Eine Stausteuer und die große Konkurrenz durch Uber bedroht massiv das New Yorker Taxigewerbe. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie wird allerdings vom ARD Magazin „Weltspiegel“ in einer halbstündigen Fernsehreportage eindrucksvoll bestätigt. Leider werden dabei auch die alten Klischees aus der Schublade gezogen.
Der New Yorker Taxifahrer Victor Salazar, Gewerkschafter der New York Taxiworkers Alliance, ist eine der Hauptfiguren in der Weltspiegel-Reportage „Taxi, Taxi! – In den Straßen von New York“. Autorin Christiane Meier beschreibt Victors Versuche, die Kollegen zu einer Demonstration gegen die Stausteuer zu bewegen. New Yorks Taxifahrer sehen sich nicht als die Schuldigen am Dauerstau, das sei durch die vielen Uber- und Lyft-Fahrzeuge entstanden.
Auf einen New Yorker Taxifahrer (Yellow Cab) kommen inzwischen sechs Uber- und Lyftfahrer, verrät uns die Reportage. „13.000 Taxifahrer gegen 80.000 Uberfahrer.“ Wobei zu den Uber-Fahrern auch die Lyft-Konkurrenz zählt. So wie Shelly, die fährt für beide Apps. Shelly ist eine weitere Hauptfigur in der Reportage. Sie wird als diejenige dargestellt, die immer freundlich zu ihren Fahrgästen ist, ihren achtzigjährigen Fahrgast zum Leben befragt, einem siebzigjährigen Ehepaar Musik aus den 50-er vorspielt, damit diese sich während der Fahrt nochmal ineinander verlieben können. Shellys Motto: Ihre Fahrgäste sollen glücklicher aussteigen als sie eingestiegen sind.
Victor ist derjenige, der mit seinen Fahrgästen sofort die politische Diskussion beginnt. Die Stausteuer darf nicht kommen, die Regierung muss die Taxifahrer besser vor Uber schützen. Schließlich seien die Yellow Cabs die Ikone von New York. Das junge Ehepaar stimmt zu. New York ohne gelbe Taxis sei kein New York mehr. Anschließend wird die Fahrt bar bezahlt. Bei Shelly muss nur ausgestiegen werden.
Eigentlich hätte man die jungen Fahrgäste bei Uber erwartet und die älteren Semester im Taxi. Es hätte besser zum Klischee gepasst, das Autorin Meier rund um ihre Geschichte bedient. „Alt gegen Neu“, Tradition gegen Moderne“ bezeichnet sie den „ungleichen Kampf“ um New Yorker Fahrgäste. Die Straßen Manhattans seien längst nicht mehr gelb-dominiert, sondern Limousinen-schwarz. Warum dort die verbliebenen Yellow Cabs auf Frau Meier „wie aus der Zeit gefallen wirken“, erschließt sich leider nicht.
Zugute halten muss man der Autorin allerdings, dass man Klischees nur dann bedienen kann, wenn man sie auch vorfindet. Die Reportage zeigt die New Yorker Taxifahrer, die – gewerkschaftlich organisiert – der Politik die Schuld geben, der Taxikommission vorwerfen, sie solle sich schämen und den Gouverneur als „Trump von New York“ beschimpfen.
Victor und seine Mitstreiter sind es aber auch, die Gedenktafeln für jene acht Kollegen erstellen, die sich innerhalb der letzten Monate das Leben genommen haben – weil sie mit dem Taxi nicht mehr genug Geld verdienen konnten, um ihre Familien zu ernähren bzw. die Kredite abzubezahlen. Jene Kredite, die sie aufgenommen haben, um sich die Medailons zu kaufen, jene New Yorker Taxikonzessionen, die vor dem Markteintritt von Uber noch eine Million Dollar wert waren und nun nur noch ein Fünftel davon.
Die scheinbare Altersvorsorge hat sich in Luft aufgelöst und zwingt den 60-jährigen Bruder von Kelly aus Myanmar, nun noch mindestens zehn weitere Jahre Taxi zu fahren. Kelly zählte zu den acht Selbstmördern.
Kelly, Victor und die vielen anderen kämpfenden Yellow Cabfahrer sehen ihren Beruf als Berufung, sie sind stolz, Teil einer New Yorker Ikone zu sein. Die Uber-Fahrerinnen und Fahrer, die von Meier portraitiert werden, sehen ihren Job dagegen nur als Übergangslösung. Shelly will Schauspielerin werden und für Khalid aus Afghanistan war es der erste Job, den er bekam, als er nach New York kam.
Khalid, eine weitere Hauptfigur der Reportage, steht für die zweite Generation der Uber-Fahrer. Diejenigen, die in der Masse der verfügbaren Fahrzeuge kaum noch Fahrten bekommen, die von einem finanziellen und gesellschaftlichen Aufstieg im weltoffenen New York so weit entfernt sind wie der Süd- vom Nordpol. Khalids Mentalität lässt ihn auch nur schwer akzeptieren, dass seine Fahrgäste für die Fahrtdauer über ihn bestimmen können – und ihn anschließend schlecht bewerten und er keinerlei Möglichkeit hat, sich gegen solche Bewertungen zu wehren.
Victor, Shelly, Kelly, Khalid sind Wettbewerber untereinander und im Kampf der Systeme. Gemeinsam haben sie die Liebe zu New York, zieht Meier ihr Fazit am Ende der Reportage. Für den Zuschauer kommt die Gewissheit dazu, dass digitale Revolutionäre wie Uber und Lyft zwar viel zerstört haben, aber nichts adäquates dazu aufbauen konnten. jh
Das Video kann unter folgendem Link in der ARD Mediathek bis zum 26.01.2020 angeschaut werden.
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