Die Mobilitätsplattform Free Now macht aktuell mit Spenden- und Schnelltestaktionen auf sich aufmerksam. Die Taxifahrer sollten sich von dieser Doppelmoral aber nicht blenden lassen.
Der Fahrtenvermittler Free Now bietet seit vergangenen Freitag kostenlose Covid-19-Schnelltests für eintausend Hamburger Taxifahrer an. Man ermögliche das im Rahmen einer Kooperation mit Ärzten und medizinischen Fachkräften des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, teilte der Plattformbetreiber mit. Als Berechtigungsnachweis dient die Fahrer-ID aus der FREE NOW Driver App, womit auch klar ist, dass dieses Angebot ausschließlich für jene Taxifahrer gilt, die immer noch deren App nutzen.
Innerhalb von nur zwei Wochen ist das bereits die zweite Aktion, mit der man sich um das Wohl der Taxifahrer bemüht. Ende Januar hatte man eine Unterstützerinitiative gestartet, bei der man sich direkt an die Verkehrsministerien der Länder gewandt und konkrete Vorschläge unterbreitet hatte, wie das Taxi als sicheres Verkehrsmittel bei Fahrten zu Impfterminen sowie bei der Beförderung systemrelevanter Berufsgruppen besser einbezogen werden könnte.
Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass Taxiverbände auf Landes- wie auch auf Bundesebene solche Konzepte bereits im Dezember der Politik vorgeschlagen haben und diese beispielsweise in Berlin auch längst umgesetzt sind.
Free Nows Rückbesinnung auf den Taxifahrer mag auf den ersten Blick erstaunen, denn seit dem Wechsel von der damals ausschließlichen Taxi-App „mytaxi“ zu Free Now vermittelt die Plattform nicht mehr nur Taxis, sondern auch E-Scooter, Car-Sharing-Fahrzeuge und Mietwagen mit Chauffeur. Vor allen Letzteres wird von zahlreichen früheren mytaxi-Fahrern als Verrat interpretiert, weil man mit entsprechenden aggressiven Direktmarketing die bisherigen mytaxi-Kunden zum Wechsel in den attraktiveren Mietwagen gelockt hat.
Um diese Kunden dann auch bedienen zu können, nimmt Free Now mittlerweile billigend in Kauf, dass sich ihnen genau jene Mietwagenbetriebe anschließen, die parallel auch für Uber unterwegs sind und tagtäglich gesetzliche wie arbeitsrechtliche Pflichten verletzten.
Allerdings ist es Free Now nicht gelungen, im Mietwagenbereich dem Konkurrenten Uber entscheidende Marktanteile abzunehmen. Dazu kommt, dass sich zu Pandemie-Zeiten das Taxi als systemrelevanter Teil des ÖPNV etabliert hat, was sich nun noch verstärkt, indem in vielen Regionen die Fahrtkosten für Taxifahrten zu den Impfzentren von den staatlichen und kommunalen Kostenträgern übernommen werden.
Insofern verwundert die oben angesprochene Rückbesinnung dann doch nicht, denn an den Topf der subventionierten Impffahrten will nun auch Free Now mit seinen wenigen verbliebenen Taxifahrern ran. Dazu wirft man eine Marketing-Maschinerie an, welche der Politik und den Kunden weismachen soll, dass die Free-Now-Taxis nicht nur zahlreich und flächendeckend vorhanden, sondern auch noch besonders sicher sind.
Entsprechend formuliert es denn auch Alexander Mönch von Free Now: „Mit der [Schnelltest-]Initiative wollen wir einen Beitrag leisten, die Verbreitung des Virus einzugrenzen. Unsere Fahrer stehen jeden Tag mit vielen Menschen in Kontakt. Wir halten es für wichtig, dass man hier ansetzt und sowohl den Fahrgast als auch den Fahrer präventiv schützt und damit auch das Vertrauen in das Taxi als sicheres Verkehrsmittel stärkt.”
Ein löblicher Ansatz, denn sicherlich tut der Taxibranche alles gut, was zum positiven Image beiträgt. Trotzdem muss den Fahrern und Unternehmern bewusst sein, dass Free Now weiterhin versuchen wird, Taxikunden in den günstigeren Mietwagenbereich zu locken. Dazu genügt die bewährte Push-Nachricht am Ende der Taxifahrt auf das Handy des Free-Now-Kunden, er solle doch beim nächsten Mal anstelle des Taxis einen günstigeren Mietwagen bestellen.
Free Now hat dem Taxigewerbe mit solchen Vorgehensweisen schon mehr als einmal den Mittelfinger gezeigt. Jetzt, wo man merkt, dass Taxis derzeit gefragter sind als Mietwagen, beginnt man eine neue Charme-Offensive, während im Hintergrund die Gespräche über den Verkauf an Uber laufen.
Fast schon blanker Hohn ist in diesem Zusammenhang die kürzliche Konzern-Ankündigung, man werde 20.000 Euro an die Taxistiftung spenden. Die Stiftung unterstützt Taxi-Kollegen und deren Familien, die Opfer von Gewaltaktionen von Fahrgästen geworden sind.
Auch das ist löblich, hat aber in den Augen vieler ehemaliger mytaxi-Fahrer einen schalen Beigeschmack, tritt doch nun ein Spender für die Taxistiftung auf, der mit seinem Geschäftsgebaren selbst dazu beiträgt, dass gesunde Taxibetriebe in Notlage geraten. „Das ist, wie wenn ein Rüstungskonzern Waffen in ein Bürgerkriegsland liefert und gleichzeitig an Ärzte ohne Grenzen spendet, damit die Mediziner dort die Verwundeten behandeln können“, schreibt ein frustrierter Taxifahrer in den sozialen Medien.
Ein gewagter Vergleich, der aber doch die Doppelmoral von Free Now auf den Punkt bringt. jh