In einer bemerkenswerten Pressemeldung analysiert der TÜV Nord das psychologische Profil der Fahrgäste anhand ihrer Sitzplatzwahl. Ob vorne oder ist eine Frage der Persönlichkeit – und der Sicherheit.
Die Rückbank eines Taxis „dient als Rückzugsort, besonders für Menschen, die nicht gerne Smalltalk mit Fremden halten“. Zu dieser Erkenntnis kommt Christian Müller. Müller ist Diplompsychologe beim TÜV Nord und ist sicher, dass schüchterne Persönlichkeiten lieber hinten sitzen. Diese täten sich schwer damit, Kontakte zu knüpfen, entspannt auf Fremde zuzugehen und ein unverbindliches Gespräch anzufangen.
Hinter schüchtern wirkendem Verhalten könne aber noch etwas anderes stecken, erklärt der Psychologe. „Auch introvertierte Menschen verhalten sich zurückhaltend, aber aus anderen Gründen. Sie haben einfach kein besonderes Interesse an einem Smalltalk.“ Gespräche mit Fremden oder in Gruppen fänden sie eher anstrengend und bevorzugten den Austausch mit wenigen, vertrauten Personen.
Als dritte Gruppe der Hinten-Sitzenden nennt der Fachmann die Geschäftskunden. Diese zögen sich gerne auf die hinteren Plätze zurück, um zu telefonieren oder um Aktentasche und Laptop auszubreiten.
Plaudern Fahrgäste im Taxi dagegen sofort lebhaft übers Wetter, handele es sich in der Regel um eher extravertierte Persönlichkeiten. Sie sind per Definition gesellig und gesprächig, suchen den Kontakt und das Gespräch mit anderen Menschen. Diese sitzen selbstverständlich vorne.
Müller erklärt auch, warum sich Fahrgäste, denen es uunangenehm ist, sich chauffieren zu lassen, ebenfalls neben den Fahrer setzen: „Sie wollen nicht den Eindruck erwecken, dass sie sich für vornehm oder etwas Besseres halten.“
Fehlt noch die Kategorie „ängstlicher Fahrgast“. Dieser saß früher noch im Fond, denn Ende des 20. Jahrhunderts galten die hinteren Plätze als sicherer: Dort waren die Überlebenschancen bei einem Crash höher, wie der TÜV Nord aus US-Daten zu tödlichen Verkehrsunfällen aus den Jahren 1993 bis 2003 entnimmt. Auf der Rückbank starben damals im Vergleich zu einem Sitz vorne rund ein Drittel weniger Menschen.
Heute ergeben Crashtests jedoch ein anderes Bild. „Vorne Top, hinten Flop“, zitiert der TÜV das Fazit von Unfallforschern des ADAC nach simulierten Frontalaufprallen bei 64 Stundenkilometern. Das läge an besseren Sicherheitssystemen für Fahrer und Beifahrer, wohingegen es hinten an Airbags fehle und Sicherheitsgurte sowie Kopfstützen dort häufiger zu wünschen übrig ließen. Die Konsequenz: ein erhöhtes Verletzungsrisiko für Kopf, Brust- und Halswirbelsäule. Man habe das Gefühl, so der ADAC, die Autobauer hätten die Rückbank bei der Weiterentwicklung der Sicherheitssysteme vergessen – von einigen positiven Ausnahmen, darunter Kindersitze, abgesehen.
Leider macht der TÜV keine Angaben, ob und wenn ja wie viele Fahrgäste vor Beginn einer Taxifahrt Angst vor einem Unfall haben. Stattdessen durchschaut Psychologe Müller jene Kollegen, die „Dinge auf den Beifahrersitz legen.“ Sie signalisieren damit, dass sie lieber alleine bleiben möchten. Müller appelliert an die Fahrgäste, „diesem Wink mit dem Zaunpfahl“ höflich zu folgen, schließlich möchte ein Taxifahrer auch mal seine Ruhe haben. „Wer will schon jeden Tag ein Dutzend Mal über das Wetter sprechen?“
Anmerkung der Redaktion: Lebenserfahrene Profi-Chauffeure mögen dem Psychologen sicherlich voll und ganz zustimmen. In einer Sache wollen wir als Redaktion aber deutlich wiedersprechen: „Dinge auf dem Beifahrersitz“ sind in Zeiten von Uber und anderen Wettbewerbern ein absolutes „No go“. So wie ein Arzt ein Dutzend mal die wahrscheinlich immer ähnlichen Krankengeschichten anhören muss, und ein Clown jeden Tag mit guter Laune seine Späße machen muss, muss auch ein Taxifahrer bereit sein, ein dreizehntes mal über das Wetter zu sprechen. jh
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