Am Montag konnte Moia den „Erprobungszeitraum“ einer neuen Verkehrsart in Hamburg beginnen. Das Hamburger Taxigewerbe wehrt sich juristisch, doch die Genehmigungsbehörde sitzt aktuell noch am längeren Hebel.
Eigentlich wollte Moia schon im Januar 2019 beginnen, mit 500 elektrischen Kleinbussen in Hamburg sein Poolingkonzept, gleich dem von CleverShuttle und BerlKönig zu erproben, verschob den Start aber aus internen Gründen erst in den März und dann auf den 15. April 2019. Aktuell kosten Fahrten mit einem „Moia“ teilweise exakt Null Euro (mit Hilfe von beworbenen Rabattcodes) und ansonsten bis zum 15. Mai unabhängig von der Länge der Strecke 5 Euro.
Moia ist eine 100%ige Tochter des Volkswagenkonzerns. Das Investitionsvolumen liegt bei mindestens 200 Millionen Euro. Genaue Zahlen wurden nicht veröffentlicht. Im Sommer 2018 wurde eine „Mobilitätspartnerschaft“ zwischen VW und der Hansestadt Hamburg vereinbart mit dem Ziel, „gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, um die Mobilität in der Stadt umweltschonender, sicherer und effizienter zu gestalten“.
Erst 500, im Laufe der Zeit 1000 Wagen sollen nun also das Verkehrsangebot aus Bus, Bahn und ungefähr 3200 Taxen „ergänzen“. Die Genehmigungsbehörde hat den Betrieb erlaubt, allerdings unter strengen Auflagen, deren Einhaltung man auch genau kontrollieren werde.
Den bekannten Werbeversprechungen Moias, unter anderem bezüglich ihrer vermeintlich verkehrsentlastenden Wirkung, widersprechen nicht nur die Hamburger Taxifahrer, auch das Gericht beurteilt, dass es sich hier um eine Taxidienstleistung im Erprobungsverkehrskostüm handelt.
Ein Hamburger Unternehmer hatte sich schon im April letzten Jahres, kurz vor der Genehmigung Moias, auf den gerichtlichen Weg gemacht, diese Existenzbedrohung vom Hamburger Taxigewerbe abzuwenden. Zuletzt wurde vom Gericht eine aufschiebende Wirkung festgestellt, die den Start am vergangenen Montag verbot.
Auch gegen die Erweiterung von CleverShuttle war Krijan vorgegangen und hatte eine aufschiebende Wirkung erreichen können.
In beiden Fällen hat sich die Genehmigungsbehörde eines juristischen Instrumentes bedient, das ihr gestattet, sich über eine solche Gerichtsentscheidung hinwegzusetzen, sofern Eile geboten ist und entweder ein überwiegendes öffentliches Interesse oder ein überwiegendes Interesse des Begünstigten vorliegen. Es wurde also sowohl im Fall CleverShuttle als auch im Fall Moia die sofortige Vollziehung der Genehmigung angeordnet.
Die Argumentation des Gerichtes wurde übertrumpft von der Argumentation der Behörde. Das Gericht sah zuerst im Fall CleverShuttle, dann auch bei Moia eine fehlende Abgrenzung zum Taxigewerbe. Dafür ist in den Augen des Gerichtes unter anderem auch die öffentliche Wahrnehmung dieser Dienstleistungen entscheidend, beworben und in der Presse dargestellt als „billige Alternative zum Taxi“, „Sammeltaxi“ etc. Wie zum Beweis wurde Moia am Tag der „Eröffnung“ prompt als Taxi dargestellt: „Gericht verbietet „Moia“! Warum die Taxis trotzdem fahren“ (Hamburger Morgenpost). Ein ganz schlimmes Beispiel der „Nichtunterscheidung“ zeigte sich beim Fall eines sexuellen Übergriffes durch einen CleverShuttle-Fahrer, der von der Presse als Fahrer eines „Billig-Taxis“ bezeichnet wurde.
Moias Anwälte schwenkten daraufhin ein und passten ihre Argumentation dahingehend an, CleverShuttle sei durchaus taxiähnlich, Moia hingegen nicht. Das Gericht konnte damit nicht überzeugt werden.
Dass Moia nun trotzdem seit Montag fährt, ist auf den sofortigen Vollzug zurückzuführen, den die Behörde anordnete – mit der Begründung, dieser läge im überwiegenden Interesse der Moia Operations Germany GmbH und im öffentlichen Interesse auch, denn die zu erwartende Dauer eines Verfahrens sei so lang, dass der Erprobungszeitraum bis zu dessen Ende bereits abgelaufen sein könnte.
Die Abgrenzung zum Taxi sei laut Meinung der Behörde durch unterschiedliches Aussehen und die nicht gegebene Heranwinkbarkeit gegeben. Auch sei ein Abgrenzungsmerkmal, dass sich die Taxibranche teure Elektrofahrzeuge gar nicht leisten könne. Ebenso sei das „konkret belegte wirtschaftliche Interesse“ Moias, also deren bereits getätigte Investitionen, schwerwiegender als die theoretisch vermuteten Verluste des Taxigewerbes.
Auch wenn Moia sich selbst als Teil der Verkehrswende betrachtet und nicht müde wird, die Litanei zu wiederholen, sie seien Ergänzung und nicht Konkurrenz zu Bus und Bahn und Taxi – die Anwälte des Hamburger Taxiunternehmers haben eine Zwischenverfügung beantragt, also eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, welche den sofortigen Stillstand Moias zur Folge hätte. ys
Anmerkung der Redaktion: Anders als in Hannover hat Moia in Hamburg
strikte Auflagen bekommen. Die müssen nun natürlich auch behördlicherseits
kontrolliert werden. Gerade der Hamburger Verkehrsbehörde darf man das absolut
zutrauen, denn die dortigen Mitarbeiter beweisen seit Jahren, dass man den
Personenbeförderungsmarkt wirksam und effektiv regulieren und kontrollieren
kann. Dafür haben sie zu Recht Vorbildcharakter in ganz Deutschland.
Sich nun aber mit dem Kniff des „sofortigen Vollzugs“ zum zweiten Mal über
anderslautende juristische Einschätzungen hinwegzusetzen, kratzt deutlich am
bisher positiven Image. Der Druck auf die Behörde, die strengen Moia-Auflagen
zu kontrollieren und bei kleinsten Verfehlungen wirksam einzuschreiten, ist
dadurch enorm gestiegen. Im Interesse des Taxigewerbes drücken wir die Daumen, dass
die Behörde diesem Druck standhält.
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