem Auto augetragen werden, sondern natürlich mit dem Fahrrad. Auch Lieferanten, Foodora zum Beispiel liefert das Essen jetzt fast ausschließlich mit dem Fahrrad. Und wenn man sich Joey’s anschaut, die Pizzalieferanten sind in Prenzlauer Berg jetzt nur noch mit Mofas unterwegs. Das ist natürlich alles schon viel besser als die Autos, die dann immer irgendwo falsch abgestellt werden. Ich kann mir also lebhaft vorstellen, dass der Wirtschaftsverkehr deutlich feingliedriger und umweltfreundlicher aufgestellt wird. An dem Thema wurde seit 2005 nicht mehr gearbeitet. In den zehn Jahren hat sich viel bewegt. Damals wurde vom Rot-Roten Senat ein Wirtschaftsverkehrsplan aufgestellt – der muss dringend überarbeitet werden.
TAXI TIMES: Wir müssen im Taxigewerbe auch zum Inklusionstaxi kommen. Da haben wir leider einen technischen Konflikt: Bei vielen Fahrzeugen ist es komischerweise so, dass sie entweder einen einigermaßen umweltverträglichen Antrieb oder eine behindertengerechte Ausstattung haben können. Da stellt sich die Frage: Wofür entscheidet man sich? Was fördert man eher?
GELBHAAR: Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Beim Inklusionstaxi wäre es zum Beispiel erstrebenswert, dass in einem ersten Schritt mindestens zehn Prozent der Berliner Taxis inklusiv sind. Das wären 700 bis 800. Das würde für die Menschen mit Mobilitätseinschränkung eine echte Hilfe sein. Das wäre eine völlig neue Dimension, da hätten wir richtig was geschafft! Man muss sich vorstellen: Momentan gibt es den Sonderfahrdienst, der auch gut und richtig arbeitet, aber völlig überlastet ist …
TAXI TIMES: … und den man Wochen vorher anrufen muss, was überhaupt keine Mobilität bedeutet …
GELBHAAR: … genau, und den würden wir auch weiterhin brauchen, vielleicht nicht in ganzem Umfang. Da muss man genau hinschauen, auf die Menschen, die multipel mobilitätseingeschränkt sind, die zum Beispiel Treppenhilfe brauchen oder oder oder, da gibt es sehr viel. Das wäre wirklich ein Gewinn für die Stadt, auch für eine alternde Stadt, die wir auch sind. Ich weiß nicht, ob sich das auch technisch lösen lässt, dass auch die Inklusionstaxen zukünftig klimafreundlich unterwegs sind. Aber wir haben in der Stadt 7.500, 8.000 Taxen. Wenn man davon erst mal zehn Prozent inklusiv gestaltet und den Rest klimafreundlich, dann haben wir schon echt was geschafft.
TAXI TIMES: O.k., gestalten klingt nett. Aber wie wollen Sie es konkret machen? Für einen Taxiunternehmer ist es im Moment unwirtschaftlich, ein Taxi behindertengerecht umbauen zu lassen.
GELBHAAR: Bei Inklusionstaxen ist klar: Das muss staatlich gefördert werden. Das können Taxibetriebe nicht aus Bordmitteln machen, da muss ganz klar der Staat rangehen. Die UN-Menschenrechtskommission ist ja Bundesgesetz, die richtet sich aber auch gerade an das Land Berlin, und wenn wir Barrierefreiheit wollen, dann müssen wir sie auch fördern, und zwar mit Geld. So ein Umbau kostet je nach Typ zwischen 5.000 und 15.000 Euro, und wenn wir sagen, dass wir jetzt mal 700 Taxen umbauen, dann kostet es vielleicht sieben Millionen Euro. Das ist ein Batzen Geld, aber wenn man das über ein-zwei Jahre macht, dann lässt sich das schon darstellen.
Der Sozialverband Deutschland hat ja das Projekt Inklusionstaxi angestoßen, auch Gespräche mit den Taxiverbänden und den Parteien geführt, und wir als Bündnisgrüne haben es im Parlament eingebracht. Dort haben alle Fraktionen zugestimmt, und damit ist der politische Wille vom Parlament aus da. Das müssen wir jetzt in die Exekutive tragen. Ich kann mir vorstellen, dass das auch für die Taxiunternehmen eine sinnvolle Geschichte ist, denn es erschließt eine Kundenklientel, die bisher schwer zu erreichen ist. Man muss in Sachen Inklusionstaxi also nur über das „Wie“ reden. Über das „Ob“ müssen wir nicht mehr reden.
TAXI TIMES: Es gibt ein weiteres Problem mit Elektroautos: Es hat sich vor Kurzem herausgestellt, dass aufgrund des deutschen Eichgesetzes viele Autos mit Elektroantrieb sich aus technischen Gründen nicht als Taxen einsetzen lassen, weil das vom Eichamt untersagt wird. Wenn die EU einen umweltfreundlichen Antrieb will, die Bundesgesetzgebung das aber verhindert, wie kann man dem Konflikt begegnen?
GELBHAAR: Da muss ich ehrlich gestehen, dass ich das erst nachprüfen muss. Vielleicht ist da einfach ein altes Gesetz – Eichgesetz klingt nicht so, als ob es taufrisch wäre –, das man entsprechend anpassen muss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das nicht progressiv auflösen lässt. Warum ein Elektroauto technisch kein geeignetes Taxi sein sollte, ist mir unklar.
TAXI TIMES: Ich bin auch überrascht. Das war ich aber auch schon, als in unserem Taxibetrieb zeitweise Kleinbusse mit Autogas-Antrieb angeschafft wurden, die aber nur als Schaltwagen ausgeliefert wurden. Die Betriebskosten halbierten sich zwar, aber den Fahrern war das wohl lästig, und jetzt haben wir wieder Dieselstinker mit Automatikgetriebe. Ich würde mir wünschen, dass die Autohersteller mehr getreten werden, dass die es bitte ermöglichen sollen.
GELBHAAR: Absolut. Und wenn es da eine veraltete Regel gibt, muss man die überarbeiten oder abschaffen. Ansonsten muss man auch Stück für Stück über die Umweltzone reden. Da ist ja jetzt die Debatte über die blaue Plakette, und ich glaube, ja, ich weiß, die wird stärker werden. Als Taxiunternehmer sollte man da die Augen offenhalten, damit man nicht irgendwann überrascht wird. Irgendwann wird es kommen, dass man innerhalb des S-Bahn-Rings nur noch mit einem sehr hohen … Es gibt andere Städte, da ist der Diesel in der Innenstadt schon verboten, Paris zum Beispiel, und so wird sich das auch in Deutschland entwickeln.
TAXI TIMES: Aber „irgendwann wird es kommen“ ist mir nicht konkret genug. Werden die Grünen darauf drängen?
GELBHAAR: Ja. Das kommt dann via Bundesebene. Das kann Berlin nicht allein entscheiden.
TAXI TIMES: Viele Taxiunternehmer würden sicherlich nicht begeistert reagieren, wenn sie hören würden: In zehn Jahren sind in der Berliner Innenstadt Dieselfahrzeuge nicht mehr erlaubt.
GELBHAAR: In zehn Jahren werden alle Taxen, die jetzt fahren, nicht mehr unterwegs sein. Es geht darum: Wenn der Taxiunternehmer ein neues Auto anschafft, dann muss der Impuls da sein, durch eine rechtliche Vorgabe oder durch eine Förderung, dass er dann sagt: Ich nehme den Hybrid oder den Elektro oder ein anderes schadstoffarmes Fahrzeug. Das muss organisiert werden, damit wir in zehn Jahren dieses Gespräch über diesen gleichen Punkt nicht mehr so führen müssen.
TAXI TIMES: Das Taxi als solches ist ja derzeit in seiner Existenz von einigen Seiten bedroht – von sehr hochkapitalisierten Konkurrenten wie Uber/Google oder Moovel/Daimler-Benz. Kann das Taxigewerbe davor geschützt werden? Sehen Sie es überhaupt als erhaltenswert an?
GELBHAAR: Uber hat in Deutschland ja einige empfindliche Niederlagen vor den Gerichten hinnehmen müssen und hat einige offene Fragen bis heute nicht beantworten können, was Versicherungsschutz, Arbeitnehmerschutz usw. angeht. Deshalb wird es für Uber nicht so einfach sein, das Geschäftsmodell, das sie in den USA haben, hier auszurollen. Man sieht in den USA ja, dass zum Beispiel nachts die Tarife von Uber einfach enorm hochgehen. Das heißt, die Taxibranche wird es schon noch eine ganze gute Weile geben.
Spannend wird sein, wie sich die Autobranche insgesamt entwickelt. Wenn man zum Thema Carsharing kommt, kann ich mir vorstellen, dass die Taxibranche sogar eine höhere Relevanz bekommt, wenn man nicht mehr ein eigenes ganzes Auto bezahlt, sondern daran gewöhnt ist, dann etwas Geld in die Hand zu nehmen, wenn man gerade ein Auto braucht, und überlegt: Muss ich jetzt selbst fahren, kann ich jetzt selbst fahren?
Was sich vielleicht in fernerer Zukunft noch als eine zu beobachtende, spannende Entwicklung darstellt, ist das Thema selbstfahrendes Auto. Ich weiß nicht, wie viele Prognosen oder Entwicklungsvarianten da schon durchgespielt wurden. Da wird die Branche sich rantasten. Also das Auto wird sicher erst mal selber Einparken lernen, das können manche ja schon, und so wird es immer weiter vorangetrieben werden. Ich wundere mich immer, dass das auf der Schiene noch nicht üblich ist. Wenn Selbstfahren, dann doch wohl zuerst auf der Schiene. Da fahren die schnurgeradeaus und müssen vor allem ein paar Weichen beachten …
TAXI TIMES: … das können die doch seit 30 Jahren. Warum sich das nicht durchsetzt, ist mir auch schleierhaft. Ist mir aber recht.
GELBHAAR: Und so lange das so ist, muss man es im Auge behalten. Da wird noch einiges an Entwicklung kommen.
TAXI TIMES: Ich denke, dass einige Firmen die Entwicklung dahin aber sehr, sehr stark betreiben. Google sammelt seine Daten sicherlich nicht umsonst.
GELBHAAR: Daimler ist sogar noch deutlich stärker darin, Google hat nur das bessere Marketing. Tesla – bzw. das Silicon Valley ist da jetzt wirklich dran, aber auch in Deutschland kauft die Autobranche sich schon beispielsweise – mal so als Indiz – Kartierungsdienste, da findet eine starke Entwicklung statt. Wir werden sehen. Es ist ja auch verwunderlich, dass es sich an anderer Stelle noch nicht durchgesetzt hat.
TAXI TIMES: Sie sind gegen den Weiterbau von Autobahnen in Berlin. Mit welchen Argumenten wollen Sie die Taxifahrer davon überzeugen, die der Meinung sind, dass der Verkehr nicht nur auf der Schiene rollen, sondern auch auf der Straße fließen muss?
GELBHAAR: Zwei Punkte. Erster Punkt: Es gab vor Kurzem eine repräsentative Umfrage, ich glaube von rbb und Infratest. Danach haben die Menschen gesagt, dass mehr Geld in Radverkehr und in den ÖPNV gesteckt werden muss. Nur 14% haben gesagt, dass auch mehr Geld in den Straßenverkehr fließen soll. Das muss nicht mal Straßen-Weiterbau sein, dass kann auch das Schlaglochprogramm sein. Die Berliner sagen also, für den Autoverkehr ist so weit eigentlich alles ganz in Ordnung. Ich würde da nicht mal für jede Straße zustimmen, muss ich dazusagen. Aber es ist einfach so, dass eher für Sanierung und Erhalt bezahlt werden muss als für noch einen Neubau. Das ist, glaube ich, der Punkt, den die Berliner da ausdrücken, während beim Radverkehr und beim ÖPNV so etwas nicht gesagt wird. Da werden ganz klar Defizite erkannt und benannt und gesagt, wenn man Geld hat, soll man es da investieren. Das sagen also erst mal die Berliner – und sind damit wieder einmal deutlich weiter als der Senat.
Jetzt zu den Taxifahrern: Wenn man die Infrastruktur für Bahnen, Busse und Fahrrad stärkt, dann werden mehr Leute Bus, Bahn und Fahrrad fahren. Aber diese Leute werden auch ab und zu ein Auto benötigen, oder nennen wir es einen Shuttle-Service von A nach B. Genau das ist dann ein sich vergrößernder Markt für das Taxigewerbe. Deswegen ist es durchaus auch aus Sicht des Taxigewerbes sinnvoll, eben genau Fahrrad, Bus und Bahn zu fördern. Es ist ja ein Zusammenspiel. Verkehr muss man integriert denken: Wenn man an der einen Stelle drückt, dann passiert auch an der anderen Stelle was. Taxis profitieren nicht davon, wenn man noch größere Straßen baut.
TAXI TIMES: Nun ja, ein Taxifahrer, der – jetzt mal ein plumpes Beispiel – von Neukölln nach Alt-Treptow will, braucht jetzt ohne Autobahn vielleicht 25 Minuten, und später mit Autobahn nur noch 8.
GELBHAAR: Da fände ich es spannender zu gucken, ob es sich nicht eher lohnt, mehr Busspuren, die auch von Taxis benutzt werden können, einzuführen, um eine höhere Schnelligkeit zu erreichen. Bei vielen Hauptstraßen kann man noch prüfen, wie viele Spuren hat man da, welche Spuren gibt es für den fließenden Verkehr, welche für den ruhenden. Da kommen wir zur Debatte Parkraum, wo man auch kreative Lösungen finden muss, wo man das Problem – nicht überall, aber an einigen Stellen – durch Car-Sharing deutlich entspannen kann. Und auch Car-Sharing ist ja der Freund des Taxigewerbes, weil es die Straßen leerer macht.
TAXI TIMES: Stichwort Flughäfen: Im Berliner Taxigewerbe sind die meisten eher Fans vom Flughafen Tegel als vom Flughafen Schönefeld, geschweige denn vom BER. TXL läuft glaube ich auf dem Sechsfachen seiner ursprünglichen Kapazität, aber er funktioniert. Und er ist gut erreichbar. Oder sagen wir: vergleichsweise, also von der Entfernung her gut erreichbar. Die FDP zum Beispiel sagt ganz klar: Wir würden Tegel gerne dauerhaft weiter betreiben. Andere sagen: Das geht juristisch gar nicht. Geht das juristisch und würden die Grünen es auch befürworten?
GELBHAAR: Wir als Grüne sagen: Der BER muss fertiggestellt und in Betrieb genommen werden, weil das gerade in Berlin hunderttausende Menschen von Lärm entlastet. Alle, die in Wedding, Pankow, Reinckendorf, Spandau wohnen, wissen um den Wert eines ruhigen Nachmittags nicht nur am Sonntag, der eben von Flugzeugen massiv gestört wird – gerade, wenn das nicht in 3.000 Metern Höhe ist, sondern dann irgendwann in 500 Metern Höhe und irgendwann in 100 Metern Höhe usw. Das wäre eine echte Lebensqualitätsverbesserung für ganz, ganz viele Menschen. Deswegen kommen wir immer wieder zu der Schlussfolgerung, dass man den BER in Betrieb nehmen muss, und so wird es, das wissen wir ja eigentlich alle, auch kommen. So lange Tegel in Betrieb ist, gibt es bestimmt irgendeinen juristischen Winkelzug, wie man das Ding weiter betreiben könnte. Das würde aber den Preis des BER kosten – mindestens. Und es würde ein paar Milliarden Euro kosten für Lärmschutz, also für Fensteraustausch in den genannten Gebieten. Es sind eben deutlich mehr Betroffene als künftig in Brandenburg, wirklich hunderttausende Menschen, die in der Einflugschneise leben. Tegel hat ein Privileg, weil es ein Bestandsflughafen ist. Es gibt eine Lex Tegel, weshalb der ohne diesen Lärmschutz betrieben werden darf. Dieses Gesetz gilt bis 2017. Dann muss ein Lärmschutzplan aufgestellt werden, der spätestens ab 2019 umgesetzt werden muss. Das kann auch die FDP nicht ändern. Das ist einfach die Gesetzeslage, und die ist auch rechtlich verbrieft. Das heißt, auch wenn man das Gesetz abschaffen wollte, auf Bundesebene, was nicht passieren wird, würde es Klagen geben, und die würden spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht Recht bekommen, weil Lärm eben krank macht und das auch belegt ist, Punkt. Deswegen: Die FDP hat damit ein Thema gefunden, mit dem sie ein bisschen Wahlkampf macht, und wird dieses Thema nach der Wahl still und heimlich beerdigen wollen. Das wissen die auch. Gleichwohl schaffen sie es damit in die Presse, deshalb bespielen sie das.
Spannender finde ich die Frage, warum Berlin und Brandenburg noch nicht geregelt haben, wie das mit den Taxis dann am BER läuft. Das war 2012 schon klar, da gab es ja auch richtig Proteste – zurecht, weil es einen Monat vor der Eröffnung noch nicht geklärt war. Nun wissen wir nicht, wann der BER wirklich eröffnet wird. Es wäre trotzdem Zeit, das endlich mal zu klären. Das kann eine Vereinbarung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg sein, wo man es einfach reinschreibt, und dann muss Brandenburg das mit dem Landkreis Dahme-Spreewald (LDS) klären, denn ein Regierender Bürgermeister wird nicht mit dem Landratsamt Dahme-Spreewald verhandeln.
TAXI TIMES: Sondern mit der brandenburgischen Regierung?
GELBHAAR: Natürlich. Einen Staatsvertrag kann man nicht mit einem Landkreis abschließen, dafür gibt es keine Option. Der LDS muss zum Schluss diese Zulassung für sich erlassen, aber der Gesprächspartner ist das Land, auf Augenhöhe. Da kann der Landkreis gerne mit dabei sitzen, aber Woidke und Müller müssen das Problem klären, oder auch die Verkehrsverwaltungen von Berlin und Brandenburg. Der BER ist einfach zu groß, als dass jetzt das Bezirksamt Treptow-Köpenick da mit dem LDS irgendwas vereinbart. Wenn man ehrlich ist, hätte man schon verhandeln müssen, als der BER konkret geplant wurde, dass man sich überlegt, was hängt da alles dran, was muss man regeln. Dann hätte es dafür einen Staatsvertrag gebraucht, wo das alles drinsteht. Wo man auch hätte klären müssen, wie die Aufsicht funktioniert, und nicht bloß: Es gibt eine Gesellschaft und die hat den Aufsichtsrat, sondern das hätte eine staatsvertragliche Regelung gebraucht. Dann hätten wir auch viele Probleme zumindest nicht so, wie wir sie jetzt haben. Vielleicht hätten wir andere, keine Ahnung – wer hat schon diese Glaskugel. Aber es ist einer der Punkte, dass das Landratsamt Dahme-Spreewald in eigenem Interesse handelt und nicht im Interesse Berlins oder Brandenburgs, was ja auch nicht seine Aufgabe ist.
TAXI TIMES: O.k., Müller schön und gut, vielleicht bleibt er ja Regierender Bürgermeister. Aber was ist, wenn die Grünen mit in die Landesregierung kommen? Auf was würden Sie konkret drängen, wie es geregelt werden soll mit den Laderechten für Berliner Taxen in Schönefeld?
GELBHAAR: Man soll ja Gleiches gleich behandeln und Ungleiches ungleich, das muss der Grundsatz sein. Wir können jetzt nicht so eine Lade-Regel machen, wie es mal vorgesehen war: ein Berliner Taxi, ein LDS-Taxi, einmal Berlin, einmal LDS. Das wäre Quatsch. Das würde nur dazu führen, dass sich ein paar hundert Taxiunternehmen im LDS anmelden würden.
TAXI TIMES: Das ist ja schon passiert.
GELBHAAR: Stimmt. Aber deswegen sage ich ja: Berlin-Brandenburg ist ein Flughafen, Brandenburg wird davon enorm profitieren, da gilt es, sich an der Stelle auch mal zu bewegen. Das muss man im Einzelnen aushandeln. Ansonsten: Sollte es doch diese Regel geben, dann muss dem LDS klar werden, dass das ein paar Gewerbeeinnahmen bringt, aber auch Nachteile. In Berlin kann man das Laderecht natürlich nicht einfach so kontrollieren. Gleichwohl gilt es in Verhandlungen klarzumachen, dass das so einfach nicht geht, nicht akzeptiert werden wird. Ich glaube, auch Brandenburg und der LDS werden im Ergebnis einer sinnvollen Regelung zustimmen.
TAXI TIMES: Aber wie soll man es ihnen klarmachen? Das Taxigewerbe ist nunmal landkreisweise geregelt. Die können sich zurücklehnen, die Hände in den Schoß legen und sagen: Das ist unser Landkreis, da dürfen unsere Taxen laden. Wenn die Berliner etwas wollen, dann sollen sie uns mal einen Deal vorschlagen.
GELBHAAR: Ja, aber was nicht sein kann, ist ,beispielsweise dass Taxen voll zum BER fahren, was ja passieren wird, dort ausladen und zwingend leer zurück nach Berlin fahren …
TAXI TIMES: … was ja momentan am Flughafen Schönefeld in der Regel passiert.
GELBHAAR: Das ist weder klimapolitisch sinnvoll noch volkswirtschaftlich, und auch nicht unter vielen anderen Aspekten – verkehrspolitisch, weil dann auch immer Verkehr auf der Straße ist. Argumentativ ist das klar. Dass da die Brandenburger aktuell rechtlich in der besseren Verhandlungsposition sind, wissen wir auch. Deshalb war meine Forderung 2012 auch schon, als die Verschiebung klar war: Leute, dann klärt trotzdem diese Taxifrage, damit wir in fünf Jahren nicht wieder mit der Nummer anfangen. Dann hätten alle viel entspannter sein können bezüglich dieser Klärung, denn es kommt ja erst viel später. Vielleicht muss man das auch perspektivisch lösen, mit Übergangsschritten. Auch die Brandenburger werden sich ja daran gewöhnen müssen, dass da hunderte Berliner Taxen jeden Tag vorbeikommen.
TAXI TIMES: Das war bis vor ein paar Jahren gang und gäbe.
GELBHAAR: Trotzdem werden sie sich wieder daran gewöhnen müssen. Ich will da gar nicht zu nett sein, aber am Ende des Tages müssen alle unterschreiben. Also konkret: Ein Berliner Taxi, das zum BER fährt, muss da Laderecht haben, Punkt. Es geht ja nicht nur um die LDS-Taxifahrer, sondern letztlich um die Fahrgäste, die zu befördern sind.
Und Punkt zwei: Dafür sollen dann auch die LDSler in Berlin Laderecht haben in Berlin, dann ist es auch gut.
TAXI TIMES: Oh, das wird böses Blut geben, wenn Sie das dem Taxigewerbe sagen.
GELBHAAR: Aber für Berlin geht es doch da um „Peanuts“. Wie viele hundert Taxen gibt es im LDS? 2012 waren es unter 200.
TAXI TIMES: Inzwischen sind es bald doppelt so viele, nur wegen dieser Flughafengeschichte.
GELBHAAR: O.k., wenn es inzwischen ein Vielfaches ist, dann kann man es so einfach nicht machen. Wenn da etwas ungleich ist, kann man es nicht gleich behandeln. Die Berliner Taxifahrer haben eine Ortskundeprüfung für Berlin, zum Flughafen zu kommen erfordert keine großartige Ortskundeprüfung, und die sollen sich ja auch nicht im LDS verteilen, sondern nach Berlin zurückfahren – und zwar beladen. Wenn aber ein LDS-Taxifahrer nach Berlin reinfahren will und keine Berliner Ortskundeprüfung hat, dann wird man – wenn man nicht zu einer Lösung kommt – da genau hinsehen müssen, ob es da Beschwerden gibt. Die werden kommen, wegen Umwegen, schlechten Services und wer weiß, was noch.
TAXI TIMES: Genau aus diesen beiden Gründen. Das LDS-Taxigewerbe hat sich zu einem Auffangbecken für Berliner Fahrer entwickelt, die entweder die geringsten Mindeststandards als Dienstleister nicht erfüllten, oder weil sie hier gar nicht erst die P-Schein-Prüfung schafften. Die sammeln sich da. Am Flughafen Schönefeld sieht man bei der Hälfte der Taxen Uber-Reklame auf der Tür, das sagt viel aus.
GELBHAAR: Vielleicht würde der Konflikt sich noch ein bisschen entspannen, wenn man beide Tarife einander anpasst. Wenn der Fahrgast da einsteigt, weiß er nicht unbedingt, was er bezahlt – was nicht sein kann. Auch das muss einer Lösung zugeführt werden. Welcher Tarif da der beste ist, wird man auch am Grünen Tisch verhandeln müssen. Ich weiß nicht, ob man in die aktuellen digitalen Taxameter einen weiteren Tarif einprogrammieren kann, wie es mal gefordert wurde.
TAXI TIMES: Eine absurde Idee, oder? Das ist so umständlich und so schwer überprüfbar, sowohl für den Fahrgast als auch für die Behörden – würde das irgendjemand ernsthaft befürworten?
GELBHAAR: Ich nicht. Aber wenn man eine Art BER-Tarif einführen würde, und es wäre klar, vom BER bis zur Landesgrenze kostet es zum Beispiel so und soviel Euro, Punkt, dann muss man das technisch abbilden können. Ob das schlau ist, ist eine andere Frage.
TAXI TIMES: Dass etwas „klar“ ist, heißt natürlich noch lange nicht, dass es auch einem Fluggast aus Schweden oder Tansania klar ist. Die könnten über den Tisch gezogen werden, wenn sie nicht aufpassen, und je komplizierter ein Tarif ist …
GELBHAAR: Aber als Grundsatz muss festgehalten werden, dass man dort für den Fahrgast Transparenz haben muss. Auch ein Fluggast aus meinetwegen Burkina Faso hat Internet und hat ein Handy. Er kommt am BER an, da wird er free WiFi haben, der kann kurz checken, was hier ein Taxi kostet, und wenn es auf einmal was anderes kostet, hat er schon mal mindestens ein schlechtes Gefühl. Das ist nicht wünschenswert. Da muss Klarheit herrschen, da muss Transparenz her. Das heißt, man braucht dort einen Tarif. Das muss geklärt werden – im Zweifel auch auf Staatsvertragsebene.
TAXI TIMES: Zum Flughafenthema noch eine letzte Frage: Am Flughafen Tegel ist es so, dass die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg GmbH (FBB) von jedem Taxiunternehmer verlangt, für jede Fahrt, die am Flughafen Tegel beginnt, den Fahrgästen 50 Cent abzunehmen und als Gebühr an die FBB weiterzuleiten. Das kommt im Taxigewerbe natürlich sehr schlecht an. Die Fahrgäste wundern sich, sind skeptisch, fragen sich, ob sie jetzt über den Tisch gezogen werden. Warum kann man die FBB nicht dazu bringen, jedes Flugticket um 30 Cent teurer zu machen, damit dieser ungewollte Zuschlag nicht durch Taxifahrer erhoben werden muss?
GELBHAAR: Das haben sie ja nur in Tegel gemacht, in Schönefeld nicht. Da müsste man mit der FBB ins Gespräch kommen, was da der tiefere Hintergrund ist, außer einfach das Geld einzuziehen – ob die damit irgendetwas beabsichtigt haben, dessen Wirkung wir nicht sehen. Man könnte ja sagen: Wir wollen nicht hunderte Taxis im Stauraum von Tegel zu stehen haben, und deswegen erheben wir die Gebühr, dann überlegen alle, ob sie unbedingt Tegel anfahren. Sehe ich aber als Wirkung nicht, denn da stehen ja trotzdem hunderte Taxis im Stauraum rum.
Die Start- und Landegebühren jedenfalls sind in Schönefeld aktuell sehr gering. Auch in Tegel sind sie nicht gerade so üppig, dass da nicht noch was gehen würde. Das haben wir Grünen schon gefordert, dass man da die Gebühren anpasst, um noch mehr Fluggesellschaften dazu zu bewegen, doch Schönefeld anzufliegen statt Tegel, auch wegen der Lärmentlastung gerade in den Randzeiten. Da sind wir aber auf taube Ohren gestoßen.
Wie es am BER ist, da müsste ich mir die verkehrliche Situation anschauen, wie sie es da geplant haben, wo die Taxis ein- und ausfahren. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass es da eh etwas schwieriger wird, sowas umzusetzen. Aber wünschenswert ist das nicht. Auch dort: Transparenz! Der Fahrgast muss wissen, was er bezahlt, und das sollte in Berlin nicht 50 Cent mehr sein, wobei die Abrechnung auch nicht gerade unaufwändig sein dürfte. Das würde ich unbedingt evaluieren und mal schauen, ob man da nicht eine bessere Lösung hinkriegt. Dass die Taxifahrer damit quasi die Mehrkosten des BER mitstemmen, ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss.
TAXI TIMES: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Axel Rühle am 28.7. 2016.