Erwartungsgemäß haben heute die Mitglieder des Deutschen Bundestags mit den Stimmen der Ampelkoalition (SPD, Grüne und FDP) und der Linken das „Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung“ beschlossen. Im Taxigewerbe führt das zu Tarifanpassungen.
Die noch nötige Zustimmung durch den Bundesrat gilt als sicher. Damit gilt ab 1. Oktober 2022 ein gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde. Die Minijob-Grenze wird von 450 Euro auf 520 Euro erhöht. Aktuell liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 9,82 Euro, zum 1. Juli wird er auf 10,45 Euro angehoben. Mit den nun beschlossenen 12 Euro ab 1. Oktober tritt eine Steigerung von rund 22 Prozent im Vergleich zum Jahresbeginn ein.
Das Taxigewerbe zählt zu denjenigen Branchen, die größtenteils auf Basis des Mindestlohns agieren. Um das aufzufangen, müssen daher die Taxipreise angepasst werden. Da jedoch Taxitarife von den Kommunen genehmigt werden müssen, laufen derzeit in nahezu allen der über 800 bundesweiten Tarifgebiete entsprechende Anträge auf Tariferhöhung.
Die Branche drängt darauf, dass die Bearbeitungszeit, die sich üblicherweise über mehrere Monate erstreckt, entsprechend verkürzt wird. Unterstützung erhielt das Gewerbe dabei von Bundesverkehrsministerium in Form einer Rundmail an die „Ministerinnen und Minister für Verkehr der Länder“. Staatssekretär Oliver Luksic formuliert darin die Bitte, „die aktuellen Anpassungen der Taxitarife in diesem Jahr besonders zügig und in ausreichendem Umfang vorzunehmen“.
Die Appelle kommen größtenteils an, in vielen Städten und Landkreisen sind bereits Tarifanpassungen umgesetzt, anderswo stehen sie kurz vor dem Abschluss. Es gibt aber auch zahlreiche Landkreise, in denen der Prozess noch stockt, entweder, weil die zuständigen Politiker gegen eine Erhöhung sind, manchmal aber auch, weil sich die Taxiunternehmer untereinander nicht auf eine Höhe einigen können. Dort sind dann die Genehmigungsbehörden mit unterschiedlichen Anträgen und Stellungnahmen konfrontiert. jh
Beitragsfoto: Deutscher Bundestag, Tobias Koch
Seit 1968 bin ich Taxiunternehmerin in Hamburg. Zunächst nur mit 1 Taxe selbstfahrend seit vielen Jahren nun mit 6 Taxen und langjährigen Angestellten. Schon immer bekommen unsere Fahrer außer
dem Mindestlohn – je nach Einnahme – zusätzlich Bonuszahlungen so dass sie letztlich 45 % von den Nettoeinnahmen als Bruttolohn bekommen. Wer zuverlässig und fleißig ist muss auch an den Einnahmen partizipieren! Aber leider gibt es auch Fahrer die während der eigentlichen Arbeitszeit
nicht wirklich für die Firma arbeiten. Das kann man in einer Stadt wie Hamburg nicht kontrollieren.
Deshalb war es schon immer fairer – je nach Einnahmen – 7 % MwSt abzuziehen und von diesen Einnahmen 45 % als Bruttoverdienst zugrunde zu legen. Das spornt auch jeden an effektiv zu arbeiten. Ob das allerdings bei 12,00 € Stundenlohn noch gelingt wirtschaftlich zu arbeiten ohne in
finanzielle Schwierigkeiten zu kommen ist sehr fraglich. Der Unternehmer soll ja möglichst auch noch ausschließlich Elektrotaxen anschaffen. Ehrlich gesagt bin ich in Sorge!
Es ist richtig zu denken, dass Menschen mit dem Ertrag Ihrer Arbeit ihr Leben finanzieren können, aber das ist auch bei der Erhöhung auf einen Mindestlohn von 12,00 € nicht wirklich möglich.
Um Mindestlohn zu zahlen, muss der dafür notwendige Betrag auch mit entsprechendem Umsatz erwirtschaftet werden. Da gerade im Personenbeförderungsgewerbe keine horrenden Gewinne erzielt werden, sind Kostenerhöhungen beim Lohn von 22 % ohne Preiserhöhungen nicht zu stemmen.
Das führt nun auf der einen Seite dazu, dass die höheren Preise von vielen nicht mehr gezahlt werden können. Durch diese Umsatzrückgänge verlieren Fahrer ihre Anstellung und verschlechtert sich für den Bürger die Möglichkeit des zeitnahen Beförderns. Die Bereithaltungskosten für Standzeiten sind mit dem Mindestlohn nicht mehr zu stemmen.
Damit alleine schon hilft die Erhöhung des Mindestlohnes nicht wirklich dem Fahrer.
Im Weiteren ist nun zu beachten, dass unsere Steuergesetze so angelegt sind, dass mit jedem Euro, den wir Brutto mehr erhalten, der Prozentsatz (Steuerprogression), der vom Bruttolohn abgezogen wird, steigt. Das heißt, der Betrag der Steuer wird nicht nur höher, weil der Bruttolohn steigt, sondern auch der Prozentsatz, der hierfür benutzt wird, steigt.
Die Zeitschrift Focus hat im Jahr 2015 (als der Mindestlohn eingeführt wurde) ein Rechenbeispiel veröffentlicht. Hiernach bleiben bei einem damaligen Jahreslohn von 20.000,00 € 62 % Netto = 12.400,00 € übrig, bei einem Jahresbruttolohn von 22.000,00 € sind es nur noch 58 % = 12.760,00 € übrig. Bei 2.000,00 € jährlich bleiben also gerade einmal 360,00 € real mehr.
Dafür werden dann alle Preise entsprechend angehoben, sodass tatsächlich bei mehr Lohn dem einzelnen weniger bleibt. Ein weiterer Effekt ist, dass ja dann auch alle anderen Löhne entsprechend steigen, und da auch diese durch Umsatz erwirtschaftet werden, müssen die Preisschraube sich immer schneller dreht.
Auch an der jetzigen Erhöhung verdient nur einer wirklich = Der Staat füllt seine Kassen durch höhere Steuereinnahmen.
Zusätzlicher Effekt: Es muss weniger „Aufstockung“ bezahlt werden. Diese Menschen, für die der Mindestlohn ja auch als Segen „verkauft“ wird, haben ja nicht wirklich mehr, sondern erreichen durch den Mindestlohn jetzt selbst die Summe, die Ihnen bisher nur mit „Aufstockung“ zur Verfügung stand.
Statt eines solchen massiven Eingriffs, in die Tarifgestaltung der Unternehmen vorzunehmen, wäre ein gerechteres Steuergesetz für alle ein wirkliches Mehr.
Statt Besserverdiener (und schon bei 60.000 € Jahreseinkommen ist der Spitzensteuersatz von 42 % fällig) gegen „Geringverdiener“ aufzuhetzen, sähe eine gerechte Lösung eher so aus, dass der Einstieg in die Steuerpflicht später einsetzt und langsamer ansteigt, damit sich Arbeit auch auszahlt und der Mittelstand, der seit 1945 die meisten Arbeitsplätze geschaffen hat, erhalten bleibt.
Statt mit höheren Zwangslöhnen zu blenden, mit Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit dem einzelnen mehr zu lassen. Mit der jetzigen Lösung ist nicht wirklich eine soziale Wohltat vollbracht, sondern die kleinen und mittleren Einkommen haben noch weniger.
Ich denke schon, dass man mit Zahlen sorgfältig umgehen muss: Und so gibt es keine „Kostenerhöhungen beim Lohn“ von 22 %. Der ML steigt ja von 10,45€ auf 12€. Oder ist etwas anderes gemeint?
Desweiteren werden sogar von Verbandsseite Erfahrungswerte vermittelt, dass regelmäßige Tariferhöhungen nicht zwangsläufig zu Auftragsrückgängen und somit Umsatzeinbußen führen.
Die Diskussion und Kritik an der Steuergesetzbung mag notwendig sein. Sie ist aber gleichzeitig ebenso müßig, da sich offensichtlich keine politische Koalition entscheidend um Änderungen bemüht. Demnach ist es so, wie es ist. Vermeintlich „schlechte“ Steuergesetze dürfen kein Argument sein, keine Mindestlohnerhöhungen vorzunehmen, da dem Arbeitnehmer*in deshalb eh‘ nur wenig mehr im Portemonnaie bleibt. Und – mit Verlaub und Verweis auf das Beispiel – 360€ mehr auf der Tatze im Niedriglohnsektor klein zu reden und von „Zwangslöhnen“ zu schreiben, ist schon ein Schlag ins Gesicht aller angestellten Taxifahrer*innen – gerade weil sich die Preisspirale momentan völlig unabhängig von Lohnerhöhungen dreht. Und es wird argumentativ nicht besser, wenn Lohn für Arbeit und aufstockende Sozialleistungen zum Leben in einen Topf geworfen werden. Wären niedrigere Löhne und weiter zusätzlich aufstockende Leistungen die Alternative? Das kann es nicht sein, zumal der Ausstieg aus der Aufstockung ein Einstieg in viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sei kann.
Mir geht es auch nicht darum, den Taxifahrern und Fahrerinnen weniger Geld in die Hand zu drücken, sondern ich kann die „Beweihräucherung“, wie toll das doch alles ist und dass alle doch jetzt sooooo viel mehr in der Tasche haben, nicht mehr hören. Diesen sozialen Heiligenschein, den unsere Politiker in jedes Rampenlicht hineinhalten. Tatsächliche Mehreinnahmen sind real nicht dort vorhanden, wo sie hingelobt werden. Ich will auch nicht 360,00 € pro Jahr, also 30 € pro Monat nicht beschämen, aber sich für einen solchen Betrag auch noch feiern zu lassen…….
Ich habe ja auch nicht von niedrigeren Löhnen und weiterhin Aufstockung gesprochen, sondern von wirklicher Entlastung durch Änderung der Steuerprogression. Mal auszusprechen, was wirklich etwas ändern könnte, statt sich blenden zu lassen von sich bejubelnden Politikern. Damit, es auszusprechen, werde ich wahrscheinlich nix ändern, aber vielleicht denkt der eine oder andere mal nach und je mehr es aussprechen, desto eher könnte sich vielleicht doch was ändern…
OK für den Mindestlohn, aber dann auch ok dafür, dass die Tarife, die ja den Umsatz erwirtschaften müssen, steigen. Und auch der selbstfahrende Unternehmer sollte sich für seine Arbeit den Mindestlohn Wert sein.
Ja, wir werden damit weniger Fahrgäste haben, aber es ist eine Milchmädchenrechnung, wenn ich denke, mit gleichem Preis und steigenden Kosten kann die Anzahl der Fahrten den Gewinn erwirtschaften, den auch der selbstfahrende Unternehmer braucht, um seinen Betrieb ordentlich zu führen und für seine Zukunft vorzusorgen.
Ja, die Fahrgäste werden sich überlegen, ob die Fahrt noch möglich ist, aber auch da sollte man sich mal überlegen, warum fahren die Menschen Taxi/Mietwagen? Weil sie dem Fahrer und/oder Unternehmer etwas gutes tun wollen und es so schön ist sich kutschieren zu lassen…….oder doch wohl eher, weil die Fahrt in dem Moment notwendig ist, um zum Bahnhof, zum Arzt, nach Hause oder, oder zu kommen ……..
Und noch ein Wort zu Uber und Co: Auch dort werden die Preise steigen müssen. Die Unternehmer, die für diese „Vermittler“ fahren, haben genauso steigende Kosten und die Investoren von Uber wollen auch nicht weitere Jahre nur Milliarden-Verluste finanzieren.
Ach ja und die 22 % ergeben sich aus der gesamten Steigerung in diesem Jahr: 9,82 / 10,45 / 12,00 €, siehe oben im Artikel.
Nach deiner Logik müssten dann nun die Tarife mindestens um 22 % steigen. Nach meiner Überlegung haben wir bei einer Erhöhung von etwa 10 %, ca. 20 % weniger Fahrgäste. Die Kunden werden weiter alternative Anbieter nutzen. Diese alternativen Anbieter gab es früher nicht. Ein Willkommensgeschenk an Uber/Freenow. Die hier immer genannten Finanzierungprobleme des Fahrpersonals im Taxi, scheint diese Konkurrenz nicht zu kennen. Ob es wirklich nur an der Rechenschwäche der Unternehmer liegt? Ist es nun so, dass selbstfahrende Taxiunternehmer einen dadurch ausgelösten Tarifanstieg ausbaden müssen, damit Fahrpersonal von Mehrwagenunternehmern immer mehr das Taxi verteuern, die dann aber trotzdem niemals mehr auf einen grünen Zweig kommen, weil es vorn und hinten nicht mehr reicht?
Hallo Herr Kehren, danke für Ihren Leserkommentar. Laut Ihrer Argumentation benötigen selbstfahrende Einzelunternehmer keine Tariferhöhung. Können Sie uns schlüssig erklären, zu welchen Stundenlohn der selbstfahrende Einzelunternehmer dann fahren soll?