Die vor kurzem am Hamburger Flughafen eingerichteten Halteplätze speziell für Elektro-Taxis sorgen laut Medienberichten für Unmut unter jenen Kollegen, die mit ihren Diesel- oder Hybridtaxis um zwei Plätze nach hinten versetzt worden sind. Gewohnt reißerisch geht dabei die „Bild“-Zeitung vor, während ein NDR-Beitrag deutlich sachlicher bleibt.
Die Bild-Zeitung ist dafür bekannt, in ihren Beiträgen sachlich oft nur an der Oberfläche zu kratzen, Fakten in falsche Zusammenhänge zu rücken und dadurch nicht immer die komplette Wahrheit darzustellen. Wichtig ist bei diesem Boulevardblatt, die Emotionen zu bedienen.
Dies wird anhand eines Beitrags von letzter Woche deutlich, als man bereits in der Headline von einem „Pulverfass Taxistand“ schreibt, begleitet von den Schlagworten „Handgemenge! Streitschlichter!“.
Im Beitrag selbst wird dann von der E-Taxi-Spur berichtet, die vor rund drei Wochen eingerichtet wurde und es jeweils zwei Hamburgern Elektro-Taxis ermöglicht, sich an zwei Terminal-Ausgängen ganz vorne aufzustellen.
Laut Bild brodelt es deshalb unter jenen Hamburger Taxifahrern, die mit ihren Diesel- und Hybrid-Modellen nun noch längere Wartezeiten haben. Zitiert wird beispielsweise der Taxifahrer Sahin Saray. Er gibt an, dass er und seine Kollegen 2-3 Stunden warten müssten, während die E-Taxis einfach an Ihnen vorbeifahren könnten. Er selbst, so sagt er der Bild-Zeitung, habe schon einmal dazwischengehen müssen, „damit es keine Schlägerei gibt“.
Ist das gemeint, wenn die Bild in der Headline von einem Handgemenge schreibt? Das wäre ziemlich mau, denn mit dieser Aussage deutet noch nichts darauf hin, worum der Streit letztendlich ging. Wenn es tatsächlich ein Handgemenge mit einem E-Taxifahrer gewesen wäre: Warum hätte die Bild das nicht auch erwähnen sollen?
Völlig ohne weitere Fakten wird zudem in der Bild-Zeitung behauptet, dass es zerstörte Ladesäulen gab. Wo konkret Ladesäulen zerstört wurden und ob dies auch tatsächlich im Zusammenhang mit der E-Taxispur steht, ist somit völlig unbewiesen. Fakt ist: Die Schnellladesäule im Flughafen, die ausschließlich von Taxis genutzt werden darf, ist damit nicht gemeint, die funktionierte zum Zeitpunkt des Beitrags noch einwandfrei.
Auch die von den zitierten Taxifahrern angegeben Wartezeiten („2-3 Stunden“, „seit Stunden“) erwecken den Eindruck, als handle es sich dabei um die übliche durchschnittliche Wartezeit am Hamburger Flughafen.
Der NDR hat hier andere Zahlen: In seinem Beitrag, ebenfalls letzte Woche erschienen, spricht er von 30 bis 45 Minuten, die man während der Betriebszeiten des Flughafens warten müsse.
Auch zu anderen Themen werden beim NDR die Aussagen aus der Bild-Zeitung deutlich relativiert. Während das Boulevard-Blatt davon schreibt, dass die Verkehrsbehörde jetzt reagiere und die Konflikte schlichten soll, liefert der NDR die vollständigen Fakten: „Seit Beginn der Aktion sei die Gewerbeaufsicht dreimal die Woche vor Ort, um über das Thema ‚Zukunftstaxi‘ zu informieren“, heißt es dort. Zudem weist ein Pressesprecher der Verkehrsbehörde explizit darauf hin, dass man Streitschlichter bisher nicht einsetzen musste.
Beim NDR wird auch das Verhältnis zwischen Taxis mit Elektro- und solchen mit Verbrennermotor relativiert. Von 3.000 Hamburger Taxis seien aktuell 50 elektrisch unterwegs. Da muss man die Aussage eines Taxifahrers schon kritisch hinterfragen, der im erwähnten Bild-Beitrag mit dem Satz zitiert wird: „Wir kommen überhaupt nicht mehr zum Zuge. Die drängeln sich vor, schnappen uns Kunden vor der Nase weg.“
Was beide Medien nicht schreiben: Zahlreiche der aktuell 50 E-Taxifahrer steuern den Flughafen erst gar nicht an. Zum einen, weil sie sich gar nicht vordrängen wollen, zum anderen, weil sie so gut ausgelastet sind, dass für Flughafenfahrten gar keine Zeit mehr ist.
Wenn in Hamburg aber tatsächlich einmal alle 350 Elektrotaxis fahren, für die bereits die entsprechenden Förderzusagen vorliegen, könnte sich die Priorisierung am Flughafen auch tatsächlich auf die Wartezeit auswirken. Das prognostizieren sowohl der NDR als auch die Bild. Womit letztere dann doch an einem Punkt ins Schwarze getroffen hat. Beim Rest war es wohl wichtiger, möglichst viele Leser anzulocken. jh
Beitragsfoto: Collage aus den beiden Veröffentlichungen der Bild-Zeitung und des Norddeutschen Rundfunks (NDR).
Das polarisieren der Leserschaft durch das Blatt mit den vier Buchstaben bedient in einer Wechselwirkung Erwartungshaltungen. Gerade das Thema eMobilität ist emotionsgeladen wie kaum ein anderes und es ist löblich, wenn Fakten sortiert dargeboten werden und nebenbei auch Aufklärungsarbeit betrieben werden kann beziehungsweise wird. So definiert sich sauberer Journalismus👍
Ich habe mit Freunden, Kollegen und Kunden das Thema sehr ausführlich diskutiert. Es gibt niemanden, der es in Ordnung findet, dass E-Taxen ohne Vorlaufzeit und weitere Informationen „einfach mal so“ priorisiert worden sind.
Die Wartezeit am Flieger beträgt durchschnittlich über eine Stunde und natürlich sind die Kollegen sauer – nicht aber handgreiflich.
Das E-Taxen super ausgelastet sind ist jetzt von der Taxi Times aber auch keine objektive saubere journalistische Aussage. Wenn dem so sein sollte, dann durch eine Priorisierung in der Vermittlung.
Der Umstieg auf Elektroantrieb ist für den Taxler mit Mehraufwand und Risiken verbunden. Dieser kann nur dann gelingen und auch wirtschaftlich machbar sein, wenn in dieser frühen Phase unterstützt wird. Das passiert mit dem Projekt Zukunftstaxi und vielen Partnern…übrigens auch den Taxenverbänden und Taxenvermittlern. Die großen Taxenvermittler geben zusätzliches Geld und/oder priorisieren auch und sogar noch viel mehr, das nur mal am Rande. Am Flughafen geht es auch darum, dass der Fahrgast (sollte dieser nicht eigentlich im Mittelpunkt stehen?) die Entscheidung trifft, wie und mit wem er fahren möchte. Freie Fahrzeugwahl am Taxenstand, oder? Eine Fahrt in einem leisen und ruckelfreien ID4 ist nun mal für alle angenehmer, übrigens auch für TaxenfahrerIn! Letztendlich gilt: Die Politik, die Gesellschaft, der Gesetzgeber (bitte auch mal in die neuen Ziele des PBefG gucken…) und der Fahrgast bestellen…und das Taxengewerbe sollte zur Absicherung der eigenen Zukunft liefern. Auch ganz banal im Eigeninteresse, andere Wettbewerber werden es nämlich auch tun. Niemand hat behauptet, dass es einfach ist, aber wenn es ein Taxengewerbe schafft, dann ja wohl das Hamburger!
Was bleibt ist die Diskriminierung der „alten “ Taxis samt deren Fahrer weil bei der Subventionierung nicht ALLE gleich behandelt werden! Wenn staatliche Subventionen fließen, dann für alle Marktteilnehmer.
Erst investiert man 2019 in eine neue Flotte samt e Klassen und dann kommt die böse Überraschung das e Taxen bevorzugt werden und nicht nur am Flughafen sogar an der Auftragsvermittlung! Ärzte und Krankenhäuser bekommen eco Taxen vorrangig ! Wieso wird das nicht schon vorher kommuniziert sodass man evtl. doch in hybride investieren könnte etc…. Man kann net von heut auf morgen eine Umstellung machen sondern sollte dies mit Vorlaufzeit von Mond 2-3 Jahren machen Sodas alle anderen die Möglichkeit haben auch auf den e Zug aufzuspringen !
Danke für Ihren Kommentar, Herr Koc. Ihr Einwand ist berechtigt, jedoch war in Hamburg bekannt, dass es zu einer solchen Förderung kommen wird, denn die Gespräche mit allen jetzigen Kooperationspartnern liefen seit Jahren. Und in München wird, wenn dort am Flughafen eine E-Taxi-Spur eingerichtet wird, auch keiner sagen können, dass er davon nichts gewusst habe, denn auch dort wird es seit längeren publiziert.
@ Dirk Ritter:
Vielleicht sollten Sie nach fast 4,5 Jahren endlich 1x die Hamburger Taxentarife „anpassen“! Oder steht bei Ihrer Behörde der Bürger und Taxenunternehmer nicht im Mittelpunkt? Zur Zeit lassen Sie und Ihre Behörde das Taxengewerbe am ausgestreckten Arm verhungern. Und ich meine nicht nur die Treibstoffpreise!! Aber wir wissen ja seit der Corona-Krise dass Behörden denken, dass die Selbstständigen nichts zu essen und zu trinken brauchen…