Das Handelsblatt nimmt die Änderungsvorschläge des Verkehrsministeriums zum Anlass, die Statements vieler Beteiligten abzufragen.
Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) betraf jahrzehntelang eigentlich nur zwei Branchen: Die Kommunen als Anbieter des ÖPNV und das Taxi- und Mietwagengewerbe als der Zweig des ÖPNV, der als Ergänzung die Daseinsvorsorge zu sichern hatte. Nun soll das PBefG umfassend geändert werden. Die Beratungen des Verkehrsausschusses haben begonnen und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat am Wochenende ein Eckpunktepapier vorgelegt, in dem es seine Vorstellungen möglicher Änderungen formuliert.
Die Wirtschaftszeitung Handelsblatt hat in einem langen Beitrag die Statements zahlreicher Beteiligter abgefragt. Die Tatsache, dass dabei nicht etwa nur Politiker (als Kommunenvertreter) und das Taxigewerbe zu Wort kommen, sondern auch die Vertreter der Fahrzeughersteller, der Ride-Pooling-Anbieter sowie der disruptiv agierenden App-Vermittler ihre Einschätzung abgeben dürfen, zeigt, warum das PBefG überhaupt so umfassend verändert werden soll: Im Zuge künftiger autonomer Fahrzeuge und der damit nötigen Datensammlungen mobiler Bewegungen soll der Markt der Personenbeförderung gesetzlich neu definiert werden, damit er dann den globalen und kapitalstarken Unternehmen den Markteintritt ermöglicht.
Die Debatte darüber, wie das ablaufen soll, dürfte laut Auffassung des Handelsblattes in dieser Woche an Fahrt aufnehmen, rechtzeitig, bevor am Freitag BMW und Daimler ihre neue Allianz vorstellen werden, einen gemeinsamer Mobilitätskonzern, „der vom Taxidienst über das Carsharing bis zur Parkplatzvermittlung alles aus einer Hand anbietet“, wie es das Handelsblatt formuliert. Die beiden Hersteller sind nicht die einzigen. Volkswagen probiert es über seinen Shuttle-Dienst Moia, die Bahn über Clever-Shuttle und Sixt wird Ende Februar eine Mobilitäts-App vorstellen, bei der allerdings die Taxizentralen mit im Boot sein werden.
Sie alle blicken gespannt auf die Politik und deren Entscheidungen zur Novellierung des PBefG. Welchen Einfluss das nun vorgelegte Eckpunktepapier des BMVI dabei haben wird, ist noch ungewiss. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) selbst sieht eine „Riesenchance“, mit Fahrdiensten älteren Menschen und dem ländlichen Raum Mobilität zu sichern, zitiert ihn das Handelsblatt.
Kritik am Papier kommt von der Opposition: Stefan Gelbhaar von den Grünen, der sich bei einer letztjährigen Veranstaltung des Taxi-Bundesverbands BZP als großer Experte des PBefG profilierte, sei von den Eckpunkten enttäuscht, schreibt das Handelsblatt: Beförderungsarten wie Mietwagen oder der öffentliche Nahverkehr würden „aufgeweicht, statt die neuen Mobilitätsdienste systematisch mit Rechten und Pflichten zu regeln“. Außerdem sei „keinerlei ökologische Idee zu erkennen: Kannibalisierungseffekte in Richtung öffentlichen Nahverkehr sind nicht bedacht oder gar ausgeschlossen worden. Die Versorgung des ländlichen Raums mit Sharing-Angeboten ist der Bundesregierung bislang keinen Gedanken wert.“
„Wir müssen aufpassen, dass wir die Standards nicht aufweichen und für faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern sorgen“, fordert dahingegen der für die SPD zuständige Verkehrspolitiker im Bundestag, Detlef Müller im Handelsblatt.
Wenn der Personenbeförderungsmarkt liberalisiert wird, wie es vor allem die FDP fordert (mit finanzieller Unterstützung aus der Uber-Ecke), würde die Anzahl der Mietwagen „sprunghaft steigen“, vermuten Experten.
An dieser Stelle kommt im Beitrag des Handelsblattes nun der BZP in Form seines Geschäftsführers Thomas Grätz zu Wort: „Die Trennung zwischen Taxi- und Mietwagengewerbe muss erhalten bleiben“, appelliert Grätz an die Entscheidungsträger. Anders als Mietwagen seien Taxis Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. „Wenn man diese Trennung aufhebt, dann ist das Taxigewerbe in seiner Existenz bedroht.“
Das Privileg der Rückkehrpflicht, die laut Eckpunktepapier des Verkehrsministeriums entfallen soll, müsse den Taxifahrern bleiben, konkretisiert der BZP im Handelsblatt. Ansonsten drohten Verhältnisse wie in New York oder Amsterdam Dort seien Fahrdienstvermittler ohne Auflagen unterwegs, ein wilder Markt, der zu mehr Verkehr und schlechteren Arbeitsbedingungen geführt habe. „Da entsteht ein hoher sozialer Druck, ein Prekariat von Fahrern, das von seiner Arbeit kaum leben kann“, fürchtet Grätz.
Alexander Mönch von mytaxi sieht im Wegfall der Rückkehrpflicht ebenfalls eine Benachteiligung des Taxigewerbes. Mönch fordert im Handelsblatt allerdings keine Beibehaltung der Trennung von Taxi und Mietwagenverkehren, sondern deren Zusammenschluss zu einem Gemeinschaftsgewerbe.
Hinsichtlich der Preisgestaltung spricht Mönch von einem „Preiskorridor“ der Unternehmen, der zum einen „Preisobergrenzen für die Kunden und Preisuntergrenzen für die Fahrer“ festlegt. In dieser Spanne könne sich dann der Wettbewerb abspielen.
Argumentative Unterstützung kommt bei diesem Thema von Tom Kirschbaum, Chef des Ridepooling-Anbieters Door2Door. „Es besteht die Gefahr der Kannibalisierung und des Wildwuchses zulasten des Nahverkehrs“, sagt er gegenüber dem Handelsblatt. Wenn sich Private lukrative Verkehre herauspickten, verteure sich der Nahverkehr. „Für die Städte ist es daher höchste Eisenbahn, sich Konzepte zu überlegen und festzulegen, welche und wie viele Anbieter sie zulassen wollen.“
Kommunale Konzepte fordert auch Moia-Chef Ole Harms, um dann aber abermals den Lesern des Handelsblattes das Märchen von der Stauvermeidung zu erzählen: Das Pooling von Autofahrten ein „Hebel, um die Städte spürbar von Stau, Lärm und Abgasen zu entlasten.“
Ganz am Ende des Handelsblatts-Beitrags darf dann auch noch ein Uber-Sprecher zu Wort kommen. „Wir begrüßen, dass Bewegung in den Reformprozess kommt, denn Deutschland muss ein Vorreiter für die Mobilität der Zukunft sein. Neue Mobilitätsformen wie Ride-, Car- und Bikesharing nutzen die ökonomischen und ökologischen Potenziale der Digitalisierung und können damit einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende liefern sowie innovative Modelle auch im ländlichen Raum ermöglichen.“
Bei dieser Einschätzung fragt man sich allerdings, warum das US-Unternehmen und auch sämtliche anderen Mobilitäts- und Pooling-Anbieter bislang nur in den Großstädten agieren. Diese Frage stellt das Handelsblatt leider nicht, aber sie sollte in der nun eröffneten Debatte nicht unerwähnt bleiben. jh
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