Zum Neustart nach dem Sommer konnte das spannende Dialog-Format TMVdirekt Professor Dr. Andreas Knie aus Berlin verpflichten. Der Mobilitätsforscher hatte vor kurzem in viel beachteten Statements die Integration des Taxis in ein neues 29-Euro-Ticket gefordert. Nun stellte er seine Idee auch der Taxi- und Mietwagenbranche vor.
Der Berliner Sozialforscher Professor Dr. Andreas Knie ist einer der beiden Köpfe der Forschungsgruppe „Digitale Mobilität“ des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und macht regelmäßig mit vermeintlich unorthodoxen Ideen zur Zukunft der Mobilität auf sich aufmerksam. Dr. Knie protegiert schon seit einiger Zeit die konsequente Digitalisierung der gewerblichen Fahrgastbeförderung und hat sich dabei in der Vergangenheit nicht nur Freunde in der Branche gemacht, da er dabei auch On-Demand-Verkehre und Pooling-Lösungen wie beispielsweise auch das Angebot von CleverShuttle stets sehr aktiv unterstützt hat.
In seiner Analyse zum 9-Euro-Ticket hat er sich nun in verschiedenen Interviews für die Integration des Taxis in ein von ihm favorisiertes Folgeprojekt für 29 Euro stark gemacht, mit dem er dann auch eine Beförderung auf der letzten Meile gewährleisten will. Auch wenn er in der langfristigen Zukunft hier eher selbstfahrende Fahrzeuge sieht, erkennt er doch für die kommenden Jahre zunächst einmal ein enormes Potential für Taxi und Mietwagen. Allerdings bedarf es seiner Einschätzung nach zunächst noch der Erledigung einiger Hausaufgaben seitens des Taxi- und Mietwagengewerbes, um diese Verkehrsform wirklich attraktiv zu machen.
„Taxi ist grundsätzlich das bessere Auto“ lautet seine These, denn die Städte bieten einfach nicht mehr genug Platz für private PKW und zumindest in der Fläche können ÖPNV-Angebote gleichzeitig den immer individuellen Bedürfnissen der Gesellschaft nicht mehr gerecht werden. Es gibt immer größere Flotten und einfach viel zu viele Autos, aber es bedarf einer intelligenten Strategie, um aus dem Dilemma zu entkommen.
Für die heutigen Best-Ager ist das Auto noch ein wichtiges Statussymbol, aber in einer postmodernen Gesellschaft verliert der noch säkularisierte Privat-PKW wahrscheinlich zunehmend an Wert. Noch werden über achtzig Prozent aller Wege mit privaten PKW zurückgelegt, aber junge Menschen haben oftmals gar kein Interesse mehr daran, sich an diese Verkehrsform zu binden.
Zusätzlich wird die private PKW-Rechnung bis heute allein deswegen schon irregulär beschönigt, weil niemand die Kosten für den Parkraum mit einbezieht, der selbstverständlich individuell in Anspruch genommen, aber von der Gesellschaft finanziert wird. Trotzdem kommen wir nach Ansicht von Dr. Knie nur aus dem Dilemma, indem wir das vergehende Kulturgut Auto mit etwas Besserem ersetzen. Und da bietet sich das Taxi schon allein deshalb an, weil es schon da und entsprechend bekannt ist. Aktuell hat das Taxi allerdings noch das Image eines Luxusgutes, welches vor allem von reichen Menschen genutzt wird, es ist daher einfach nicht sexy genug.
Dieses Image des Luxusgutes wird dem Wert des Taxis aus seiner Sicht dabei aber absolut nicht gerecht, stellt Dr. Knie klar. Ein Taxi kostet grob kalkuliert vielleicht 2 Euro pro Kilometer und ist so weit günstiger als jeder Bus, der selbst als konventionelles Dieselfahrzeug schon mit ca. 3,50 pro Kilometer zu kalkulieren ist. Wird er dagegen elektrisch betrieben, werde dies schnell mehr als 4 Euro pro Kilometer. Die immer individuelleren Bedürfnisse der Menschen aber machen ÖPNV-Angebote zum Auslaufmodell, denn das Angebot soll nach Wunsch der modernen Menschen dann verfügbar sein, wenn es gebraucht wird und nicht dann, wann der Fahrplan es will.
Erst durch ausschließliche Subvention des einen Angebotes gegenüber dem anderen entsteht der falsche Eindruck eines vermeintlichen Preisgefälles zugunsten des Busses. Solange ein Bus also nicht – beispielsweise durch Schüler – konsequent ausgelastet wird, sondern mit wenigen Fahrgästen unternutzt bleibt, wird ein poolendes Taxi ökonomisch und ökologisch immer die bessere Wahl sein. Es steht dem Taxi (und Mietwagen) also durchaus zu, sich stolz als „das“ ökonomische Massenverkehrsmittel der Zukunft zu präsentieren und dem Bus diesen Rang in Teilbereichen streitig zu machen.
Natürlich werden die ÖPNV-Unternehmen selbst nicht diejenigen sein, die die Integration des Taxis forcieren werden. Dr. Knie beschrieb deren Protagonisten dabei als Männer, die nach immer demselben Prinzip Geld ausgäben, welches ihnen gehört. Selbst grundsätzlich gute Ideen beispielsweise zum On-Demand-Verkehr seien so stets „ÖPNVisiert“ und damit ad absurdum geführt worden.
Hier sind nach seiner Einschätzung vielmehr die Aufgabenträger als initiierende Partner gefragt. Als Ergebnis seiner Forschungen fordert Dr. Knie die Reservierung von lediglich einem Prozent der Regionalisierungsmittel für die letzte Meile mit digitalisierten Poolingverkehren und geht davon aus, dass sich so ein großer Schritt zu einer moderneren Mobilität machen ließe. Um allerdings eine Realisierungschance zu erhalten, müssten diese Ideen so schnell wie möglich in die politische Debatte getragen werden, denn derzeit sei dort einfach nicht präsent, welches kostengünstige Potential das aktuell akut gefährdete Angebot Taxi und Mietwagen eigentlich in sich trage.
In der anschließenden Diskussion wurde dann jedoch auch schnell deutlich, wie dick die Bretter sind, die es noch bohren gilt, bevor Taxi und Mietwagen ihrer neuen Rolle gerecht werden können. Vor allem innerhalb des Gewerbes nimmt Dr. Knie dabei die größten Hemmnisse wahr, beispielsweise aufgrund einer Technologiefeindlichkeit vieler Akteure aus dem Gewerbe. Wo beispielsweise Kreditkartenzahlungen noch immer nicht zum Standard gehörten, sei auch keine Integration in eine digitalisierte Gesellschaft möglich. Zusätzlich bedarf es noch einiger guter Ideen, um diesen Pool nicht durch Fehlnutzungen versickern zu lassen. Haben die Kunden die freie Wahl zwischen Bus und Taxi, werden sie sich ansonsten natürlich immer für den Sekt gegen das Selters, also den Bus entscheiden. Dieser Problematik könne man jedoch eventuell mit einer Leistungs-Limitierung pro Person begegnen.
Insgesamt machte Professor Dr. Knie der Branche jedoch viel Mut, sich selbstbewusst ihren Platz in einer neuen Mobilität zu erobern und versprach ihr dabei seine Unterstützung. Ganz konkret zeigte er sich auch einer Einladung zur kommenden Taximesse in Essen im kommenden November gegenüber nicht abgeneigt, was natürlich ein tolles Zugpferd für die Öffentlichkeitswahrnehmung des Branchentreffs wäre. Bereits fest zugesagt ist die Teilnahme von Dr. Knie an der Taxi Driving Innovation am 28. September in Berlin. rw
Das Beitragsfoto entstammt dem Jahreskalender 2018 von New Yorker Taxifahrern. Foto: NYC taxi drivers 2018 calendar, Shannon and Philip Kirkman.
Alt bekanntes Problem. Wer sägt freiwillig an dem Ast, auf dem man sitzt. Gewerkschaften und Betriebsräte sorgen dann meist für den Rest.
Im Übrigen sollte dem Taxigewerbe grundsätzlich aber auch klar sein, dass die „Letzte Meile“ halt meist sehr kurz ist. Ich kann mir vorstellen, dass das so manchen „Kollegen“ die Beherrschung verlieren lässt. Schlimme Sache, die dem Taxigewerbe immer schon sehr geschadet hat und auch eine Ursache ist, dass es alternative Fahrdienste überhaupt gibt. Denn, die Wahl des Fahrgastes, welchen Fahrdienst er nutzen möchte, liegt nicht nur am meist günstigeren Preis, sondern daran, dass er sich nicht herabwürdigen lassen möchte und VORHER weiß, was die Fahrt kosten wird.
Die letzte Meile ist sehr kurz…sehr schön. Und somit ist es auch sehr richtig, dass wir Taxifahrer*innen das Problem sind – egal ob angestellt oder selbständig.
Dr. Knie bringt vieles offensichtlich auf den schmerzhaften Punkt. Knieschmerzen quasi. Auch, dass die Busse und Bahnen sich nicht gerne ihre Position streitig machen lassen werden. Ein Beispiel aus Oldenburg: Die Reaktionen von Verantwortlichen der Busgesellschaften, Behördenvertreter und Gutachter in verschiedenen Gesprächsrunden auf das Thema „Verbesserte Mitnutzung von Busspuren durch Taxen“ sind durchweg negativ und manchmal absurd – und dabei geht es noch nicht mal um Geld. Und so ist es oft frustrierend, dass die schöne, neue Welt der Verkehrswende immer woanders eingeleitet wird. Obwohl jeder weiß, dass diese immer nur lokal entscheidend auf den Weg gebracht werden kann.
Da nützt es dann auch nichts, dass zu gut gemeinten Gesprächsrunden, Taxigewerbevertreter aus der Landeshauptstadt eingeladen werden. Die können zu lokalen Problemen leider nix konstruktives beitragen. Das Thema wird dann ausgesessen, totgeschwiegen und „Weiterwurschteln wie bisher“ ist angesagt.
Richtig aber ist, dass die technischen Voraussetzungen geschaffen werden müssen.
Für eine Verkehrswende, bei der das Taxi adäquat mit einbezogen wird? Da kommen für mich die technischen Voraussetzungen, die ja sehr wahrscheinlich Geld kosten, erst an zweiter Stelle. Geld ist ganz offensichtlich nicht das Problem. Zuerst muss man den politischen Entscheidern, den Wortführern im ÖPNV („Busse und Bahnen“) und dem jeweils kommunalen Verwaltungsapparat ins Gehirn kriechen. Meinetwegen „sich nackig machen“- wenn es ums „Sexy-sein“ geht. (Die Bilder kriege ich jetzt nur schwer aus dem Kopf 😉
Und innerhalb des Gewerbes vor Ort muss man hinterm Steuer anfangen: Beim Personal und auch beim selbstfahrenden Unternehmer*in. Um beim Bild zu bleiben: „Hosen runter!“
Sonst klappt das mit der letzten Meile einfach nicht. Denn wenn die Entscheider uns zuerst nur die letzte Meile zutrauen, um zu gucken, ob das mit uns klappt, dann muss das 1A funktionieren. Dann wird vielleicht mehr draus.