In einer Kleinstadt am Nordrand des Ruhrgebiets und in einem Stadtteil an der Ostsee sind vor allem abends und nachts nicht mehr ohne weiteres Taxis verfügbar. Die jeweilige Opposition schlägt Alarm.
Das westfälische Oer-Erkenschwick grenzt nördlich an Recklinghausen, war bis 1997 von Steinkohlebergbau geprägt, hat 31.500 Einwohner – und keinen Taxibetrieb mehr. Obwohl Uber hier noch nicht in den Markt eingefallen ist und noch 20 Kilometer vor den Toren steht, will der letzte ortsansässige Taxiunternehmer demnächst auf Mietwagen umstellen – aus wirtschaftlichen Gründen. Zuvor hat er seine örtliche Filiale geschlossen und sein Geschäft am Hauptsitz im Nachbarstädtchen Datteln zentralisiert.
Seitdem sind im Oer-Erkenschwick nicht mehr zu jeder Tageszeit Taxis verfügbar. Die „Hertener Allgemeine“ (HA) berichtet beispielhaft von einer Seniorin, die kürzlich einen Termin im Rathaus hatte. Für die Hinfahrt gelang es ihrer Betreuerin noch, für zehn Euro Aufpreis ein Taxi aus einer Nachbargemeinde zu engagieren. Zurück musste die gehbehinderte Frau zu Fuß gehen.
Es hatte für Aufsehen gesorgt, als Unternehmer Felix Meinert seinen „Taxi-Service“ Ende August in „Patiententransport-Service“ umbenannte und sich aus Oer-Erkenschwick zurückzog. Es wird davon ausgegangen, „dass der Taxistand künftig keine verlässliche Anlaufstelle mehr für Fahrgäste ist“ und Taxis nicht mehr Tag und Nacht spontan verfügbar sind, berichtet HA online. „Das dürfen wir so nicht einfach hinnehmen“, zitiert sie Vizebürgermeister Johannes Kemper (SPD), der durchaus Verständnis für die wirtschaftliche Entscheidung Meinerts habe. Er habe jedoch Meldungen von älteren Bürgern erhalten, die auf Taxis angewiesen seien. Meinert habe zwar angekündigt, Senioren weiterhin zum Arzt zu fahren, doch eben nicht mehr mit dem Taxi, sondern mit dem Mietwagen – wofür eine „rechtzeitige Vorbestellung“ nötig sei, da ansonsten längere Wartezeiten drohen.
Kemper will diese Situation nicht hinnehmen und das Thema in den Stadtrat einbringen, um Bürgermeister Carsten Wewers (CDU) unter Druck zu setzen. Die Entwicklung sei nicht im Sinne der Bürger und man müsse dafür sorgen, „dass sich beispielsweise die Teilnehmer einer Familienfeier in Privaträumen in den späten Abendstunden verlässlich, spontan und mit möglichst kurzer Wartezeit eine Mitfahrgelegenheit bestellen können. Denkbar wäre eine Art Bürgerbus. Kemper will nicht nur, dass die Fraktionen im Rat darüber diskutieren. Auch die Stadtverwaltung solle sich mit dem Thema befassen, damit man demnächst in einer Ratssitzung miteinander darüber sprechen könne.
Ein vergleichbares Problem wie Oer-Erkenschwick findet sich im Norden Deutschlands an der Grenze von Schleswig-Hostein nach Mecklenburg-Vorpommern: Im außerhalb gelegenen Lübecker Stadtteil Travemünde, quasi einem eigenen Städtchen mit 13.500 Einwohnern, bestehend aus dem Stadtbezirk Alt-Travemünde und drei winzigen Dörfern, gilt es derzeit ebenfalls zwischen 22 Uhr und morgens als annähernd ausgeschlossen, ein Taxi zu bekommen. Hier gibt es zwei Taxibetriebe und einen Konzessionsstopp, der verhindert, dass Mitbewerber auf den Markt kommen. Die beiden Betriebe haben nach Ansicht der Genehmigungsbehörde genug Taxis, bieten aber nachts keinen durchgehenden Betrieb mehr an. Da Travemünde und das restliche Gebiet der Hansestadt Lübeck unterschiedliche Pflichtfahrgebiete sind, um die Travemünder Taxis per Bereithaltungsverbot vor Konkurrenz zu schützen, besteht keine direkte Handhabe gegen die missliche Situation.
Wie das örtliche Nachrichtenportal HL-live.de meldet, hat der Oppositionspolitiker Jochen Mauritz (CDU) sich des Problems angenommen und Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) aufgefordert, „eine Verordnung über den Verkehr mit Taxen in der Hansestadt Lübeck für den Stadtteil Travemünde zu Nachtzeiten aufzustellen. So kann sichergestellt werden, dass die Mobilität in Travemünde für Fahrgäste zu später Stunde nicht verloren geht.“ Er sieht gemäß Taxenordnung die rechtliche Möglichkeit für die Genehmigungsbehörde, einen Dienstplan zu erstellen, „der das Bereithalten und den Einsatz von Taxen im Stadtteil Travemünde koordiniert und so Mobilität zu jeder Tageszeit außerhalb der Bus- und Bahnzeiten sicherstellt“.
Kommentatoren der Online-Meldung schreiben, an manchen Tagen gäbe es in Travemünde nur zwei Taxis, woraus „schon mal eine Stunde“ Wartezeit resultiere, und kurze Fahrten würden trotz Beförderungspflicht gelegentlich abgelehnt, beispielsweise vom Hafenbahnhof auf die 1,5 Kilometer entfernte Halbinsel Priwall rechts der Trave, wo die Fahrt wahlweise eine Fähre mit langer Wartezeit oder einen 35 Kilometer langen Abstecher durch Mecklenburg beinhaltet. Auch die Frage nach möglicher Vetternwirtschaft oder gar Bestechlichkeit wird gestellt – viel Stoff für politischen Streit in der Bürgerschaft, ebenso wie das Thema der Leerfahrten zurück ins Pflichtfahrgebiet, die als „betriebswirtschaftlicher und auch ökologischer Irrsinn“ kritisiert werden. ar
Beitragsbild: Symbolfoto Sebastian Stahl
Hallo Zusammen.
Ich bin der oben erwähnte Mietwagenunternehmer und durch Zufall, auf diesen Artikel gestoßen.
Gerne würde ich eine Stellungsnahme abgeben.
Oer-Erkenschwick und Datteln sind Kleinstädte mit so gut wie keinem klassischen Taxi bzw Barverkehr.
Auch vor der Pandemie und meiner Entscheidung umzuschwitzen.
Wir und die anderen Unternehmen in der Region leben von Kranken und Dialysefahrten.
Datteln hat gemessen an dessen Einwohnerzahl ein großes und ausgelastetes Krankenhaus, welches uns eine gute Auftragslage einbringt.
Meine Entscheidung auf Mietwagen umzustellen hat reingarnichts mit Uber zu tun.
Anbieten am Taxistand? In Datteln nicht Relevant. 24hBetriebspflicht? Die Insolvenz ist vorprogrammiert. Vorgegebene Preise vom Kreis Recklinghausen (Preise aus 2018!): Sind wirtschaftlich, meiner Meinung nicht mehr umsetzbar.
Der Kreis Recklinghausen, sucht händeringend einen Nachfolger, niemand meldet sich.
Die Taxibranche mit Ihren Regeln, mit Stand vor 30-40 Jahren, fährt leider in ländlichen Regionen immer mehr in die Sackgasse.
Die Forderung des Stellv. Bürgermeisters in OE, klingt ja schön. Aber das Problem ist doch seitens seiner Partei, hausgemacht. Welcher Unternehmer kann dauerhaft den Mindestlohn zahlen (nichts gegen den lohn an sich!) und gleichzeitig Bereitschaftzeiten mit einer Handvoll möglichen Fahrten um den Kirchturm finanzieren?
Ich denke, ich spreche für viele Kollegen im ländlichen Raum.
Gefordet sind Politik und Behörden und nicht die Unternehmer die schauen müssen ihr Unternehmen über Wasser zu halten.
Mit freundlichen Gruß