Bei einer Podiumsdiskussion mit anschließender Frage-Runde trafen Vertreter des Taxigewerbes auf Moia-Verantwortliche. Die Ansichten waren erwartungsgemäß sehr unterschiedlich.
Unter dem Motto „Im fairen Dialog – das Nebeneinander in der Personenbeförderung in Hamburg“ veranstaltete die Handelskammer Hamburg Ende Mai eine Talkrunde, an der drei Vertreter des Taxigewerbes, zwei ranghohe Moia-Verantwortliche und zwei Mitarbeiter der Hamburger Behörden teilnahmen. Jeder hatte eine fest definierte Redezeit, um seinen Standpunkt darzulegen.
Christian Brüggmann, Vorstand der Taxen-Union Hamburg, bemängelte, dass zwar der 2016 gestellte Antrag öffentlich einsehbar war, bis heute aber keine Art der Kommunikation zwischen dem Hamburger Taxiverband und Moia stattfand. Dort hätte man einige offenen Fragen und Unsicherheiten aus der Welt schaffen können.
Brüggmann bezeichnete die Situation als einen Wettbewerb David gegen Goliath. Ein Großkonzern mit fast unerschöpflichen finanziellen Mitteln trete gegen ein Gewerbe mit 2.000 Kleinunternehmern an, deren Existenz von ausreichenden Fahrten und Umsätzen abhängt. „Die Einführung von Moia wird sich höchstwahrscheinlich sehr bald aufs Portemonnaie des Taxiunternehmers auswirken“ prognostiziert Brüggmann. Auch, weil es sehr schwierig werden wird, neue Taxifahrer zu bekommen, wenn Moia gleichzeitig für 500 Shuttle-Autos Fahrer rekrutiert. Darüber hinaus wird künftig mit mehr Verkehr und mehr Stau wegen zusätzlichen 500 neuen Fahrzeugen auf den Straßen zu rechnen sein. An die eigenen Kollegen appellliert Brüggmann, einen Plan B in der Tasche zu haben, denn verhindern lassen sich neue Verkehrskonzepte nicht mehr. Statt eines Nebeneinadners solle man aber darauf hinwirken, dass es ein Miteinander wird.
Robert Henrich, Chief operating Officer MOIA, legte das Hauptaugenmerk seines Vortrags auf die Sharing-Idee des Moia-Konzepts. Die Shuttle-Busse werden von Station zu Station gefahren, der Kunde muss also einen Fußweg hinter sich legen. Somit sei die Dienstleistung von Moia nicht so gut wie die vom Taxi. Das Moia-Konzept biete eine Lösung für Hamburg, weil dort der Verkehr Überhand genommen habe und die Straßen verstopft seien. Die hohen Stauzeiten seien ineffizient und würden ein hohes Maß an Ressourcen verbrauchen. Henrich sieht in Moia eine Zwischenlösung zwischen dem Öffentlichen Hamburger Verkehrsbetrieben HVV und dem Taxi. Für die Stadt sie dies ein „großes Potential, etwas zu verändern.“
Henrich sprach auch insgesamt von einem „grundsätzlichen Wandel in den nächsten drei bis zehn Jahren, auch im Bereich der Elektromobilität. Dies rufe nicht nur Unsicherheit im Taxigewerbe hervor, sondern grundsätzlich in der Automobilindustrie. Der Wandel sollte nicht aufgehalten, sondern gemeinsam angegangen werden.
Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit und der Rechtfertigung der Moia-Pläne verwies Henrich auf den im Koalitionsvertrag formulierten Stichpunkt Mobilität 4.0: “Öffnung des Rechtsrahmens für weitere Mobilitätsangebote mit Steuerungsmöglichkeiten für die Kommunen“.
Ingmar Dathe, bei Moia zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, nutzte seine Redezeit, um auf Gerüchte und „Mythen“ einzugehen und diese aus der Welt schaffen. Er ging dabei auf die Aussage ein, dass großes Kapital nicht einfach gegen kleine Unternehmen angehen würde: Herr Dathe behauptete, es wäre hart, aber fair. Hart, weil man anfangs von ganz anderen Prämissen ausgegangen sei, als man das Konzept den Behörden präsentiert habe. Nach den Anhörungen habe die Behörde deutliche Kante gezeigt. Der Vorwurf, dass der VW-Konzern ankomme und sich die Stadt sofort beuge, habe nicht der Wahrheit entsprochen. Die Hamburger Behörde habe stark die Interessen der Taxiunternehmen berücksichtigt, was sich in insgesamt 16 Auflagen und Bedingungen zeigen würde, deren Einhaltung nicht einfach seien. So dürfe Moia Fahrzeuge nicht nur im Hauptverkehrsbereich einsetzen, sondern müsse das Gebiet erweitern.
Ivica Krijan, Hamburger Taxiunternehmer und Initiator der Homepage „die klage.de“, griff Herrn Dathe direkt an und bezeichnete einige seiner Aussagen als Lüge. Man könne beispielsweise nicht nachprüfen, ob der Preis für Moia-Fahrten wirklich zwischen HVV und Taxi liege, weil die Unterlagen dazu nicht öffentlich einsehbar seien. Krijan ärgerte sich, dass Moia Argumentation darauf ausgelegt sei, Taxis würden mit dem „dreckigen“ Diesel fahren. Dabei hinterließen die in den versprochenen Elektrofahrzeuge eingesetzten großen Elektrobatterien ebenso einen schädlichen Fußabdruck, indem schädliche Rohstoffe benötigt würden, die teilweise aus dem Kongo mit Hilfe von Kinderarbeit gewonnen würden. Zur von Moia versprochenen Reduzierung des Fahrzeuganteils gab Krijan zu bedenken, dass Privatfahrzeuge wieder verstärkt eingesetzt würden, sobald die Straßen frei sind.
Auch Orhan Tasbilek, Taxiunternehmer und Mitglied des Plenums der Handelskammer Hamburg, will nicht an die Umweltschutz-Argumente glauben. Das sei absurd, „es geht rein um den Profit“, sagte er. Es gäbe bisher keine Studie, die eine Lücke zwischen dem HVV und dem Taxi aufweist. Bei einem Ausfall des HVV sei bisher immer das Taxi die Lösung gewesen. „Es wird über Freundschaft zwischen Moia und Taxi gesprochen“, sagte Tasbilek. „Freundschaft kann nur auf Vertrauen basieren, existiert jedoch nicht.“ Das zeige sich auch darin, dass Taxiunternehmer, die seit Jahrzehnten Kunden von Volkswagen sind, den neuen Elektro-Bus gar nicht kaufen dürfen, weil er nur zur VW-internen Nutzung gebaut werde.
Was wäre nun aber erforderlich, um ein Miteinander zu ermöglichen? Diese Frage richtete der Moderator Markus Troeder, Leiter der Abteilung Tourismus, Sportwirtschaft in der Handelskammer Hamburg an die anwesenden Gesprächsteilnehmer. Hier gaben die Taxivertreter keine einheitliche Antwort. Tasbilek betonte, dass es sich bei 500 bis 1000 Fahrzeugen um kein Experiment mehr handeln könne, sondern um einen direkten Angriff. „Während die Zahlen vom Taxigewerbe in digitaler Form ersichtlich und transparent sind, gibt Moia keine Zahlen frei.“ Man könne deshalb keine Freunde mehr werden. Brüggmann hingegen plädierte für einen Austausch: „Reden hilft.“ Seitens der Hamburger Behörde kam die Anregung, Unternehmen anzusprechen, ob sie nicht an der Evaluierung über die Auswirkung auf das Gewerbe teilnehmen möchten. Es sollen sich mehrere Personen an einen Tisch setzen und sich beraten, sowohl Personen aus dem Taxigewerbe als auch neutrale Personen.
Auf den Vorwurf von Krijan, Moia sei mit seinen Dumpingpreisen die neue Version von Uber, reagierte Henrich mit dem Versprechen, es werde kein Dumping geben. Der Preis sei von der Auslastung der Fahrzeuge abhängig, entsprechend können sich Preise zukünftig ändern. „Die Wirtschaftlichkeit muss sich erst noch zeigen, die Genehmigung ist auf vier Jahre befristet“, sagte Henrich. „Erst danach wird geprüft, ob Moia weiterbestehen kann.“
Auf die Seite des Taxigewerbes stellte sich Dirk Ritter, Sachgebietsleiter Gewerbeaufsicht, der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI): „Wir sehen und berücksichtigen die Bedürfnisse des Taxigewerbes. Daher diskutieren wir überhaupt an dieser Stelle über einen Antrag. Die Behörde ist für einen Interessenausgleich.“
Laut Ritters These stehen 50.000 Bewohner in Hamburg jedes Jahr vor der Frage, ob sie sich ein Auto kaufen wollen. Diese möchte man durch Moia ansprechen und gegebenenfalls auf den HVV, das Taxi und auf Moia lenken. Ritter kündigte an, dass seine Behörde nach zwei Jahren die Fiskaldaten prüfen und auswerten werde, ob die Umsatzzahlen, Anzahl der Kunden und Bestellaufträge rückläufig sind.
Am Schluss wurde der Dialog dann auch noch auf das Publikum ausgeweitet, in dem erwartungsgemäß etliche Taxiunternehmer saßen. Einer von ihnen hielt die Argumentation, dass Moia eine Versorgungslücke schließen will, für unerheblich, da Moia hauptsächlich in der Innenstadt starten werde, in der bereits das Netzwerk von öffentlichen Verkehrsmitteln und Taxis sehr stark ausgebaut sei, was einen anderen Besucher zur Frage verleitete, warum Moia nicht im Umland starte. Immerhin würde jeder dritte Arbeitnehmer aus dem Umland in die Stadt pendeln. Moias Antwort war kurz und knapp: Man habe nur eine gewisse Kapazität an Fahrzeugen und möchte sich langfristig das Umland offen halten. jh
Hinweis der Redaktion: Diese Zusammenfassung basiert auf einem Gesprächsprotokoll des Hamburger Taxiunternehmers Khessrau Asefi. Er hatte an der Veranstaltung teilgenommen und seine Notizen Taxi Times zur Verfügung gestellt.