Berlins Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese hat mit dem Überbringen einer schlechten Nachricht für Wirbel im Berliner Taxigewerbe gesorgt: Auch der künftige Großflughafen könnte wie der jetzige Flughafen in Schönefeld zum Bereithalten für Berliner Taxis tabu bleiben. Dabei gäbe es rechtlich gesehen durchaus einen Plan B.
Ein Kommentar von Axel Rühle
Das Taxigewerbe ist rechtlich gesehen in erster Linie Sache der Landkreise (und kreisfreien Städte): Der Landkreis legt den Tarif fest und außerhalb des Landkreises bzw. der Stadt mit dem Betriebssitz dürfen Taxis nur mit Funkauftrag Fahrgäste laden, sich aber nicht bereithalten. Hat man dort ausgeladen, erfolgt die Rückfahrt in der Regel leer – was etwa im Fall großer Flughäfen parteiübergreifend als ökologisch und ökonomisch unsinnig kritisiert wird.
Die Regelung gilt seit 2012 auch am Berlin-nahen Flughafen Schönefeld (SXF), nachdem der Landkreis Dahme-Spreewald (LDS), zu dem Schönefeld gehört, die Ausnahmeregelung mit Berlin aufkündigte und den Berliner Taxis die Ladeerlaubnis am SXF entzog. Diskussionen darüber flammen immer wieder dann auf, wenn wegen Unwetters oder aus anderen Gründen Nachfragespitzen am Flughafen auftreten und zu wenig Taxis vor Ort sind. Nicht nur wartende Fahrgäste fragen dann kopfschüttelnd, warum nicht schnell ein paar Dutzend Taxis aus Berlin kommen können.
Hinter den Kulissen wurde wohl viel darüber verhandelt zwischen Berlin und dem LDS, sowohl auf politischer als auch auf Verbandsebene. Dabei spielten neben der wechselseitigen Ladeerlaubnis (LDS-Taxen durften im Gegenzug am Berliner Flughafen Tegel laden) auch die unterschiedlichen Tarife eine Rolle bzw. erschwerten eine Einigung. Die konnte folglich bis heute nicht erzielt werden.
Als Hauptverantwortliche für die Verhinderung einer Einigung machte Taxi Times Berlin in der Ausgabe vom November 2017 (auf Seite 5) LDS-Landrat Stephan Loge sowie den Ersten Beigeordneten, Verkehrs- und Baudezernent Chris Halecker aus, die sich in Verhandlungen alles andere als kompromissbereit gaben. Auch der damalige Schönefelder Bürgermeister Udo Haase wollte das Taxigeschäft am Flughafen nicht mit Berlin teilen. Dabei hat die Rot-rot-grüne Berliner Koalition die Forderung des Laderechts ausdrücklich vereinbart. Selbst als Streeses Vorgänger Jens-Holger Kirchner, der als erfahrener und höchst kompetenter Verkehrsexperte gilt, der Gegenseite Angebote wie an anderen Großflughäfen unterbreitete, Taxis aus dem LDS dürften im Gegenzug für das Laderecht der Berliner Taxis in Schönefeld künftig sogar nicht nur am Flughafen Tegel, sondern zudem an zwei großen Berliner Fernbahnhöfen und dem Messegelände in Westend laden, blieben die Brandenburger stur.
Nun steht möglicherweise in absehbarer Zeit die Eröffnung des neuen, zu kleinen Großflughafens BER ins Haus – Optimisten schließen den Termin Herbst 2020 nicht aus – und der Senat hält noch immer entgegen dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung an der Schließung des Flughafens Tegel fest.
In dem Zusammenhang fragte die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus kürzlich den Senat, ob ein Laderecht für Berliner Taxis am künftigen Großflughafen BER zu erwarten sei. Streeses Antwort fiel ernüchternd aus. Obwohl von den drei oben Genannten heute nur noch Landrat Loge im Amt ist (Bürgermeister Haase wurde diesen September nach einer Stichwahl durch Christian Hentschel abgelöst und Vize-Landrat Halecker wurde nach einem Strafbefehl über 41.600 Euro wegen Untreue im Dezember 2018 vom Kreisrat abgewählt) haben die Zeichen sich nicht geändert: Im Landratsamt sei man sich einig, dass 1.000 (!) Taxis im Landkreis genug sind, um auch den künftigen Hauptstadtflughafen zu bedienen. Lediglich in Ausnahmesituationen – den besagten Nachfragespitzen – sei eine kurzzeitige Erlaubnis zum Laden auch für Berliner Taxis denkbar.
1.000 Taxikonzessionen gibt es im LDS derzeit bei weitem nicht. Man sei aber durchaus bereit, die Zahl der Konzessionen zur Flughafen-Inbetriebnahme deutlich zu erhöhen. Kreissprecherin Heidrun Schaaf empfahl Berliner Taxiunternehmern vor zwei Jahren sogar ausdrücklich, einen Betriebssitz im LDS anzumelden.
Die Frage ist, ob der Landkreis alleine über ein Verkehrsprojekt dieser Größenordnung wird entscheiden können. Die (bodenverkehrliche) Bedeutung eines internationalen Flughafens ist eindeutig überregional. Auch wenn die Vorschrift, dass Taxis sich nur in der Gemeinde ihres Betriebssitzes bereithalten dürfen, Bundesrecht ist (§ 47 Satz 2 PBefG), haben auf dem BER-Gelände zu je einem Drittel der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg das Sagen. Die können zwar nicht am Bundesrecht vorbeientscheiden, doch sind durchaus Regelungen möglich, die eine einvernehmliche Lösung ermöglichen können.
Das Zauberwort heißt Behördenvertrag. Am 27 Jahre jungen Flughafen Franz Josef Strauß in Freising bei München etwa, dessen Gelände auf zwei Landkreise verteilt ist, „waren sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung bewusst und schlossen bereits 1991, ein knappes Jahr vor Flughafeneröffnung, einen bis heute geltenden Behördenvertrag. Die Landeshauptstadt München hatte darauf gedrängt. Die Landratsämter Erding, Freising und des Landkreises München waren dem Drängen gefolgt. Niemand bezweifelte, dass ,im Interesse der ankommenden und abfliegenden Fluggäste (…) eine einvernehmliche Regelung des Taxenverkehrs vom und zum Flughafen München (neu) erforderlich‘ sei. Dementsprechend regelt der Vertrag alles Relevante und gab den einzelnen Parteien vor, ,die in ihrem Zuständigkeitsbereich bestehenden Taxiordnungen und Tarifordnungen den Bestimmungen dieser Vereinbarung anzupassen‘.“ (Zitat aus Taxi Times Berlin, Dezember 2017). Auch für den Flughafen der österreichischen Hauptstadt Wien, der in der Gemeinde Schwechat im Nachbarbundesland Niederösterreich liegt, wurde eine für alle akzeptable Lösung gefunden, sogar ohne eine Angleichung der Taxitarife von Wien und Schwechat. (Den ganzen Artikel mit einer Beschreibung der Lösungen für beide Flughäfen können Sie auf unserer Internetseite im E-Kiosk nachlesen.) Pferdefuß für Schönefeld: Die Verträge in München und Wien kamen einvernehmlich zustande. Wenn der LDS sich weiterhin querstellt, wird dies für Berlin nicht so einfach möglich.
Ein weiterer Aspekt sollte bei der Bedienung des künftigen Großflughafens durch Taxis nicht vergessen werden. Der dünn besiedelte Landkreis Dahme-Spreewald, flächenmäßig zweieinhalb mal so groß wie Berlin aber mit nur knapp 170.000 Einwohnern, bräuchte ohne den heutigen Flughafen Schönefeld wahrscheinlich keine 100 Taxen. Der Flughafen ist somit für den Taxiverkehr bedeutender als alles andere im Landkreis. Zugleich ist ein Flughafen bekanntlich ein wichtiges „Aushängeschild“ jeder Großstadt, denn eine Taxifahrt ist für viele Touristen – nach dem Aufenthalt am Gepäckband – mit der erste Eindruck, den sie von ihrem Reiseziel aufnehmen.
Nun hat bereits die besagte Aufkündigung der Ladeerlaubnis für Berliner Taxis in Schönefeld 2012 dazu geführt, dass viele verhinderte Taxischein-Anwärter bzw. von Behörden „gekickte“ Taxifahrer aus Berlin, also Personen, die für das Berliner Taxigewerbe vereinfacht gesagt unterqualifiziert sind, kurzerhand ihren Wohnsitz in den LDS verlegen, dort die vergleichsweise einfache Taxischeinprüfung ablegen und sich bei Berliner Taxiunternehmen anstellen ließen, die dort einen Ableger hatten. Für eintreffende Fluggäste in Schönefeld bedeutet dies eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit, weniger Qualität bei der Dienstleistung Taxi zu bekommen als etwa in Tegel oder am Berliner Hauptbahnhof, was besonders die Ortskenntnis betrifft.
Beschwerden beispielsweise über Umwege auf dem Weg vom SXF nach Berlin sind keine Seltenheit. Der Betrug beginnt oft sofort mit dem ungefragten Abbiegen von der Flughafenvorfahrt nach rechts auf die B 96a (Am Seegraben) direkt nach Grünau zum Adlergestell – eine schnelle Verbindung, jedoch bei einer Fahrt in die östliche Innenstadt gleich ein Umweg von über 1,5 Kilometern.
Auch im eigenen Interesse muss der Berliner Senat deshalb an seiner Koalitionsvereinbarung festhalten, eine Einigung für das Taxigewerbe am bestehenden sowie am künftigen Flughafen in Schönefeld herbeizuführen.
Das Zauberwort könnte aber auch Staatsvertrag heißen, denn Hoffnung für das Berliner Taxigewerbe lässt sich noch aus einem anderen Aspekt schöpfen. Als der Verfasser dieses Artikels vor der letzten Berliner Abgeordnetenhauswahl, im Sommer 2016, den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar interviewte – der Jurist und heutige Bundestagsabgeordnete war damals Verkehrspolitischer Sprecher seiner Berliner Fraktion – und das Thema Flughäfen ansprach, zeigte Gelbhaar sich nicht nur detailgenau informiert, sondern sprach auch von sich aus das Thema Laderecht für Berliner Taxis am BER an. Er mahnte eine Regelung an und gab einen bedeutenden rechtspolitischen Hinweis: „Das kann eine Vereinbarung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg sein, […] und dann muss Brandenburg das mit dem Landkreis Dahme-Spreewald klären, denn ein Regierender Bürgermeister wird nicht mit dem Landratsamt Dahme-Spreewald verhandeln.“ – Nachfrage Taxi Times: „Sondern mit der brandenburgischen Landesregierung?“ – Gelbhaar: „Natürlich. Einen Staatsvertrag kann man nicht mit einem Landkreis abschließen, dafür gibt es keine Option. Der LDS muss zum Schluss diese Zulassung für sich erlassen, aber der Gesprächspartner ist das Land, auf Augenhöhe. Da kann der Landkreis gerne mit dabei sitzen, aber Woidke und Müller* müssen das Problem klären, oder auch die Verkehrsverwaltungen von Berlin und Brandenburg. Der BER ist einfach zu groß, als dass jetzt das Bezirksamt* Treptow-Köpenick da mit dem LDS irgendwas vereinbart.“ (*Anm. d. Red.: Die Bezirke in Berlin entsprechen in der Verwaltungshierarchie in etwa den Landkreisen. Dietmar Woidke ist Ministerpräsident von Brandenburg. Michael Müller, Namensvetter des Präsidenten des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen, ist Regierender Bürgermeister von Berlin, also Chef des Berliner Senats, der Landesregierung.)
Würde die Berliner Landeskoalition auf Gelbhaars Worte hören, müsste das Problem eigentlich zur Chefsache werden und dann recht schnell vom Tisch sein. Vielleicht liegt eines der entscheidenden Probleme auch bei der von Gelbhaar angesprochenen Berliner Verkehrsverwaltung unter Senatorin Regine Günther. Doch das ist eine andere Geschichte. ar
Fotos: Taxi Times / die Hoffotografen
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Ich bin Taxiunternehmer in Berlin und habe heute mit „großem Erstaunen“ im Radio von der Entscheidung des Landrates von LDS zum Ladeunrecht am BER gehört. Auch ich habe meine Probleme mit der Umwelt- und Verkehrssenatorin Berlins – die wohl eher den Titel der „Radverkehrssenatorin“ verdient.
Doch hoffe ich sehr – wie in Ihrem Artikel beschreiben, dass – auf Woidke und Müller Ebene eine Einigung zur Gunsten der Ökologie getroffen wird.