In einer großen Reportage beschreibt die Süddeutsche Zeitung den Kampf der Apotheken gegen den Medikamentenverkauf per Versandhandel. Die Parallelen zu Taxi und deren neuer Konkurrenz sind nicht zu übersehen.
Für manche Apotheker ist das Unternehmen Doc Morris das, was für das Taxigewerbe Uber, Clever-Shuttle, Free Now oder Moia ist. Ein Wettbewerber, der teils aus dem Ausland heraus unter Umgehung geltender nationaler Gesetze massiv in einen bestehenden Markt eingreift und dabei eine etablierte Branche wirtschaftlich in den Ruin treibt.
Für Apotheken innerhalb Deutschlands gibt es eine Preisbindung für jedes ärztliche Rezept. Also hat sich der Arzneimittelversandhandel Doc Morris in den Niederlanden niedergelassen. So knapp hinter der Grenze, dass man vom Bürogebäude aus nach Deutschland blicken kann. Die Medikamente darf man aber zu einem niedrigeren Preis rausgeben. Und genau das passiert auch: Im Kampf um Marktanteile zahlt man den Kunden Geldgeschenke aus oder gewährt Rabatte.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet von einem Plakat aus der Konzernzentrale des „Niederländischen“ Unternehmens. „Fortschritt beginnt, wo Stillstand endet“. Der kleine Seitenhieb auf die scheinbar ewig gestrigen Markbesetzer und Verhinderer ist eine beliebte Methode der neuen Anbieter. „Bring was Neues und verbreite gleichzeitig die Propaganda, dass die bisherigen Marktteilnehmer oldfashioned sind. Auf die Apotheker wirkt das ähnlich provokativ wie auf die Taxiunternehmer.
Die Reportage der SZ schwenkt an dieser Stelle in einen kleinen Ort in Brandenburg. Dort, wo ein Apotheker weit mehr als nur Medikamente verkauft. Er liefert sie den Senioren kostenlos ins Haus, legt sie dort gleich in den Kühlschrank. Wird das künftig der ewig gestresste und unterbezahlte Paketbote erledigen? Wer wird dann nachts zur Verfügung stehen, wenn der Dorf-Apotheker seinen Laden endgültig geschlossen hat?
Wie bei der Personenbeförderung vergessen auch hier Doc Morris & Co eine ganz wichtige Zielgruppe: Die alten und kranken Menschen. Und wie beim PBefG drängen auch in der Arzneimittelbranche entsprechende Lobbyisten auf gesetzliche Novellierungen zugunsten der neuen Anbieter. Was für die Taxibranche Andreas Scheuer, ist für die Apotheker der Gesundheitsminister Jens Spahn. Wobei dessen Verwicklungen laut SZ sogar ganz offensichtlich sind. Der heutige Doc-Morris Chef-Lobbyist Max Müller hätte mit Spahn bereits Geschäfte gemacht, als dieser noch einfacher CDU-Abgeordneter war: „Vor 13 Jahren beteiligten sie sich gemeinsam an einer Lobby-Agentur“, schreibt die SZ. „Die Firma Politas wurde von Spahns damaligen Büromitarbeiter […] geführt und versprach der Kundschaft „gute persönliche Kontakte“ in die Politik.“
Spahn gibt an, diese Beteiligung längst aufgelöst zu haben, zur Zielscheibe der Apotheken und des Apothekerverbands wird er trotzdem – ebenso wie Doc Morris. Apotheker haben Warnschilder an ihre Ladentüren geklebt und Briefe an Politiker geschrieben. Onlineshops würden die medizinische Versorgung zerstören. Bei einer Protestkundgebung vor dem Gesundheitsministerium im März hätte sich kein einziger Beamter des Ministeriums blicken lassen (war allerdings an einem Sonntag). „Während die Apotheker auf der Straße vergeblich in ihre Trillerpfeifen pusten, hat Max Müller schon seit Jahren die Handynummer des Ministers“, schreibt die Süddeutsche.
Wie wertvoll das sein kann, zeigt der Umgang Spahns mit dem Koalitionsversprechen, das er bei seinem Amtsantritt von seinem Vorgänger als Erblast mitbekommen hatte. „Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein“, hieß es im Koaltionsvertrag. Spahn dagegen wollte kein Verbot, sondern schürte stattdessen ein millionenschweres Förderpaket für Apotheken.
Müller hatte es geschafft, Spahn an seiner digitalen Ehre zu packen. Auch das ist eine Vorgehensweise, die eins zu eins auf die Personenbeförderung übertragbar ist. Stelle das neue Produkt als digitale Wunderlösung dar und kein Politiker wird es wagen, sich dagegen zu entscheiden. Wer will schon gerne als Bremser der Modernität abgestempelt werden?
Zwischen Apothekern und guten Taxifahrern gibt es eine weitere Parallele: Geld wird nur mit der Kernleistung verdient. Den Fahrgast zur Türe begleiten, den Einkauf hochtragen, beim Einsteigen behilflich sein, sich um die Krankenkassenformulare zu kümmern – all das ist eine unbezahlte Zusatzleistung, solange der Taxameter nicht läuft. So wie beim (Land-)Apotheker die (telefonischen) Beratungen und der Hauslieferdienst nicht vergütet werden. Verdient wird in der Apotheke einzig und allein pro ausgegebener Medikamentenpackung und am nächtlichen Notdienst. Das Prinzip Masse sorgt für einen guten Umsatz, weshalb sich Doc Morris laut Einschätzung der Apotheker hauptsächlich auf die Chronisch Kranken konzentriere. So wie Uber, Moia und Clever Shuttle auch nur zu den lukrativen Zeiten unterwegs sind. „Rosinenpickerei“ bezeichnen das die Taxiunternehmer. Denselben Begriff verwenden auch die Apotheker.
Nächste Parallele: Diverse Wissenschaftler, Studien und auch die Monopolkommission beschäftigen sich mit dem Apotheken – und fordern mehr Wettbewerb und eine Aufhebung der Preisregulierung. Spahn hat sich daran orientiert und als Ausgleich die finanzielle Förderung vorgeschlagen. Hausbesuche, Beratungen und Notdienste sollten höher vergütet werden. Den Landapotheken hätte das geholfen. Den städtischen Apotheken mit hoher Laufkundschaft eher nicht, denn die hätten im Preiskampf mit Doc Morris weniger Einnahmen gehabt.
Da die Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände ein sehr mächtiger Verband ist, musste Spahn einiges aus seinem Entwurf überarbeiten. In der aktuellen Vorlage steht ein Rabatt-Verbot für den Onlineversandhandel – dafür fällt die finanzielle Förderung für Nebenleistungen deutlich niedriger aus. Letzteres schadet dem Apotheker auf dem Land. Ersteres dürfte nur so lange Bestand haben, bis es von einem europäischen Gericht gekippt wird. An dieser Stelle kann man auf eine Parallele zur Personenbeförderung gerne verzichten – auf einen rechtlich wackeligen Kuhhandel darf sich der Bundesverband Taxi mit Herrn Scheuer nicht einlassen.
Was man ansonsten von den Apothekern lernen kann? Sie haben von Anfang an die Kunden viel mehr in ihre Kampagne einbezogen. „#unverzichtbar“ lautete ihre Parole. Das trifft auch auf das Taxigewerbe zu. Und Warnschildern können Taxis auch jede Türe kleben. Sogar vier pro Fahrzeug. jh
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Ja da war doch dieser Apotheker, der mit stolz gewellter Brust unlängst bei einer Taxifahrt herausposaunte, wie toll denn Uber wäre und überhaupt. Dann fragte ich ihn nach seinem Business – Apotheker – und im gleichen Atemzug erwähnte ich, wie toll ich die Internetapotheke finde und fast nur noch darüber bestelle.Da ist ihm dann das Gesicht eingeschlafen und hat es nicht verstanden – bis ich ihm dann aufgeklärt habe und da war dann klein mit Hut!Man muss sich immer auch auf den anderen Sessel setzen!
Sehr gut , Tom ! Schön dass Du versucht hast , Deinen Kunden aufzuklären. Viele Fahrgäste verstehen unsere Probleme. Qualität kann es niemals mit Beständigkeit zum Rammschpreis geben . In der Apotheke nicht und beim professionellen Personentransport auch nicht .
Ich glaube ja auch, dass die Pferdekutschen wiederkommen.
Können Sie uns das etwas genauer erläutern?