Das „neue Kapitel“ der Uber-Story verheißt nichts Gutes für das Taxigewerbe in Deutschland. Uber muss in Europa wachsen, dazu zwingt der neue Anteilseigner SoftBank den Riesen. Khosrowshahis rhetorische Tricks auf der DLD in München geben einen Vorgeschmack. Jetzt muss eine Strategie her.
Dara Khosrowshahi verwies etwas überheblich in einem Satz auf die über 100 vor der Tür demonstrierenden Taxi-Unternehmer und -fahrer, und lachte dabei, als er sagte, dass man in Zukunft auch in Deutschland mit Taxi-Unternehmen zusammenarbeiten will. „Einige von denen da draußen,“ sagte er mit einer abwinkenden Handbewegung, die irgendwie „weit weg“ zu sagen schien.
Seine Regie-Anweisung kommt von ganz oben: Uber soll sich in Europa ausbreiten. Der neue Chef von Uber hat nämlich auch einen neuen Vorgesetzten, und das ist defacto der Vertreter des nun größten Anteilseigners. Rajeev Misra vertritt SoftBank, mit 15 Prozent in Zukunft das mächtigste Mitglied in Ubers Leitungsgremium. An der Motivation des „neuen Ubers“ sollte nicht gezweifelt werden, denn der Technologie-Gigant aus Asien ist bereits mit Milliarden an Ubers Konkurrenten beteiligt. Grab, Ola, 99, DiDi Chuxing liegen in Asien oder Südamerika mehr oder weniger im Krieg mit Uber, gleichzeitig mit gegenseitigen Firmenbeteiligungen. Konkurrenzkampf zwischen den eigenen Firmen ist jedoch kontraproduktiv, denn natürlich will SoftBank, dass sein angelegtes Vermögen wächst.
SoftBank drückt auf das Tempo
Ein zweiter gewichtiger Beweggrund kommt hinzu: Der Einstieg bei Uber war selbst für SoftBank riskant, frisches Geld durch weitere Anteilsverkäufe vor dem hinausgeschobenen Börsengang ist erst mal nicht in Sicht, zu sehr haben die Anlagewerte der Investoren unter dem Preisabsturz Ubers gelitten. Und so hat der 55-jährige indischer Abstammung, der vorher unter anderem Manager bei der Deutschen Bank war, noch vor seinem Einzug in Ubers Chef-Etage klar diktiert: Uber muss effizienter werden und soll sich auf Europa, Australien, Nord- und Lateinamerika konzentrieren – und von Asien die Finger lassen.
Der CEO Ubers, Khosrowshahi, hat nun also nicht mehr allein die Aufgabe, ein globales Unternehmen, dessen Geschäftsidee die Missachtung von Regeln ist, mit vermeintlichen Gemeinplätzen wie „jede Innovation rüttelt an bestehenden Regeln“ und „jedes StartUp ist ein Rebell“ reinzuwaschen. Er muss Ubers Feldzug in Europa, besonders in Deutschland, verkaufen; so soll noch 2018 mit einer Ausbreitung im Rheinland zu rechnen sein.
Unablässig feuert er widersprüchliche Worthülsen und Phrasen wie Nebelgranaten in das Publikum. Sie sind gefährlich, weil sie durch Witz und Charme verfangen – sie wimmeln vor kommunikativen Finten. Gewiss, es sind alles Falschdarstellungen, oder, direkter gesagt: Lügen. Khosrowshahi nutzt ein Konglomerat aus Emotionen, unsachlichen Truismen und falschen Tatsachenbehauptungen. Er kapert Kritik an Trumps Flüchtlingspolitik oder andere gesellschaftlich akzeptierte Ziele wie „Umweltschutz“ und „soziale Gerechtigkeit,“ Bild-Zeitungs-Redakteurin Tanit Koch spielt ihm brav die Bälle zu, und für ähnliche, zukünftige Jobs wird es viele bereitwillige Kandidaten geben.
Kommunikationsprofis gefragt
Aufgabe des Taxigewerbe muss es sein, diese Lügen zu entlarven. Es muss sich jetzt auf eine neue Art der Kommunikation und auf Koalitionen mit gewissenlosen Kommunikations- und Werbeprofis einstellen und wäre gut beraten, sich dabei selber Kommunikationsprofis zu bedienen.
Das ist kein dünnes Brett, was da zu bohren ist, und es ist nicht mehr viel Zeit, denn Khosrowshahi kündigte die Ausbreitung in Deutschland noch im laufenden Jahr an. Man „arbeite bereits mit Gesetzgebern, Städten und [Taxi-]Unternehmen“, den Kurs „richtig“ umzusetzen. Das würde lange dauern und sei nicht einfach, aber der deutsche Markt sei „die Investitionen wert.“ Khosrowshahi rechtfertigt Ubers Engagement mit der Behauptung, dass sich die Gesetzgebung „viel langsamer entwickele, als die Technologie“ und leitet daraus anscheinend ab, dass die Gesetzgeber ihre Regeln den Wünschen der Industrie, in diesem Fall Uber, anzupassen hätten. Es scheint leider wieder an der Zeit für die wahrscheinlich naive Ermahnung zu sein, dass Demokratien anders funktionieren sollten.
Um die Dringlichkeit zu verdeutlichen, sei auf die Beteiligung Ubers beim Taxi- und Mietwagen-Riesen ComfortDelGro in Singapur verwiesen. Ein Aufkauf eines der kränkelnden und zum Verkauf stehenden Großunternehmen der deutschen, österreichischen oder schweizer Branche, oder schlicht die Neubeantragung von Mietwagenkonzessionen, wäre das geringste Problem für einen Konzern, der immer noch mehrere Milliarden zur Verfügung hat und in der Vergangenheit große Bereitschaft zeigte, das defizitäre Geschäft durch Risikokapital zu subventionieren.
Überraschend gute Geschäfte, leider defizitär
Khosrowshahi muss Uber in die Effizienz führen. Die Geschäfte liefen „überraschend gut“ für Uber, behauptete Khosrowshahi im Interview mit der Bild-Zeitungs-Redakteurin Tanit Koch, um auf ihre Frage, welche Bereiche denn nicht so gut liefen, zu antworten: „Der Bereich mit der Profitabilität läuft noch nicht.“
Das Beispiel für Ubers Widersprüchlichkeit geht damit weiter, dass der lustige Mann, der im letzten Jahr bei Expedia 96.400.000 Dollar als Gehalt bekam, auf dem Podium quasi schwor, dass Menschen als Uber-Fahrer „ausreichend“ für ihren Lebensunterhalt sorgen könnten – eine unhaltbare Behauptung, für das Gegenteil gibt es vielerlei stichfeste Belege. Und damit das in Zukunft auch so sei, sorge Uber dafür, dass die Erlöse je gefahrenen Kilometer niedrig sind, denn durch die niedrigen Preise gäbe es mehr Nachfrage und die Fahrer hätten mehr zu tun.
Khosrowshahi verkauft Uber als „Gelegenheit für tausende von Menschen, ein Einkommen zu erzielen“ (und verschweigt dabei, dass Uber hunderttausende Vollzeit-Jobs mit sozialer Absicherung und Zahlung in die Sozialkassen vernichtet hat und Einzelwagen-Unternehmen in den Ruin trieb). Uber sei die Lösung für verstopfte Städte (das Gegenteil ist nachweislich der Fall) und insgesamt sei Uber die Rettung der Welt.
Und, wie um Albert Einsteins Zitat „die Dummheit des Menschen ist grenzenlos“ (sinngemäß) zu beweisen, hilft Tanit ihm dabei, in dem sie, wie sie sogar selber sagt, das Podium für ihre „persönliche Vendetta“ gegen Berliner Taxifahrer nutzt, die sie dutzende male beleidigt hätten, weil sie mit Kredtikarte bezahlen wollte. Khosrowshahi klatscht breit grinsend Beifall und niemand kann die beiden -vor laufender Kamera- an die reihenweise durch Uber-Fahrer begangenen Gewaltverbrechen und sexuelle Übergriffe auf Fahrgäste in den USA oder Großbritannien erinnern, die Ubers System erst ermöglichte und sogar deckte.
Bodenlos wirres Geschwätz
Wie der verkündete „Reset“ oder „Neustart“ denn auszusehen habe, definiert Khosrowshahi mit einer im Englischen bekannten Redewendung – und für Amerikaner vielleicht überzeugender als für Europäer – so: „Mach‘ das Richtige, Punkt. [Do the right thing, period.] Ganz einfach. Jeder weiß, was das heißt.“ Das ist Ubers wichtigste Verhaltensrichtlinie, hergeleitet von dem, was die Angestellten für richtig hielten, und nicht etwa „von oben herab“. Der Tonfall fragt nicht nach Widerspruch, der Monolog geht noch ein paar Sätze weiter und die Journalistin der Bild-Zeitung geht lächelnd weiter durch ihre Moderationskarten. Niemand erklärt jetzt dem Publikum das katastrophale Ausmaß des Gebildes „Uber“ oder Khosrowshahis wirrem Geschwätz.
Der Kampf ist aber nicht aussichtslos, denn in manchen Behörden und politischen Gremien sitzen auch vernunftbegabte Zeitgenossen. Es sollte möglich sein, den örtlichen Behörden, Politikern und den Kunden den Zusammenhang zwischen einem regulierten Markt und Versorgungssicherheit zu erklären, den Zusammenhang zwischen Tarifpflicht, Beförderungspflicht, Privilegien und Beschränkungen. Es sollte möglich sein, Ubers Propaganda sachlich zu widersprechen. Verdrehungen, wie „Taxis, die nach jeder Fahrt zu ihren Betriebshöfen zurückfahren“ müssten und damit – wie ungerecht!- die Umwelt belasten, müssen in den richtigen Kontext gebracht, richtig gestellt werden. Der Öffentlichkeit, ebenso den Verantwortlichen in den Behörden, müssen Sinn und Hintergrund der Privilegien und Pflichten des PBefG leider ganz genau erklärt werden.
Das erste mal zeigten sich in diesem Jahr Protestierende am Rande eines Milliardärs-Treffen, und die Presse fand auch das erwähnenswert. Das sollte Mut machen, eine umfassende, professionelle Strategie zu entwickeln und schleunigst umzusetzen, bei der nicht das Klein-Klein des taxitypischen Konkurrenzkampfes, sondern die gesellschaftliche Perspektive in den Vordergrund gestellt wird. 40.000 Unternehmen allein in Deutschland sollte es möglich sein, mit ihren Verbänden gemeinsam etwas auszurichten. prh
Damit verabschiedet sie die Taxi Times-Redaktion für diese Woche und wünscht ein schönes Wochenende. Unfallfreie Fahrt den Kolleginnen und Kollegen im Schichtdienst und allzeit agressionsfreie und gut gelaunte Fahrgäste.
Grafik: Taxi Times
Hinweis in eigener Sache: Diese Meldung können Sie auch in unserer Taxi Times-App nachlesen. Jetzt kostenlos runterladen.