Wenige Wochen, nachdem die von Daimler und den Stuttgarter Straßenbahnen SSB gemeinsam betriebene Ride-Sharing-Flotte „Flex“ vom Probe- in den Echtlauf wechselte, haben die Kollegen der Südwestpresse das neue Angebot nun unter die Lupe genommen.
Sammeltaxi-Angebote können für die Bürger durchaus eine Bereicherung sein, stellt die Branche aber vor die Frage: Warum muss ein Unternehmen der öffentlichen Hand den Taxi-Unternehmen Konkurrenz machen? Ginge das nicht gemeinsam, indem man vorhandene Strukturen sinnvoll miteinander verbindet?
Das Personenbeförderungsgesetz erlaubt solche Tests, wie er jetzt für eineinhalb Jahre unter dem Namen SSB Flex in Stuttgart durchgeführt wird. Lücken im Netz sollen so besser erschlossen werden. Individuelle Fahrzeuge lassen sich via App bestellen und fahren dann zum gewünschten Ziel. Die Verkehrsbetriebe betonen, es sei das erste Mobilitätsangebot dieser Art in Deutschland. Allerdings fragt nicht nur Taxi Times: „Seid Ihr sicher, dass Ihr die ersten seid? Sammeltaxis haben weltweit eine lange Geschichte. Aber sei es drum, neu ist jedenfalls die Kooperation mit der Daimler-Tochter moovel. „Es ist wichtig für die Stadt, auch im Sinne des Aktionsplans „Nachhaltig mobil in Stuttgart“, neue Formen von vernetzter und multimodaler Mobilität zu erproben. Ich bin zuversichtlich, dass SSB Flex ein echter Gewinn für die nachhaltige Mobilität der Stuttgarterinnen und Stuttgarter sein wird“, hatte Dr. Michael Münter, Referatsleiter für Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität bei der Stadt Stuttgart, zum Start des Angebots erklärt.
Wie funktioniert SSB Flex?
SSB Flex wird montags bis samstags von 6 bis 21 Uhr und donnerstags bis samstags zusätzlich von 21 bis 2 Uhr des Folgetages in großen Teilen zweier Stuttgarter Stadteile angeboten. Damit sollen weiße Flecken im ÖPNV-Netz verkleinert werden oder ganz verschwinden. Gefahren wird mit zehn Autos – Mercedes-Benz V-Klassen mit je fünf Sitzplätzen im Fond und Mercedes Benz B-Klassen mit elektrischem Antrieb, die drei Sitzplätze im Fond bieten. Die Fahrerinnen und Fahrer der SSB-Fahrzeuge sind speziell ausgebildet und geschult. Bestellt wird via App, dann finden sich Fahrzeug und Fahrgast. Bezahlt wird auch über die App – ab 2,20 Euro für kurze Strecken. Kinder fahren ab 1,80 Euro. Spricht man mit Kollegen aus der Branche, dann macht das Wort vom „Taxi-Tod“ die Runde. Im Test der Südwestpresse war zwar auch der Preis günstig, allerdings machte das Navi umständliche Vorgaben. Ein längerer Weg war die Folge – acht Minuten statt der geplanten fünf dauerte die Fahrt. Auch die zweite Teststrecke offenbarte noch einige Kinderkrankheiten. Eine virtuelle Haltestelle und eine fehlende Wendemöglichkeit verlängerten auch hier die Fahrt. Aber das wird sicher im Rahmen des Tests noch verbessert.
Was passiert im Hintergrund?
Hinter der App arbeitet ein Moovel-Algorithmus, der die Fahrtanfragen der Nutzer bündelt. Wollen mehrere Fahrgäste zu Zielen, die nicht weit entfernt liegen, wird die Tour geteilt. Um sicherzustellen, dass die Nutzer schnell an ihr Ziel kommen, wird die ganze Zeit gerechnet – und unter Einbeziehung aktueller Daten von Straßenverkehrsdiensten und ÖPNV aktualisiert. Die Treffpunkte von Fahrgast und Fahrzeug bestimmt die Technik, damit ist spontanes Einsteigen oder früheres Aussteigen nicht vorgesehen. SSB Flex ist zunächst bis Ende 2019 als Pilot angelegt.
Und die Zukunft? Egal, wie die Anbieter heißen – ob Moia, Clever Shuttle oder eben SSB Flex – sie werden sich ein Stück vom Mobilitätskuchen abschneiden. Das ist nicht weiter verwunderlich, Wettbewerb gehört zu jedem Geschäft. Solange aber mit öffentlichen Geldern oder Finanzspritzen großer Unternehmen Dumpingpreise aufgerufen werden, kann von fairem Wettbewerb keine Rede sein. Das Personenbeförderungsgesetz erlaubt solche Testphasen wie in Stuttgart. Für manch einen Taxi-Unternehmer könnte sie dagegen an die Substanz gehen. tm
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