Eigentlich sollten die Berliner Taxis schon Mitte 2019 wieder am angestammten Halteplatz des Zentralen Omnibius-Bahnhofs (ZOB) stehen, doch die Bauarbeiten ziehen sich hin und die Kosten explodieren. Der ZOB wird schon als „kleiner BER“ verspottet.
Momentan steigt ohnehin kaum ein Fahrgast am Busbahnhof in ein Taxi, da der Reisebusverkehr noch immer corona-bedingt stillsteht. Doch Berlins Taxifahrer werden ihren Halteplatz an der Masurenallee nicht vor Sommer 2022 zurückbekommen.
Die Instandsetzung mit Erweiterung, die den 55 Jahre alten ZOB an den veränderten Fernbusmarkt der heutigen Zeit anpasst, sollte laut Planungen von 2010 eigentlich rund drei Jahre dauern. Die Bauarbeiten begannen 2016 planmäßig. Der nördliche Teil des Geländes, der als Parkplatz für Reisebusse und andere Fahrzeuge genutzt wurde, sollte neuen Bussteigen weichen. Den in die Jahre gekommenen Gebäuden mit ihrem äußerst uneinladenden Spät-Sechziger-Charme sollte die lang ersehnte Sanierung zuteil werden, und im Sommer 2019 sollte ein moderner, zeitgemäßer Busbahnhof mit teilweise überdachten Wegen im Glanz des 21. Jahrhunderts erstrahlen, so in etwa war die Erwartung.
Inzwischen ist daraus ein neuer Skandal geworden, der sich in die lange Reihe der Berliner Fehlplanungen einreiht. Die Bautätigkeit ist noch in vollem Gange und die ursprünglich angesetzten Kosten von 3,85 Millionen Euro sind bis Ende letzten Jahres auf mehr als das Zehnfache gestiegen. Wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) recherchiert hat, liegen der Verzögerung und der Kostenexplosion eklatante Fehlplanungen seitens des Senats zugrunde. Die (Haupt-)Schuld trifft allerdings nicht Verkehrssenatorin Regine Günther, denn zum Zeitpunkt ihres Amtsantritts 2016 war die Sache bereits aus dem Ruder gelaufen. Die Ursachen liegen drei bis sechs Jahre länger zurück.
Die Bauplanung erfolgte 2010 während der dritten Regierungszeit von Klaus Wowereit, der seit 2002 den rot-roten Senat führte. Laut rbb-Recherchen besteht eine bedeutende Ursache für die teure Fehlplanung darin, dass die Verkehrsverwaltung einen Teil ihrer hoheitlichen Aufgaben als Bauherrin auslagerte. Im August 2014 habe die Verwaltung laut Rechnungshof einen Vertrag mit einem Projektsteuerer geschlossen, mit dem weder Termine und Fristen noch ein Kostenrahmen vereinbart worden seien. Insgesamt habe die damalige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (und Verkehr) die Baumaßnahme „nicht ordnungsgemäß und wirtschaftlich vorbereitet“. So sei es zu einem „weitgehend ungeordneten und ungesteuerten Planungsprozess“ gekommen, in Zuge dessen die Verkehrsverwaltung mehrfach Vorschriften missachtet habe.
Die Präsidentin des Landesrechnungshofs veranschaulichte die Fehlplanung in der „Abendschau“ des rbb-Fernsehens am Montag sehr deutlich: „Sie müssen sich das so ähnlich vorstellen, als wenn Sie ein Haus bauen wollen und das Fundament planen – und erst danach überlegen, wie viele Zimmer Sie eigentlich einrichten wollen.“ So seien die Zahl der neu einzurichtenden Bussteige sowie die Sanierung der Gebäude mehrfach umgeplant worden, da unter Wowereit zu klein geplant worden sei. Laut dem Sprecher der heutigen Verkehrsverwaltung, Jan Thomsen, habe die nötige Leistungssteigerung während der späten Planungsphase aufgrund des enormen Fernverkehrszuwachses auch die Kosten entsprechend erhöht. So seien etwa aus der Sanierung der alten Gebäude Neubauten nach heutigen Ansprüchen geworden.
Letztendlich würden die Umplanungen laut Thomsen aber zu „signifikanten Verbesserungen für die Kundinnen und Kunden“ führen und einen wirklich zeitgemäßen Busbahnhof entstehen lassen. So erhöhe sich die Zahl der Sitzplätze mit dem Neubau des Empfangsgebäudes von 76 auf 280. Hinzu komme ein Echtzeit-Informationssystem über An- und Abfahrten.
Nächsten Sommer wird dann auch an gewohnter Stelle der Taxihalteplatz wieder eingerichtet, wie Boto Töpfer hofft. Der Chef des Taxiverbandes Berlin, Brandenburg e. V. hat bei Gesprächsrunden zum ZOB-Umbau häufig mit Senatsleuten, Polizei und Vertretern des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf am Verhandlungstisch gesessen und für eine „taxifreundliche“ Gestaltung gesorgt. So konnte er erreichen, dass der provisorische Halteplatz während des Umbaus an seinem heutigen, sinnvollen Ort eingerichtet wurde.
Für die Rückverlegung im kommenden Jahr möchte Töpfer erreichen, dass die frühere, ungünstige Ausgestaltung verändert wird, bei der die eintreffenden Reisenden bei Verlassen des Empfangsbereichs nicht auf das erste wartende Taxi trafen, sondern auf die Mitte der Wartereihe. So riskierte jeder Fahrer, der ordnungsgemäß bis zum Halteplatz-Schild vorfuhr, dass Fahrgäste mit schwerem Gepäck aus Bequemlichkeit in ein Taxi in der Mitte der Schlange stiegen statt in das Erste. Eine Lösungsmöglichkeit bestünde darin, den vorderen Teil der bisherigen Ladeleiste zu einem Wartebereich für vorbestellte Abholer umzuwidmen. ar
Beitragsbild: Baustelle am Standort des bisherigen und künftigen Taxihalteplatzes. Foto: Axel Rühle