Bei der vierten Sitzung des Ausschusses für Mobilität im Abgeordnetenhaus am 16. März nahmen die Taxiprobleme am Flughafen BER einen breiten Raum ein. Über die derzeitige Situation besteht parteiübergreifende Unzufriedenheit.
Bei den Laderechten für Taxis am Flughafen BER sehen alle sich alle Fraktionen sowie die Gewerbeverbände, die ihre Vorsitzenden als Experten in die Anhörung geschickt hatten, von einer für Berlin befriedigenden Lösung weit entfernt.
FDP-Verkehrspolitiker Felix Reifschneider nannte die aktuelle Situation nach wie vor unverständlich (im Video unten bei Minute 34:10) und bedauerte, dass LDS-Landrat Stephan Loge der Einladung zur Sitzung nicht gefolgt war. Harald Laatsch von der AfD bezeichnete ein uneingeschränktes Laderecht für Berliner Taxis am BER als alternativlos, nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern auch, da ansonsten eine Abwanderung von Unternehmern aus Berlin in den LDS drohe (36:44). Man könne daher nur mit dem Land verhandeln, nicht mit dem Landkreis (1:26:10).
Linke-Verkehrsexperte Kristian Ronneburg bezeichnete Laatschs Forderung als Konsens auch in der Koalition (38:17), wies aber auf die rechtliche Zuständigkeit des LDS hin. Das Problem müsse dennoch gelöst werden, wie es etwa am Flughafen München gelungen sei. Das Land Berlin dürfe „nicht locker lassen“, um zu einer „möglichst solidarischen Lösung“ mit dem LDS und den dortigen Taxiunternehmen zu kommen. „Kleinstaaterei“ könne man sich nicht leisten. Aufgrund der Eigentumsverhältnisse sieht er auch das Land Brandenburg in der Pflicht gegenüber dem LDS.
Stephan Machulik (SPD) bezeichnete es als nicht nachvollziehbar, dass LDS-Landrat Loge weder persönlich erschienen war noch einen Stellvertreter geschickt hatte (1:03:42). Dies zeuge von „großem Desinteresse des Landkreises, mit uns eine Lösung zu finden“. Jaraschs Haltung, sowohl das brandenburgische Infrastrukturministerium als auch den Bund einbeziehen zu wollen, begrüßte er.
Für Grünen-Verkehrspolitiker Werner Graf, der in den Koalitionsverhandlungen selbst als möglicher Senator gehandelt worden war, ist das Taxi ein wichtiger Teil der Mobilitätswende und sei daher zu stärken (1:17:00). In einer Vereinbarung mit einem Landkreis sieht er keine Verpflichtung, weitere Landkreise einzubeziehen. Die richtige Adresse für eine Vereinbarung sei aber – entgegen Jaraschs Ansicht – nicht das Land, sondern der Landkreis.
Leszek Nadolski, Erster Vorsitzender der Innung des Berliner Taxigewerbes e. V. war als einer von zwei Experten zum Thema geladen (42:10). Er beklagte, LDS-Landrat Loge weise dem Berliner Gewerbe praktisch immer eine zweitklassige Rolle zu, nicht nur in Situationen wie dem Bahnstreik, als man einen weit abgelegenen provisorischen Haltebereich zugeteilt bekam. Nadolski wünscht sich „einfach eine faire Behandlung“, auch um der Kundschaft Transparenz bieten zu können.
Nadolski beobachte neben der schlechten wirtschaftlichen Allgemeinsituation („wir verlieren täglich ein bis zwei Fahrzeuge“) zudem eine Zuspitzung der Situation am BER. An den Nachteilen für das Berliner Taxigewerbe hätte sich nichts wirklich geändert. Die „1:1-Regelung“ an der BER-Schranke führe dazu, dass Berliner Taxifahrer auf dem Wartespeicher in der Regel um ein Mehrfaches länger warten müssen als Kollegen aus dem LDS.
Boto Töpfer, Erster Vorsitzender des Taxiverbandes Berlin, Brandenburg e. V. (TVB) und ebenfalls als Experte geladen (46:22), belegte die derzeitige „unsinnige Regelung“ mit Zahlen: Praktisch 100 Prozent der LDS-Taxis, aber nur ausgeloste sechs Prozent der Berliner Taxis haben die Berechtigung, sich am BER bereitzuhalten, was zu unzähligen Leerfahrten führe. Bei hohem Fahrgastaufkommen am Terminal bilden sich lange Warteschlangen, „weil Taxis fehlen und auch nicht schnell genug herangeführt werden können“. Das Problem sei mit einer Ladeberechtigung für alle Berliner Taxis sofort zu beheben. Trotz allem dürfe man Loge nicht zum Buhmann machen, da er den Interessen der Unternehmer im LDS verpflichtet sei, die er korrekt und rational gemäß Personenbeförderungsgesetz vertrete (1:28:08).
Töpfer, der die Idee eines gemeinsamen Pflichtfahrgebietes für Berlin und den Landkreis Dahme-Spreewald (LDS) darlegte (1:32:23), sagte, den größten Gewinn bei Einführung eines solchen gemeinsamen Pflichtfahr- bzw. Tarifgebietes würde die Umwelt machen, da vermiedene Fahrten tausende Tonnen CO2 bzw. Strom aus knappen erneuerbaren Energien einsparen würden.
Senatorin Jarasch dankte Nadolski und Töpfer für ihre Erklärungen und bestätigte, die geschilderten Probleme seien für Fahrgäste, Fahrer, Unternehmer und die Umwelt „maximal unbefriedigend“ (51:10). Die vielen Leerfahrten könne man nicht hinnehmen, sei aber nun mal auf eine Einigung mit dem LDS angewiesen, ansonsten „geht gar nichts“. Auch sie sehe, dass die vermeintliche Verbesserung durch die Erhöhung der Ladeberechtigungen „ein Stückweit ins Leere“ laufe, da häufig LDS-Taxis am Flughafen fehlen würden.
Sie beklagte, obwohl der Flughafen „kein kommunales Unternehmen“ ist und man sich ein stärkeres Engagement des Landes Brandenburg wünsche, werde man von der brandenburgischen Landesregierung „immer wieder an den Landkreis verwiesen“. Dies wolle sie auf einer für Ende März geplanten Kabinettssitzung beider Länder zur Mobilität ansprechen. Spätestens beim Thema Fiskaltaxameter, den etliche Berliner Beteiligte den brandenburgischen Taxis auferlegt sehen möchten, komme notwendigerweise die brandenburgische Landesregierung ins Spiel. Zudem müsse man „wegkommen vom mühsamen Verhandeln nur über die Zahl“ der Ladeberechtigungen, die doch immer begrenzt bleibe. Eine Erweiterung der Optionen wie etwa ein gemeinsames Pflichtfahrgebiet könne eher eine Lösung bringen.
Verkehrsexperte Oliver Friederici (CDU) begrüßte den „konstruktiven Richtungswechsel“ Jaraschs gegenüber der „Marktgläubigkeit“ ihrer Vorgängerin Günther (57:11) – ein Seitenhieb, für den Jarasch den Oppositionspolitiker auslachte (1:48:50). Boto Töpfers Idee birgt nach Friedericis Einschätzung sowohl Chancen als auch Risiken. Da 75 bis 80 Prozent des Schönefelder Fluggastaufkommens auf Berlin entfielen, müsse Berlin auch den Anspruch auf einen entsprechenden Anteil des Umsatzes im Taxigeschäft erheben. Zur Durchsetzung brachte er als mögliche Drohkulisse ein Einfahrverbot von brandenburgischen Taxis in das Land Berlin ins Spiel – was aber niemand wollen könne. Er warnte davor, andere Landkreise könnten im Falle einer von Töpfer vorgeschlagenen Einigung eine Einbeziehung verlangen.
Töpfer sah derartige Forderungen hingegen nicht als Gefährdung des Gewerbes an, sondern als erstrebenswerten weiteren Schritt, da auch Taxis aus Potsdam und Umgebung bislang leer zurück fahren müssen, wenn sie am Flughafen Fahrgäste abgesetzt haben. Auch eine Abwanderung von Betrieben befürchte er nicht. Es müsse „nur“ Wettbewerbsgleichheit hergestellt werden.
Beitragsfoto: Abgeordnetenhaus von Berlin (Screenshot aus der Mediathek)
Die komplette Sitzung des Ausschusses für Mobilität im Abgeordnetenhaus von Berlin vom 16.3.2022 ist hier zu sehen.
Der inhaltliche Teil beginnt bei Minute 2:42 mit dem Thema Taxitarif.
Nach diversen anderen Verkehrsthemen folgt Punkt 2 der Tagesordnung mit dem Thema und allen weiteren Taxithemen BER bei 30:59.
Bezüglich der Zusammenlegung der Genehmigungsgebiete sei der Hinweis auf Stuttgart erlaubt, wo dies schon vor 40 Jahren durchgeführt wurde.
Da könnte man sich doch sicher ausreichend über die langfristigen Folgen informieren.