Das Arbeitsgericht Osnabrück hat sich mit einer aktuellen Entscheidung zur Urlaubskürzung bei Kurzarbeit gegen die unter Juristen inzwischen eigentlich etablierte Meinung gestellt.
Das Gericht entschied in diesem Juni überraschenderweise, dass Kurzarbeit keine Urlaubskürzung rechtfertigt, wenn sie anteilig und nicht als vollständige Kurzarbeit Null angeordnet wurde (Urteil vom 08.06.2021 – 3 Ca 108/21, u.a.). Damit ist das heiße Eisen Urlaubskürzung bei anteiliger Kurzarbeit wieder mitten im Feuer.
Erst im März diesen Jahres hatte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschieden, dass zumindest Kurzarbeit Null eine anteilige Reduzierung des Jahresurlaubs sehr wohl rechtfertige, weil während der Kurzarbeit keine entsprechende Arbeitsleistung erbracht werde (Taxi-Times berichtete). Auch wenn viele Juristen das Düsseldorfer Urteil unter bestimmten Voraussetzungen auch auf anteilige Kurzarbeit für übertragbar hielten, stand eine entsprechende gerichtliche Entscheidung darüber bisher noch aus.
Folgender Sachverhalt lag dabei nun in Osnabrück zugrunde: Coronabedingt ordnete ein Arbeitgeber tageweise Kurzarbeit an. Die entsprechende Betriebsvereinbarung sah vor, dass der Arbeitgeber die Kurzarbeit vorzeitig und kurzfristig mit einer Ankündigungsfrist von zwei Werktagen beenden oder reduzieren durfte. Eine Reduzierung der Arbeitszeit auf Null erfolgte nicht. Der Arbeitgeber kürzte die Urlaubstage anteilig im Verhältnis zu den Jahresarbeitstagen. Er verwies dabei unter anderem auch auf die Entscheidung des LAG Düsseldorf zur Kurzarbeit Null. Der Arbeitnehmer wandte ein, dass die tageweise Kurzarbeit nicht zur Kürzung des Urlaubsanspruchs berechtige. Durch die kurzzeitig angeordnete und wieder abänderbare Kurzarbeit habe er keine vorhersehbare und frei gestaltbare Freizeit gewonnen.
Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer in vollem Umfang Recht, die anteilige Kürzung des Urlaubs sei in diesem Fall rechtswidrig. Das Arbeitsgericht vertrat die Auffassung, der Urlaubsanspruch sei nach dem Bundesurlaubsgesetz (BurlG) dem Grunde nach nicht von der Erbringung einer Arbeitsleistung abhängig. Der Arbeitgeber habe lediglich für einzelne Tage Kurzarbeit angeordnet und die Arbeitszeit nicht auf null reduziert. Er sei danach dazu berechtigt gewesen, die Kurzarbeit kurzfristig – mit einer Ankündigungsfrist von zwei Werktagen – einzuführen, zu beenden oder zu reduzieren. Die arbeitsfreien Tage führten daher nicht zu einer dem Erholungsurlaub ähnlichen Situation. Es könne nicht „davon gesprochen werden, dass bei derartiger Kurzarbeit Arbeitnehmer dadurch ihren Erholungsurlaub bereits anteilig quasi realisiert haben”.
Und das Arbeitsgericht sah eine Vergleichbarkeit mit der Situation der Elternzeit (BEEG), wo die Möglichkeit zur Kürzung des Urlaubs ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist. Bei der Kurzarbeit fehle eine entsprechende gesetzliche Regelung. Hieraus folge nach Auffassung des Gerichts, dass eine entsprechende Kürzung unzulässig sei. Zudem regle §11 BUrlG, dass die Kurzarbeit nicht zur Kürzung des Urlaubsentgelts führe. Die Berufung wurde wegen der Bedeutung der Rechtssache jedoch zugelassen. Somit bleibt also zunächst abzuwarten, ob dieses Urteil so überhaupt Bestand haben kann, denn es enthält einige zumindest wackelige Passagen im Vergleich zum Düsseldorfer Urteil.
Letztendlich ist die Frage zu bewerten, ob wirklich erst tatsächlich geleistete Arbeitstage einen Urlaubsanspruch generieren können – wie das LAG Düsseldorf entscheiden hatte – oder ob auch für den Arbeitnehmer relativ unplanbar kurzfristig angeordnete Kurzarbeit auch schon diese Funktion erfüllen kann – wie das AG Osnabrück feststellt. Und selbst nach einer Entscheidung für die Osnabrücker Sichtweise bleibe es immer noch fragwürdig, ob dann allein die Planbarkeit einer Kurzarbeitsphase diese Funktion vielleicht auch schon wieder egalisieren kann.
Würde den Arbeitnehmern also mit einem entsprechend planbaren Vorlauf mitgeteilt, an welchen Tagen sie bedingt durch die Kurzarbeit nicht arbeiten müssen und welchen schon, lässt sich das benannten Osnabrücker Urteil im Zweifel schon jetzt wohl kaum als Rechtfertigung für einen vollen Urlaubsanspruch trotz anteiliger Kurzarbeit heranziehen, da es so eindeutig auf die Kurzfristigkeit der Anordnung der Kurzarbeit in diesem speziellen Fall abhebt.
Sollte die Entscheidung des AG Osnabrück rechtskräftig werden, wären allerdings Urlaubskürzungen im Rahmen kurzfristig angeordneter Kurzarbeit untersagt. Bei Teilkurzarbeit, die lediglich in Schichtzeitkürzungen realisiert wird, ohne das damit komplett arbeitsfreien Kurzarbeitstage generiert werden, war auch schon vor den beiden Urteilen definitiv keine Urlaubskürzung möglich, da Urlaubsansprüche sich unabhängig von der Schichtlänge allein an der Anzahl der Arbeitstage errechnen.
Für die Arbeitgeber bedeutet dies, dass eine Kürzung des Urlaubsanspruches derzeit sowohl im Falle von Kurzarbeit Null, anlog zu der Düsseldorfer Entscheidung rechtssicher realisiert werden kann, als auch im Fall einer längerfristigen Schichtplanung, wo dies auch bei Teilkurzarbeit nach wie vor möglich sein sollte – wobei hier ein entsprechendes Urteil jedoch nach wie vor auf sich warten lässt.
Nichts destotrotz verbleibt eine durch das neue Urteil unangenehm forcierte Unsicherheit zu diesem Thema, der die Beteiligten auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite nur durch eine zumindest mittelfristig verlässliche Schichtplanung entweichen können, solange denn überhaupt noch coronabedingt Kurzarbeit realisiert werden muss. rw