Die Corona-Krise trifft die Taxibranche sehr hart – und noch eine Spur härter dort, wo bisher Uber, Free Now & Co. den Wettbewerb illegal und straffrei verzerrt haben.
Berliner Taxiunternehmen leider darunter ganz besonders, weil der dortige Senat im Bereich der (individuellen) Personenbeförderung durch konsequentes Nichtstun und Wegschauen schon vor der Krise eine Wildwest-Anarchie geschaffen hatte, die zahlreichen Taxibetrieben kaum noch Luft zum Atmen ließ. Und anstatt nun in der Krise auf die Taxis zur Aufrechterhaltung der Mobilität zu setzen, subventioniert man lieber weiterhin den landeseigenen Betrieb „Berlkönig“. Dazu kommt, dass sich Soforthilfen und Stundungsversprechen als lange nicht so vielversprechend erweisen als angenommen.
Ein Berliner Mehrwagenunternehmer hat unserer Redaktion sehr eindringlich seine Gefühlslage geschildert. Er spricht damit sicherlich vielen Taxiunternehmern aus der Seele, weshalb wir sein Statement nachfolgend ungekürzt veröffentlichen:
„Bisher musste ich mich in Berlin mit teilweise illegalen (Stichwort Uber) oder unlauteren Methoden (Free Now) der Konkurrenz oder Billiganbietern (wie z. B. CleverShuttle) oder gar ein subventioniertes Verlustunternehmen (Berlkönig) herumschlagen. Schlimm genug, das brachte deutliche Umsatzeinbußen“, schreibt der Taxiunternehmer Harald Reinke.
Wenn ich mir dabei durch den Kopf gehen lasse, dass diese Praktiken von dem anscheinend einmal mehr völlig überforderten Berliner Senat nicht nur geduldet (und damit ja auch effektiv gefördert) werden, sondern sogar noch aktive Unterstützung erfahren, dann platzt mir die „Hutschnur“.
Wenn ich mir weiter überlege, dass der gleiche Automobilkonzern, bei dem ich seit 1986 meine Taxen kaufe, eine zusätzliche Konkurrenz in das Gewerbe bringt (Free now), die nur das Ziel verfolgt, die Fahrgäste, von denen ich seit mehr 30 Jahren lebe, in die sogenannten Limousinenservices zu ziehen, dann platzen bei mir die Schnüre meiner sämtlichen Hüte.
Das alles sind Entwicklungen, welche meine Existenz und die Existenz meiner Angestellten massiv bedrohen und geduldet, ja öffentlich gefördert werden. Schlimm genug, und es prägt natürlich mein Bild von den für diese Situation Verantwortlichen.
All das ist aber beinahe harmlos verglichen mit den Erfahrungen, die ich in den letzten zwei Wochen bezüglich der in den Medien immer wieder propagierten und gebetsartig wiederholten „Hilfs-Versprechungen“ für betroffene Kleinunternehmer gemacht habe. Es ist mir klar, dass jetzt auf die zuständigen Stellen eine hohe Belastung zugekommen ist, aber es ist auch klar, dass diese Epidemie nicht vom Himmel (und schon garnicht von heut auf morgen) gefallen ist. „Man“ hätte sich deutlich besser darauf einstellen können – und „man“ hätte sich Versprechungen, die „man“ nicht einhält, besser verkneifen sollen.
Peinlich, aber einmal mehr typisch für diese Stadt und diesen Senat, sind allein die Startschwierigkeiten beim Corona-Zuschuss bei der IBB. Angekündigt für vergangenen Freitag um 12.00 Uhr. Tatsächlicher Start: 13.00 Uhr. Dann war für mehr als 90 Minuten ständig die Verbindung unterbrochen (Server abgestürzt oder warum auch immer). Als ich dann endlich durchkam, stand ich (das war um ca. 15.45 Uhr) etwa an 69.000ster Stelle der Warteliste. Diese sollte nun kontinuierlich und zügig in der Zeit zwischen 6 und 23 Uhr abgearbeitet werden, deren Tätigkeit allerdings bereits gegen 19.00 Uhr eingestellt wurde (Serverprobleme?).
Da hätte man eigentlich erwarten können, dass deutlich leistungsfähigere Kapazitäten (Sparkasse, DB oder Commerzbank oder gar das FA) hätten genutzt werden können (notfalls verpflichtet werden können). Es hat mich ehrlich gewundert, dass ich „bereits“ Sonntag am späten Nachmittag meinen Antrag ausfüllen konnte. Das zeigt wenigstens, dass die Leute, welche damit beschäftigt waren, zügig gearbeitet haben. Nun hoffe ich, dass es nicht nur bei den Versprechungen der Politik bleibt, sondern dass da auch Taten folgen.
Bereits zwei Wochen vor der Corona-Hilfe-Antragsstellung habe ich (auf Anraten eines ARGE-Mitarbeiters) das sogenannte Kurzarbeitergeld (KuG) bei der zuständigen Arbeitsagentur (Berlin-Mitte) schriftlich beantragt. Online funktionierte das leider nicht, da es nicht möglich war die geforderten Dateien (Antrag & Vereinbarung mit den Angestellten) über die zur Verfügung gestellte Funktion hoch zu laden. Anrufen ist schwierig, aber es klappte. So fragte ich freundlich nach zwei Wochen (am 30.3.) nach, ob mein Antrag eingegangen ist oder gar bereits in der Bearbeitung ist. Leider Erfolglos, niemand konnte irgendetwas davon finden – also schickte ich den ganzen Kladeradatsch noch einmal als Mail an die zuständige Arbeitsagentur – in der Hoffnung, dass es jetzt einen Adressaten findet.
Ebenfalls zwei Wochen davor habe ich bereits mit der Bank (der Hausbank eines Automobil-Herstellers in Baden-Württemberg), welche meine Taxen allesamt finanziert und regelmäßig die dazu gehörigen Raten von meinem Geschäftskonto einzieht, telefoniert. Ich erbat eine vorrübergehende Aussetzung der Ratenzahlungen für meine Taxen. Dies wurde mir telefonisch zugesagt und entsprechend festgehalten.
Dass nun ausgerechnet diese Bank trotz aller Probleme, welche das Taxigewerbe belasten und aller so genannter „Solidaritätsbekundungen und -Versprechungen“ trotzdem die aktuell fälligen Raten abbucht, ist ein Indiz ihrer Anteilnahme und Fürsorge und für mich gleichzeitig ein Grund, zukünftig keine Geschäfte mit dem hier gemeinten Automobilkonzern und seiner Hausbank zu tätigen, denn sie stellen für die Firma und deren Mitarbeiter eine klar existenzbedrohende Gefahr dar.
Leider überkommt mich nach diesen (und noch anderen hier nicht genannten) Erfahrungen das Gefühl (trotz aller öffentlichen Beteuerungen unseres Bundeswirtschaftsministers P. Altmaier und des Bundesfinanzministers O. Scholz), übergangen, ja fast veralbert worden zu sein, und ich überlege ernsthaft (da ja auch ich als Mitinhaber und Geschäftsführer dieses Taxibetriebes laufende Lebenshaltungskosten habe), die Firma in die Insolvenz zu schicken.
Damit haben die Angestellten der Firma (inkl. des Geschäftsführers) wenigstens die Möglichkeit, Arbeitslosengeld oder wenigstens Grundsicherung zu beantragen.
Sollte sich das nicht schnellstens ändern, werde ich wohl diesen Schritt bis spätestens Mitte nächster Woche tun müssen. Ich fürchte, ich bin nicht der einzige Kleinunternehmer, der so handeln muss, und ich fürchte auch, dass dies all denen, welche hemmungslos Versprechungen machen (aber nicht die entsprechenden Grundlagen dafür schaffen, diese auch zu bedienen), so ziemlich am A… vorbei geht.
Anfangs dachte ich: „Wow, die sind ja wirklich bemüht, den Menschen zu helfen, die hängen sich ja richtig rein.“ Empfand wirklich Hochachtung für das dargestellte Engagement. Das alles jedoch ist einem Mistrauen gegenüber den „Versprechungen“ und den Intentionen der handelnden Personen und einer immer stärker empfundenen Resignation gewichen.
So ganz bei mir denke ich: „Das ist so eine Art Hase-Igel-Spiel“, ein Hinhalten und Beruhigen. Kein gutes Gefühl, keine Motivation, weiter zu machen, kein Gefühl von Vertrauen in die handelnden Politiker, sondern die immer tiefer sinkende Erkenntnis, dass sich mein Leben wohl besser gestalten wird, wenn ich die Reißleine ziehe.
Danke für das Lesen und eventuelles Verstehen.
Ein wenig hoffnungsfroher Berliner Taxi-Klein-Unternehmer Harald Reinke
Hallo Harald,
besten dank für deinen Kommentar. Du hast den Nagel voll auf den Kopf getroffen. Vor allem was die Automobilbauer, die hinter Free Now stehen, angeht. Denn diese sorgten, bereits lange vor Corona, mit ihrem Verhalten und damit meine ich die Auftragsvermittlung an illegal operierende Mietwagen dafür, dass die Taxis die wir dort (über Jahrzehnte) bestellt haben kaum mehr abzahlbar sind. Das ist ein unglaublicher Skandal! Den Politikern scheint es, allen voran der Berliner Senat, mehrheitlich egal zu sein. Man streitet sich hier lieber mit Anwohnern über das begrünen von Parkflächen, anstatt etwas gegen die täglich zehntausendfachen Rechtsverstöße durch Mietwagen und der daraus resultierenden, unnötigen Umweltbelastung zu unternehmen.
So könnte man beispielsweise schnell etwas für den Klimaschutz tun, wenn man den Willen hätte. Stattdessen lässt man sich von diesen Konzernen blenden, um das Rad neu zu erfinden.
In diesem Sinne beste Grüße und Kopf hoch in der gemeinsamen Hoffnung nicht die Reißleine ziehen zu müssen.
Benjamin S.