„Die Taxibranche wird immer internationaler und mit ihr auch alle Regelwerke. Internationale Marken werden ausgebaut, weltweite Apps entwickelt und miteinander verknüpft und technische Innovationen stellen für die Branche und die zuständigen Regulierungsbehörden neue Herausforderungen dar.“
Auf die einfache Frage hin, ob die Taxi- und Mietwagenbranche ein internationales Geschäft darstellt, bestätigt IATR-Präsident Matt Daus, der den Blick über den nationalen Tellerrand nie gescheut hat, dass sich sowohl die Branche selbst, als auch die damit verbundenen Regulierungsbehörden immer stärker international ausrichten und sich nationenübergreifend miteinander verweben. Im diesem Interview, das er Ende September direkt nach der jährlichen IATR-Konferenz in New Orleans gab, erklärt Daus, dass die Behörde, der er vorsteht, einen Großteil zur derzeit stattfindenden Internationalisierung beigetragen hat. „Wo früher eher Desinteresse für die Geschehnisse in anderen Ländern herrschte, haben wir uns recht schnell zu regelmäßigen und manchmal heftigen, aber inhaltlich immer wertvollen Gesprächen hin entwickelt. Der Zulauf bei der IATR war noch nie so groß wie im Moment und in New Orleans konnten wir mit mehr als 200 Teilnehmern unsere bisher größte Konferenz abhalten.“
Aber liegt das vielleicht nur an dem Hype, der gerade um Taxi-Apps gemacht wird?
„In New Orleans habe ich von einer neuen Weltordnung gesprochen: Die Dinge verändern sich mit rasender Geschwindigkeit. Dabei geht es nicht nur um technische Themen. Technische Neuerungen sind eher der Auslöser für weitreichendere Entwicklungen. Bürgermeister z.B. messen der Taxibranche in ihren jeweiligen Städten mehr Bedeutung bei als früher, da Ausschreibungen für Konferenzen, große Sportevents und andere wichtige Veranstaltungen, die große Menschenmengen anziehen, an Städte vergeben werden, in denen neben der Bereitstellung öffentlicher Transportmittel auch der Taxiverkehr gewährleistet werden kann. Ein funktionierendes Taxisystem ist heutzutage entscheidend. Der australische Bundesstaat Victoria hat sein Taxisystem einer strengen Prüfung unterzogen und ist gerade dabei, dieses zu reformieren. In London wird eine Umstrukturierung derzeit geprüft. Bürgermeister verlangen nach Reformen, wenn sich das System nicht mehr rechnet. Und gleichzeitig mit den politischen Veränderungen in den USA haben Städte wie Chicago, San Francisco, New Orleans und andere in der jüngsten Vergangenheit umfassende Reformen eingeleitet, wie sie zuletzt Ende der 1990er-Jahre in New York City stattgefunden haben.“
Geht es dabei eigentlich nicht darum, sich gegen Apps zur Wehr zu setzen?
„Ja, aber Apps haben das Thema Verfügbarkeit in den Vordergrund gerückt und gleichzeitig eine Art Abwehr gegen Apps ausgelöst. In diesem Zusammenhang haben wir unsere auf weltweite Best Practices basierende Modellstandards vorgestellt. Die IATR, die bei Regulierungsbehörden als Referenz gilt, war hier immer wegweisend. Außerdem haben wir neue Projekte, wie z. B. Modellregularien für Fahrradtaxis und Rikschas, Sicherheitskameras und Trennwände sowie Smartphone-Apps.“
Kann die IATR bei der Regulierung von Apps Einfluss nehmen?
„Als wir unsere Modellregularien auf Basis der Best Practices vorstellten, haben sich TNCs (Transportation Network Companies), d.h. Online-Fahrtanbieter, in die Ecke gedrängt gefühlt und als Reaktion darauf ihre eigenen Modellregularien entwickelt – Natürlich unter Berücksichtigung ihrer eigenen Vorteile. Die Frage, die wir in den Raum geworfen hatten, war nicht „Sollten TNCs reguliert werden?“, sondern „WIE sollten TNCs reguliert werden?“ Die Modellregularien der IATR für Apps haben die Entwicklerfirmen und die Gesetzgeber dazu gezwungen, darüber nachzudenken, wie man von einem rechtsfreien Raum in regulierte Verhältnisse übergehen kann. Wir haben zwar noch keinen Idealzustand erreicht, aber es ist trotz allem eine große Errungenschaft. Modellregularien und Verfügbarkeitsstandards geben Regulierungsbehörden die nötigen Hilfsmittel an die Hand, um sie nach Länderrecht entsprechend ein- und umsetzen zu können. Unsere Aufgabe ist es, den Verbraucher zu schützen und die Dienstleistung zu verbessern. TNCs müssen genauso reguliert werden, wie andere Anbieter im Transportwesen auch.“
Oft werden jedoch die Bemühungen seitens der Regulierungsbehörden von der Politik zunichte gemacht.
„Ja, einigen Regulierungsämtern wurde es verboten, die IATR-Konferenz zu besuchen, anderen wurde nahe gelegt, nicht hin zu gehen. Politiker und Mitarbeiter von Regulierungsbehörden haben unterschiedliche Meinungen zu den TNCs, die oft ziemlich weit auseinandergehen. Das versteht die Öffentlichkeit oft nicht. TNCs verfügen über rhetorisch gewandte und aktive Mitglieder, die sofort mobilisiert werden, wenn die öffentliche Debatte nicht den von Ihnen gewünschten Verlauf nimmt. Sie befeuern die Diskussionen, oft auch mit Warnungen und Drohungen. Und oft werden mit viel Geld Lobbyisten und PR-Leute engagiert, die für Stimmungsmache sorgen sollen. Das Kräftemessen ist Teil ihrer Marketingstrategie, um die Aufmerksamkeit der Presse auf sich zu ziehen, wenn es um die Apps geht.”
Ist die USA in der Debatte federführend oder hinkt sie da hinterher?
„Bei manchen Themen hinkt die USA dem Rest der Welt hinterher, bei anderen hingegen liegt sie ganz vorne. Wir haben uns mit der TNC-Problematik auseinandergesetzt, als das Thema für andere noch völlig uninteressant war. Wir haben Europa und Australien vor dem gewarnt, was auf sie zurollen würde. Manche haben es schlichtweg nicht ernst genommen. Die Realität sieht jetzt folgendermaßen aus: Die USA sind für die TNCs so etwas wie Ground Zero. Sie sind in San Francisco entstanden und haben sich von dort aus ausgebreitet. Andere Apps haben einen anderen Weg eingeschlagen und sind aus dem Ausland in die USA gekommen, wie z. B. Hailo oder GetTaxi. Wer führt oder wer hinterherhinkt, ist von Land zu Land unterschiedlich. Die EU ist ganz anders als die USA aufgestellt. In Europa gibt es eine lange Tradition, was Nachhaltigkeit anbelangt. Hier sind die europäischen Länder klar im Vorteil. Aus Schweden haben wir uns Ideen für sicheren Transport und Nachhaltigkeit geholt. Aber oft ist es eben die USA, die bei technologischen Neuerungen die Nase vorn hat und den Rest der Welt beeinflusst. Kanada wiederum ist ein Beispiel für die gute Zugänglichkeit öffentlicher Transportmittel. Man muss also immer genau hinsehen, um was es gerade geht.”
Können wir von dem einen oder anderen Land noch etwas in Sachen TNC-Regulierung lernen?
„Australien liefert gute Ideen. Die einzelnen Bundesstaaten haben Dienstleistungsstandards bei den Reaktionszeiten festgelegt und sie in den Regulierungsvorgaben verankert. Das ist eine großartige Sache. Wenn ein Taxi zum Kunden geschickt wird, muss er diesen auch innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens abholen. Das gilt sowohl für Passagiere für und mit Behinderungen bzw. speziellen Beförderungswünschen. Wird ein Passagier nicht innerhalb einer bestimmten Zeit ab dem Zeitpunkt der telefonischen Bestellung abgeholt, wird die Vermittlungszentrale zur Verantwortung gezogen und von der zuständigen Regulierungsbehörde mit einer Strafe belegt.“
Bis zu welchem Grad sollten Privatunternehmen reguliert werden?
„Die Taxibranche in San Francisco ist mit einem Auftragsrückgang um 65 Prozent stark angeschlagen. Aber nicht nur dort stehen wir vor diesem Problem.
Mehr dazu in der Print Ausgabe Taxi Times November 2014