Zwei Männer, die der Neonaziszene zugerechnet werden, sind nach einem gewalttätigen Übergriff Anfang November in Berlin-Steglitz zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.
Das Amtsgericht „Tiergarten“, das die Strafsachen für alle Berliner Amtsgerichte verhandelt, hat am Montag zwei Männer verurteilt. Es ging um einen Vorfall vor knapp vier Monaten. Laut Zeitungsberichten hielt Tilo P. Anfang November 2021 mit seinem VW Golf in der Göttinger Straße so, dass ein Taxifahrer nicht vorbeifahren konnte. Als dieser daraufhin hupte und ausstieg, um den Golf-Fahrer zum Freigeben der Straße aufzufordern, sei Beifahrer Dennis S. aus dem Golf gestiegen und habe den Taxifahrer angepöbelt. Auch Tilo S. sei ausgestiegen und auf ihn losgegangen. Er habe ihn geschubst und mit einem Schlagstock auf den Oberschenkel geschlagen, bevor er mit seinem Beifahrer davongefahren sei.
Der Taxifahrer nahm die Verfolgung auf und rief die Polizei an. Nach seiner Schätzung sei der Golf mit bis zu 100 km/h gefahren, so dass er ihn zeitweilig aus den Augen verloren hatte. Am S-Bahnhof Rathaus Steglitz muss er ihn dann eingeholt haben, denn in der Berlinickestraße gerieten die Männer erneut aneinander. Diesmal habe Tino P., von dem aus Jordanien stammenden Taxifahrer zur Rede gestellt, diesen rassistisch beschimpft und ins Gesicht geschlagen, wobei dessen Brillengestell beschädigt wurde. Zudem war von Verletzungen, Schmerzen und Sehbeschwerden die Rede, die länger andauerten.
Nach dreieinhalb Monaten Untersuchungshaft standen die beiden mutmaßlichen Rechtsextremisten nun vor Gericht, wo sie die geschilderten Taten zugaben und sich entschuldigten. Das Gericht wertete die Übergriffe als „Spontantat im Straßenverkehr“ und verurteilte den 39-jährigen Tilo P. wurde wegen Beleidigung, gefährlicher Körperverletzung, verbotenen Kraftfahrzeugrennens, Sachbeschädigung und Nötigung zu 18 Monaten Haft auf Bewährung. Er muss dem 56-jährigen Taxifahrer 1.000 Euro zahlen und zudem seinen Führerschein für 21 Monate abgeben. Beifahrer Dennis S., 34, erhielt acht Monate Haft auf Bewährung.
Für Tilo P. dürfte dieses Verfahren ein vergleichsweise geringes Problem gewesen sein, denn unabhängig von dem verhandelten Vorfall ist P. einer der Hauptverdächtigen im Verfahren um eine spektakuläre, offenbar rechtsextrem motivierte Anschlagsserie im Bezirk Neukölln zwischen Juni 2016 und März 2019. Laut Berliner Zeitung rechnet das Landeskriminalamt der Serie mehr als 70 Taten zu, darunter mindestens 14 Brandstiftungen, oft auf Kraftfahrzeuge, und 35 Sachbeschädigungen mit teils sehr hohem Sachschaden. Die Opfer seien Menschen und Institutionen, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten , darunter Ferat Koçak, Kommunalpolitiker der Partei Die Linke, der sozialistische Jugendverband „Die Falken“ und ein Buchhändler. In dieser Sache stehen noch keine Gerichtstermine fest. ar
Beitragsfoto: Strafgericht in Berlin-Moabit (ehemals Tiergarten). Foto: Taxi Times