In 2 Minuten ohne Kostenrisiko Schadensersatz einfordern“, damit warb das Unternehmen Claimback (Claim Ventures GmbH) aus Kronstein in der vergangenen Zeit auch im Taxigewerbe um Dieselbesitzer. Kann das klappen? Ein persönlicher Erlebnisbericht eines Oldenburger Taxiunternehmens – leider ohne Happy-End.
Im Jahr 2019 wandte sich die Firma Claimback aus Kronstein bei Frankfurt direkt an das Taxigewerbe. Propagiert wurde die Geschäftsidee, auch für verkaufte Taxis mit dem sogenannten „kleinen Schadenersatz“ sozusagen auf Provisionsbasis noch ohne Risiko Ausgleichszahlungen erreichen zu können: Fahrzeughalter, die über keine Rechtsschutzversicherung verfügen, sollten 70 Prozent einer möglicherweise von den Autoherstellern zu erstreitenden Entschädigungssumme im Rahmen des Abgasskandals erhalten, die restlichen 30 Prozent stünden Claimback zu, die aus diesem Topf dann auch möglicherweise anfallende Gerichtskosten begleichen würden.
Ein solches Angebot darf sich ein kleines mittelständisches Unternehmen wie das unsere (Acht-Elf-Elf Das Taxi“) natürlich nicht entgehen lassen, denn eine risikofreie Chance auf eine fünfstellige Einnahme ohne Kosten wäre definitiv eine große Sache.
Wir beauftragten Claimback also , wobei es Teil der Vereinbarung war, dass allein Claimback bzw. deren Rückversicherer die Entscheidung oblag, durch wie viele Instanzen man gehen werde, welche Anwälte man beauftrage etc. Mit der Kanzlei Baum, Reiter & Collegen aus Düsseldorf verfügte Claimback hier über einen sehr renommierten Partner, der dann die juristische Vertretung übernahm.
Letztendlich ergaben sich dann folgende Klageverfahren, die in unserem Namen geführt wurden. In einem ging es um sechs VW Sharan, im anderen um neun E-Klassen. Hier war Mercedes-Benz die Beklagte. Alle Fahrzeuge waren als Neufahrzeuge erworben worden, hatten den wesentlichen Teil ihres Autolebens bei uns als Taxi oder Mietwagen verbracht und waren dann als Hochkilometerfahrzeuge mit ca. 400.000 Kilometern auf dem Buckel verkauft worden.
Ein Vertreter von Claimback hatte genau diese Nutzung auf einer Taxiveranstaltung beschrieben: „Wer mit einem Kaufvertrag belegen kann, dass sein Taxi ein von Rückrufen des Kraftfahrt-Bundesamtes wegen des Abgas-Skandals betroffenes Modell ist und vor dem betreffenden Rückruf gekauft worden ist, kann Schadensersatz wegen einer sittenwidrigen Schädigung einklagen. Dies ist auch noch möglich, wenn das Fahrzeug bereits wieder gebraucht verkauft worden ist.“ Unter dem Namen Claimback biete man vom Abgas-Skandal betroffenen Taxiunternehmern an, ihren Schadensersatz individuell gegenüber den Herstellern einzuklagen – vornehmlich gegenüber Volkswagen, seinen Töchtern und Mercedes-Benz. Das sei angesichts der hohen Laufleistungen von Taxis am besten über den „kleinen Schadensersatz“ möglich, bei dem in der Regel 20 Prozent des Kaufpreises geltend gemacht werden könnten.
Beim „großen“ Schadensersatz klage man dagegen auf Rückabwicklung und müsse vom gesamten Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer abziehen. Das mache bei mehr als 200.000 Kilometern Laufleistung keinen Sinn mehr.
Im weiteren Verlauf der Klagen engagierten sich die Düsseldorfer Kanzlei und auch Claimback sehr professionell, auch wenn bei der Fülle der Klagen natürlich keine wirklich individuelle Betreuung möglich war. Allerdings zeichnete sich in unserer Wahrnehmung schon in den Schriftsätzen der ersten Instanz ab, dass die entsandten Düsseldorfer Anwälte der besonderen Konstellation, die sich hier nun mal für Taxiunternehmen mit ihren Hochkilometerfahrzeugen ergibt, zumindest aus Sicht des juristischen Laien nicht unbedingt gerecht wurden. Und auch der Versuch der Intervention über Claimback brachte hier wenig Erfolg.
Im Ergebnis kam es dann, wie es wohl kommen musste: Das Landgericht Stuttgart stellte im Sommer 2021 als entscheidenden Mangel am Vortrag unserer Juristen fest, dass diese nicht belegt hätten, dass die Fahrzeuge zu einem höheren Wert hätten verkauft werden können, wenn der Abgasskandal den Gebrauchtwagenmarkt nicht erschüttert hätte. Somit sei uns kein belegbarer Schaden entstanden. Wie solch ein Nachweis führbar sein kann, blieb dabei offen. Etwas anders, aber ebenfalls abweisend beschied uns das Oberlandesgericht Oldenburg in der Klage um die VW Sharan, dass bei Fahrzeugen mit mehr als 300.000 Kilometern Laufleistung kein Schaden entstehe, denn „für diese Fahrzeuge verbleibe […] nach Abzug der Nutzungsentschädigung kein der Klägerin zu ersetzender Schaden mehr“. Beide Urteile entsprachen nicht der ursprünglichen Claimback-Prognose.
Ob mit einer konsequenteren Prozessführung dann tatsächlich doch ein besserer Ertrag hätte erzielt werden können, muss natürlich offenbleiben. Dass hier sehr wohl ein Schaden entstanden ist, dürfte zumindest in der Taxibranche vielen Betroffenen mehr als klar sein, denn immerhin leidet die ganz Branche schon seit einigen Jahren unter sinkenden Gebrauchtwagenpreisen, da das Vertrauen in die Qualität der deutschen Hersteller gesunken ist. Die Gerichte bleiben wiederum die Antwort schuldig, warum bei einer Fahrzeugnutzung von vielleicht 20.000 Kilometern pro Jahr offensichtlich ein messbarer Schaden entstehen kann, während solche Nutzungen, die 100.000 Kilometern pro Jahr leisten, offensichtlich in ihrer Wahrnehmung kein Schaden entsteht.
Schade war im Abschluss auch, dass unser Vertragspartner Claimback für eine Nachbesprechung trotz einiger Versuche nicht erreichbar war, während die Düsseldorfer Kanzlei sich hier zumindest sehr bemühte. Hier wäre für uns die Antwort auf die Frage, ob andere Taxler denn erfolgreicher waren als wir, einfach schon aus sportlicher Perspektive interessant gewesen. Insofern sind wir jetzt also auf die Nachrichten von Taxi-Times-Lesern angewiesen, wenn wir erfahren wollen, ob wir einfach zwei Mal Pech hatten oder ob das mobilste Gewerbe der Welt bei der Aufarbeitung des wohl größten Automobilskandals der Geschichte immer leer ausgegangen ist, zumindest, wenn die Autos bereits wiederverkauft waren. Wir sind gespannt. rw
Beitragsfoto (Montage): Witte