Ein verbaler Schlagabtausch zwischen Verkehrsminister Scheuer und Michael Müller, dem Präsidenten des Bundesverband Taxi, brachte keine Spontanlösung. Auch weil sich der Minister beim entscheidenden Punkt der Rückkehrpflicht nicht bewegte. So andauernd und laut ist lange kein Minister mehr ausgepfiifen worden.
Schon das Motto der großen Taxi-Demo („Scheuerwehr“), an der bundesweit insgesamt mehr als 10.000 Taxis teilgenommen haben, macht deutlich, wer aktuell der große Buhmann des Taxigewerbes ist. Trotzdem war der Minister zur Abschlusskundgebung erschienen. Und er durfte auch sprechen. Ein Rückblick auf 13 hitzige Minuten, die hier auch auf Video angesehen werden können, von unserem Beobachter vor Ort, Axel Rühle.
Berlin, Brandenburger Tor, 10. April, 14 Uhr: Verbandspräsident Müller formuliert auf der Bühne zum x-ten mal in prägnanter Dosierung die Forderungen des Taxigewerbes und schließt seine einleitende Rede mit seiner Sicht auf ein vorangegangenes Zusammentreffen mit Verkehrsminister Scheuer ab. Die Verbandsspitze und der CSU-Minister waren am 22. März, fünf Wochen nach Bekanntwerden des explosiven Eckpunktepapiers aus dem Ministerium, am Dienstsitz des Ministers zusammengetroffen und erläuterte errn Scheuer noch einmal die drohenden Konsequenzen im Falle eines Wegfalls der Rückkehrpflicht für Mietwagen. Müller bezeichnet jene Unterredung hinterher als – nach Eindruck des Verbandes – „sehr gutes Arbeitsgespräch“, weshalb die – wortwörtlich zu nehmende – Enttäuschung über Scheuers Rückzieher wenige Tage später umso größer gewesen sei.
Nicht erst seitdem fordert der Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. unablässig ein Bekenntnis zur Rückkehrpflicht von Scheuer. Die „Worthülsen“, mit denen Scheuer damals versucht habe, einen guten Eindruck zu erreichen, „die zünden bei uns nicht“, so Müller am Mittwoch.
Der 44-jährige Minister aus Passau hatte – anfangs in Gegenwart mehrerer Parlamentskollegen, später alleine auf weiter Flur zwischen seinen Gegnern und Journalisten auf seinen Auftritt wartend – gelassen auf der Bühne verharrt, während Michael Oppermann vom Bundesverband und Moderator der Kundgebung, das Publikum begrüßt, seine Freude über die hohe Teilnehmerzahl zum Ausdruck gebracht und auch den Minister willkommen geheißen hatte. Dieser hatte sich in scheinbar entspannter Stimmung mit einzelnen Provokateuren vor der Bühne den einen oder anderen kleinen sarkastischen Schlagabtausch geliefert.
Auch diesmal hörte Scheuer zumindest wieder aufmerksam zu, als Müller ihn aufforderte, zu zeigen, dass er zugehört habe und verstanden habe, dass seine Eckpunkte „so nicht Bestandteil bleiben dürfen“. Würde man nur wieder „die gleichen Worthülsen zu hören bekommen, dann würden wir uns „gegenseitig Zeit stehlen.“ Mit den Worten „Herr Minister, wir erwarten neue Aussagen von Ihnen – bitte schön“ übergab Müller dem so Angesprochenen das Rednerpult. Der musste zuerst ein einminütiges Pfeifkonzert mit Buh-Rufen und „Uber-raus!“-Sprechchören über sich ergehen lassen – offensichtlich wird Scheuer recht eng mit Uber in Verbindung gebracht, obwohl er den Firmennamen nur selten in den Mund nimmt. Ein Teil der Demonstranten hatte sich demonstrativ von der Bühne weggedreht.
Mit lauter, fester Stimme, wie sie für einen erfahrenen Redner charakteristisch ist, der täglich mit politischen Gegnern konfrontiert ist, begrüßte Scheuer schließlich den „lieben Herrn Müller“ und die „verehrten Taxifahrerinnen und Taxifahrer“, um sich sogleich mit dem Vorwurf an Müller zu wenden, dieser hätte seinerseits den aktuellen „Verhandlungsstand“ nicht ganz korrekt wiedergegeben. Schlagartig erhöhte sich der Stimmenpegel der Demonstranten, so dass Scheuer mit erhöhter Lautstärke weitersprechen musste.
Er begann nun erneut seine bekannte Argumentationslinie: Wenn er seine Eckpunkte, bevor sie ausdiskutiert seien, zurückziehen würde, dann ginge auch dieser und jener Punkt verloren, der für das Taxigewerbe positiv sei und es vor unlauterem Wettbewerb schütze, und das wolle Müller doch sicherlich nicht. „Ich habe Ihren Forderungskatalog gelesen. Ich habe ihn aufgenommen, und Sie haben zu meinem Eckpunktepapier gesagt: Ja, wenn es fair zugeht, dann finden wir eine Lösung.“ Anschließend las Scheuer nacheinander die sieben Überschriften aus dem Verbandspapier vor und bejahte sie nachdrücklich: „Fairer Wettbewerb der Anbieter – ja! Mein Wort haben Sie: fairer Wettbewerb der Anbieter!“ Die nächsten Punkte kommentierte er jeweils mit „ja! Kann ich unterschreiben!“, wobei die Menge langsam lauter wurde.
Auch die nächste Stufe der Argumentationslinie kam vielen bekannt vor: „Wollt Ihr fairen Wettbewerb?“ – und eine Reihe ähnlicher rhetorischer Fragen, wollt ihr dies, wollt ihr das, wollt ihr auch am neuen Großflughafen laden dürfen? Dann ein entscheidender Punkt: „Die Frage der Rückkehrpflicht überlasse ich den Städten. Die Städte müssen entscheiden: ja oder nein. Und die Städte bekommen die Möglichkeit. Keiner will ungeregelte, ungerechte, unfaire Verhältnisse der Personenbeförderung, wie es in anderen Ländern ist. Keiner will in Deutschland San Francisco, keiner will New York, keiner will Los Angeles.“
Dann, wegen der Lautstärke der Demonstranten fast schreiend: „Kapieren Sie endlich, dass ich Sie brauche für die Daseinsvorsorge! Und ich kämpfe dafür, dass Ihr Gewerbe geschützt wird […]. Das ist mein Ansinnen, und das verspreche ich Ihnen auch. Ich freue mich, dass so viele gekommen sind, aber akzeptieren Sie auch, dass ich zu meinen Zusagen stehe, und fangen Sie nicht immer nur bei Null an, sondern gehen Sie auch darauf ein, dass ich mich bewege, zum Wohl der Taxiunternehmer, zum Wohl der Taxifahrer, gegen unfairen und ungeregelten Wettbewerb, das sage ich Ihnen heute zu.“
Damit überließ der Minister vor der pfeifenden und schreienden Menge das Rednerpult wieder seinem Vorredner Müller. Dieser erinnerte daran, dass es entscheidend sei, die Abgrenzung zwischen Taxi und Mietwagen aufrechtzuerhalten, und bezog sich auf Scheuers Aussage, die Entscheidung über die Rückkehrpflicht den Städten überlassen zu wollen. „Dann heißt das, Sie lassen im Bundesgesetz die Rückkehrpflicht drin und stellen es den Kommunen frei, diese eventuell auszuhebeln und zu sagen, wir machen das über Schutzzonen. Das wäre eine Lösung, mit der dieses Gewerbe einigermaßen leben kann. Das heißt, Sie verlagern nicht das Risiko, dass überhaupt etwas passiert, in die Kommunen, sondern halten erst einmal auf Bundesebene den Rechtsrahmen so, wie er ist, aufrecht. Wenn ich Sie da richtig verstanden habe, dann würde ich Sie jetzt nochmals um eine klare Antwort bitten, und dann können wir klären, ob das ein Weg ist, den wir gemeinsam gehen können.“
Müller hatte wohl die Worte von Helmut Dedy, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages im Hinterkopf, der den Eckpunkten bereits eine Absage erteilt hatte. Scheuer ließ sich die gewünschte Zusage mitnichten entlocken, sondern wiederholte seine Allgemeinplätze über die „fairen Wettbewerbsbedingungen“. Darauf reagierte Müller leicht sarkastisch: „Es mag ja sein, dass ich etwas schwerhörig bin, aber es fehlt mir hier eine klare Aussage, ‚das Bundesgesetz wird die Rückkehrpflicht weiter beinhalten und nur den Kommunen hier Spielräume, davon abzuweichen, geben’. Wenn Sie andersrum sagen, ‚wir geben die Rückkehrpflicht weiter auf’, was Sie ja vorhaben mit dem Eckpunktepapier, und erlauben dann den Kommunen etwas zu tun, dann ist das kein Schutz für uns. Dann sind wir der Willkür einer Kommune, die sich hochgradig überfordert fühlt von diesen Aufgaben, ausgesetzt. Dann ist das keine Lösung für uns und dann wird es an dieser Stelle keinen Frieden schaffen.“ Müller ließ nicht locker und setzte Scheuer nochmals die Pistole auf die Brust: „Erklären Sie hier verbindlich: Sind Sie bereit, die Rückkehrpflicht im Bundesgesetz weiterhin zu erhalten – oder wollen Sie hier nur darauf hinweisen, die Kommunen können ja, wenn sie weggefallen ist, etwas für uns tun?“
Wieder keine konkrete Zusage aus dem Mund des Ministers. Da es der strittigste Punkt sei, sagte er zu, „dass wir über die Rückkehrpflicht, ob wir es so machen oder so machen, genau diskutieren. Aber Hintergrund ist, dass wir die Stadt entscheiden lassen: ja oder nein.“ Das nun lauter anschwellende Pfeifen und Schreien der Demonstranten machte es selbst Scheuer nicht leicht, flüssig weiter zu reden. „Und damit eine Möglichkeit finden, ortsspezifisch damit den Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Aber ich lade Sie ein: Wir können es auch hier austragen, hier beim nächsten Mal über die Rückkehrpflicht zu reden. Ich sage Ihnen: Wir werden die Entscheidung der Städte mit einbeziehen, ja oder nein, und dann können wir darüber diskutieren, wie weit wir das ausformulieren. Ausgemacht?“
Darauf ließ Michael Müller sich von Andreas Scheuer die Hand geben und erklärte: „Herr Minister, die Frage der Städte ist beantwortet: Der Deutsche Städtetag hat gestern oder vorgestern genau verkündet, dass er vom Aufgeben der Rückkehrpflicht im Bundesgesetz ebenfalls nichts hält. Das müssen wir nicht noch zusätzlich diskutieren, sondern es ist eine ganz klare Sache: Wenn tatsächlich Kommunen der Meinung sind, sie könnten das besser regeln, dann können sie das versuchen. Dann werden wir feststellen, ob es tatsächlich möglich ist, einem Unternehmer zu verbieten, am Flughafen einzuladen. Wir halten das aus verfassungsrechtlichen Gründen schon für fragwürdig. Aber wenn es so ist, dass eine Kommune das testet und hinterher vor Gericht auf die Nase fällt, dann haben wir wenigstens die Absicherung, dass dann wieder die Rückkehrpflicht gilt. Und deswegen sagen wir ganz klar: Im Bundesgesetz muss die Rückkehrpflicht erhalten bleiben, und diese Forderung werden wir auch nicht aufgeben.“ Höchstens Kommunen sollten nach Müllers Ansicht im Einzelfall davon abweichen können.
Nach einer Stunde war die Kundgebung beendet. Auch wenn Scheuer sich in seiner Position kaum bewegt hat, so zog der Bundesverband Taxi doch ein positives Resümee und wertete Taxi Times gegenüber den Aktionstag insgesamt als Erfolg für das deutsche Taxigewerbe, da zunehmend viele Politiker sich für das Anliegen des Bundesverbandes und gegen Scheuers Pläne positionieren. ar
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Wie kann man sich nur auf eine Rückkehrpflicht-Diskussion einlassen … die wird man verlieren !
Dazu noch Fairness einfordern, ohne dem Anderen gleiche Pflichten aufzuerlegen, wer denkt sich so was aus ?
Der Taximarkt ist ein abgeschotteter, geschützter Markt mit festen Regeln. Mietwagenkonkurrenten dürfen da nicht rein. Sollten sie es dennoch wollen, dürfen ihnen Ge- oder Verbote auferlegt werden, dazu zählt u.a. die Rückkehrpflicht.
Soll der Taximarkt geöffnet werden, für weitere Anbieter und nicht nur den Taxen vorbehalten bleiben, so muss das gesagt werden. Als Kompensation für die Betriebs- Beförderungs- und Tarifpflicht lediglich die Bereitstellung an Halteplätzen zu erlauben … ist zu wenig ! Da muss mehr kommen, oder die Pflichten müssen weg
Dann ist es besser, den Unterschied zwischen Mietwagen und Taxen gänzlich aufzuheben. Wer sich dann an Halteplätze stellen will, zahlt eine Gebühr, zu entrichten an die Bahn oder den Flughafen oder wem auch immer der Platz gehört.
Die Oma mit dem Rollator zum Frisör … hat eh ihren Stammfahrer, der sie auch gerne fährt, das ist auch heute schon oft ein Mietwagen.
Beförderungspflicht … gibt es dann nur noch an Halteplätzen !
Wenn da keiner steht … Pech gehabt ! Ihr wolltet es so. Adé Daseinsvorsorge.
Es wird aber trotzdem einer da stehen: statt einer Taxe jetzt fünf Mietwagen, obwohl nur Platz für zwei ist … Willkommen Verrkehrskollaps !