Ein Taxiunternehmer hat in Eigenregie einen Plan zur Lösung zahlreicher Probleme im Taxigewerbe ausgearbeitet und am Rande der Taxi Driving Innovation verteilt. Er hat überwiegend positive Resonanz bekommen und Kontakte geknüpft.
Für die meisten war Hilmar Werner ein unbekanntes Gesicht, als er den Gewerbevertretern aus ganz Deutschland Ende September im Ullstein-Haus in Berlin-Tempelhof nach Absprache mit dem BVTM sein Papier in die Hand gab. In Zeitungsjungen-Manier pries er das Thema an: „Taxi- und Mietwagen-Krieg: Aufruf zur Qualitäts- und Tarif-Offensive!“ Wer den Text nicht schon per E-Mail erhalten hatte, griff spontan zu, oft mit Kommentaren wie: „zu dem Thema immer gerne“.
Als IHK-geprüfter Stadtführer für anspruchsvollere Kunden hat er klare Vorstellungen von einer guten Dienstleistung. Das, woran es seiner Ansicht nach hauptsächlich fehlt, um den Niedergang des Taxigewerbes aufzuhalten, hat er auf zehn Seiten zusammengefasst.
Einleitend schreibt Werner von „tödlichen Gegnern“ des Taxigewerbes, neben selbstfahrenden Autos vor allem die Mietwagen „und deren Dulder in der Regierung“, die es geschafft hätten, „die Aktivitäten von Uber & Co. durch die PBegG-Schlupfloch-Novelle zu ‚legalisieren’“. Hier helfe kein Schimpfen, auch Aufklärungsarbeit bei Politikern und Kunden sei nicht genug; man müsse auch vor seiner eigenen Tür kehren „und die eigene Leistung samt dem eigenen ‚Image’ aufpolieren – und zwar nicht nur für Werbezwecke, sondern so, dass wir real besser werden und unser Ruf beim Kunden nachhaltig steigt – auch bei den Meinungsmachern in den Medien und bei den ‚Entscheidern’ in der Politik“.
Dazu müsse man als erstes die häufige Kundenkritik ernstnehmen, egal, ob diese objektiv berechtigt sei: fehlende Hilfsbereitschaft, mangelnde Ortskenntnis und gefährlicher Fahrstil, absichtliche Umwege, eigenwillige Musik und private Telefongespräche am Steuer, aufdringliche Kontaktsuche oder kaum mögliche Verständigung mit dem Fahrer, ungepflegter Zustand des Fahrers und des Autos, schlechte Erreichbarkeit und unfreundliche Mitarbeiter bei Funkzentralen, nicht zuverlässig funktionierende Vorbestellungen und schließlich fehlende Möglichkeiten in Apps, Fahrer zu bewerten, um sie zu einer besseren Dienstleistung anzuspornen. Bei den Apps der Konkurrenz funktioniere letzeres im Wesentlichen ohne Probleme (wobei der Autor an dieser Stelle außer Acht lässt, dass auch zahlreiche Taxizentralen solche Fahrtbewertungen ermöglichen).
Die Sanktionen für imageschädigendes Verhalten wie das Nicht-Ausführen von Aufträgen seien viel zu lasch. Einen Funk-Kunden ‚im Regen stehen zu lassen’, wenn sich eine lohnendere Tour anbiete, dürfe sich nicht lohnen. Eine halbstündige Funksperre, die kaum länger dauert als die lukrative Fahrt zum Flughafen, sei zu leicht zu verschmerzen.
Von den gewerbeeigenen Taxi-Apps wünscht er sich nicht nur die Möglichkeit, Kunden zu bewerten oder zu blockieren, sondern vor allem bessere Möglichkeiten der direkten Kommunikation mit den Fahrgästen, um Probleme zu klären, besonders um sich gegenseitig leichter zu finden und so Fehlfahrten und Frust zu vermeiden, sowie allgemein laufende Verbesserungen in der Funktionalität und Geschwindigkeit, wie es bei Konkurrenz-Apps üblich sei. Diese würden viel häufiger aktualisiert und setzten Kritik und Anregungen schneller um.
Es gelte demnach zum Überleben des Taxigewerbes zwei große Aufgaben zu bewältigen: a) besser werden und b) dies auch kommunizieren.
Zur ersten Aufgabe regt Hilmar Werner eine echte Qualitätsoffensive an, für die er ein Segment namens „Top Quality Taxi“ vorschlägt, dessen Fahrer „einen garantierten Top-Qualitätsstandard bieten, die prioritär Aufträge vermittelt bekommen und prioritär bestellt werden können“; also eine Weiterentwicklung von bestehenden Ansätzen wie z. B. das „VIP-B-Modell“ in Berlin. Er nennt Stichworte wie Höflichkeit, Freundlichkeit, Konversation oder Schweigsamkeit, Sauberkeit, Geruchsfreiheit und Einhaltung der Vorschriften, die die Fahrer in „entsprechenden Verhaltenskursen“ vermittelt bekommen und auch praktisch üben sollen. Darüber hinaus müsse die abgeschaffte Ortskundeprüfung durch eine vom Taxigewerbe angebotene, „elementare“ Prüfung ersetzt werden, „die es dem Fahrer ermöglicht, zu verstehen, was der Kunde von ihm will, wenn dieser Vorstellungen zu Weg und Ziel äußert, die ihn in die Lage versetzt, in Notfällen wichtige Ziele verzögerungsfrei anzufahren (z. B. Krankenhäuser), und dem Kunden unterschiedliche Wege zu empfehlen (z. B. wenig teure Kilometer, aber lange Fahrtdauer vs. mehr teure Kilometer, aber kürzere Fahrtdauer)“.
Auch gehöre ein Mindestmaß an Deutsch- und Englischkenntnissen zu einem guten Fahrer, zweiteres zumindest in Großstädten (eine Ansicht, die schon oft formuliert wurde und in der Praxis trotzdem viel zu wenig funktioniert).
Darüber hinaus sei korrekte Kleidung ein Merkmal für eine professionelle „Corporate Identity“ eines Taxigewerbes mit einem „Chauffeur-Image“, vorzugsweise in den Farben Hellelfenbein, Schwarz oder Dunkelgrau, Gelb und Weiß und mit Taxi-Logo. Mit seinem eigenen Oufit versuchte er dies bei der Veranstaltung zu demonstrieren. Ein „neueres Fahrzeug der gehobenen Klasse“ runde das Bild des Top-Qualitäts-Fahrers ab.
Das alles ist von der Idee her nicht neu, funktioniert aber erfahrungsgemäß nur bedingt. Einen Grund dafür sieht Werner in der mangelnden Kontrolle: „Die besten Vorgaben taugen nicht viel, wenn ihre Einhaltung nicht überwacht wird.“ Er schlägt daher ein gewerbeeigenes Team vor, das die Fahrer mit vertraglicher Zustimmung stichprobenartig überwacht und ihnen „bei wiederholtem negativen Feedback seitens der Kunden“ das Qualitätssiegel aberkennt. Unrealistisch ist das nicht: In Österreich gibt es solche Kontrollen seitens der Wirtschaftskammern. Finanzieren müsse das Gewerbe die Kontrollen im eigenen Interesse selbst. Schließlich habe nur der Teil des Gewerbes mit hohen Qualitätsstandards eine Überlebenschance, denn das, was schlechte Taxifahrer bieten, würden Kunden bei Uber & Co. in gleicher Qualität oft billiger bekommen.
Die zweite große Aufgabe, die Verbesserung des durchwachsenen Rufs des Taxigewerbes, müsse dringend durch eine bundesweite, groß angelegte Werbekampagne in Angriff genommen werden. Man brauche sich nicht zu wundern, dass die Kundschaft in Massen zur unseriösen Konkurrenz abwandere, da diese auf allen Online-Kanälen, im öffentlichen Raum und im Radio mit permanenter Reklame präsent ist, während das Taxi dort kaum wahrnehmbar sei. Das Taxigewerbe müsse also aus eigener Kraft in die völlig vernachlässigte Werbung investieren, um besser im Bewusstsein der Verbraucher präsent zu sein.
Auch müsse öffentlich viel stärker über die „wuchernden, kriminellen Aktivitäten unserer lieben Konkurrenz“ mit ihren „asozialen Arbeitsbedingungen“ aufgeklärt werden, beispielsweise durch professionell produzierte Kurz-Videofilme auf YouTube. Wer im Taxigewerbe wirklich Geld verdiene, könne auch einen Teil dafür investieren, „der naiven Öffentlichkeit vor Augen zu führen, wie die ‚Kollegen’ ständig das Gesetz brechen, indem sie überall herumstehen und herumcruisen, wie die Kollegen ausgebeutet werden, wie sie damit nicht nur sich selbst, sondern indirekt auch andere ruinieren“. Auch für dieses Problem regt er Kontrollen an, auch, um an Beweise für juristisches Vorgehen zu kommen.
Um den „mörderischen, asozialen Dumping-Wettbewerb, der auf dem Rücken der Fahrer ausgetragen wird“, zu beenden, fordert Werner von Kommunen, „bundesweit konzertiert“ eine Tarifuntergrenze für Mietwagen festzulegen, die „deutlich höher liegt als der übliche Taxi-Tarif“. Paragraph 51 a des novellierten Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) lässt dies zu.
Schließlich regt Werner ein Verbot von Werbung für Mietwagen auf den Türen von Mietwagen und Taxis an, denn solche Werbung trägt seiner Ansicht nach dazu bei, dass Mietwagen wie Taxis benutzt werden. Über ein solches mögliches Verbot sprach Werner vor Ort mit Herwig Kollar, dem Präsidenten des BVTM. Kollar allerdings schätzte die Chancen der Durchsetzung als gering ein.
Hilmar Werner hat sein Papier nicht nur an die Teilnehmer der Taxi Driving Innovation verteilt, sondern zudem per E-Mail an zahlreiche Verkehrspolitiker aller Fraktionen im Bundestag und im Berliner Abgeordnetenhaus, an weitere Gewerbevertreter, an Wissenschaftler und an Medienvertreter verschickt. Gegenüber Taxi Times spricht er von fast ausschließlich positiven, wohlwollenden Reaktionen. „Auch, wenn verständlicherweise nicht alle Zentralenchefs begeistert sind, wenn man die Arbeit ihrer Zentrale kritisiert und sie zu Geldausgaben für Werbung überreden möchte, so habe ich doch hauptsächlich Zustimmung von Gewerbevertretern bekommen, die ich zum größten Teil aus diesem Anlass vor Ort kennengelernt habe. Mit einigen kam ich in interessante, freundliche Gespräche und rannte mit meinen Vorschlägen offene Türen ein. Ich merke allerdings, dass mir eines fehlt, das ich mir nicht so eben mal aneignen kann: der richtige Stallgeruch. Nicht jeder alte Hase lässt sich von einem Neuling gerne etwas sagen. Mir geht es aber ausschließlich darum, gemeinsam besser zu werden, und dazu möchte ich möglichst alle ins Boot holen und überzeugen, meine Kritik konstruktiv zu nehmen. Dass ich Mängel beim Namen nenne, schmälert ja nicht die Verdienste von Zentralen, die insgesamt eine gute Dienstleistung erbringen.“
Freundliche bis zustimmende, persönliche oder per E-Mail geschickte Reaktionen kamen unter anderem von Boto Töpfer, dem Vorsitzenden des Taxiverbandes Berlin, Brandenburg, Danielo Baltrusch aus dem Vorstand der Berliner Taxi-„Innung“, vom Berliner SPD-Fraktionsmitglied Takis Mehmet, vom Berliner AfD-Mitglied Christian Wirth, vom Berliner „Taxi-Soziallotsen“ Klaus Meier und von Hobby-Radiomoderatorin Sonja von Rein, Produzentin einer regelmäßigen Radio-Sendung mit Taxi-Themen und selbst Taxiunternehmerin.
Das Papier war nicht Werners erste Aktion in Sachen Qualität des Taxigewerbes. Als im Deutschen Bundestag heftig um die Inhalte der PBefG-Novelle gefeilscht wurde, brachte Werner, der früher unter anderem als professioneller Radiosprecher tätig gewesen war, in einer Radiosendung dem Publikum den Begriff „Uberisation“ näher – in einem Beitrag, der Hörspiel-ähnlich aufgemacht war und in Kooperation mit Taxi-Times-Redakteur Axel Rühle produziert wurde (hier ab Minute 14:30 zu hören). Ebenso veröffentlichte er detaillierte Texte zum Thema in der Taxi-Fachpresse.
Der Job beim Radio war nur eine von zahlreichen Tätigkeiten, die der 66-jährige gebürtige Münchner im Laufe seines Lebens ausgeübt hat. Er belegte die Studienfächer Philosophie, Kunstgeschichte, Religionswissenschaft, Sportwissenschaft/Anthropologie, Psychologie, Ethnologie und Archäologie. Statt zu promovieren, wurde er in den 1980er-Jahren als Wehrdienstverweigerer „professionell“ in der Friedensbewegung tätig, gründete die „Friedensinitiative Philosophie“ am Philosophischen Institut der Freien Universität FU Berlin und organisierte Aufklärungsveranstaltungen über die militärischen Spannungen dieser Zeit sowie Demonstrationen. Er arbeitete unter anderem als Ausstellungsführer, Schauspieler, Rundfunksprecher, Bausystemdesigner und Tragwerksplaner, Reiseführer, Autor und Übersetzer. Um seine freiberufliche Tätigkeit als Stadt- und Museumsführer zu ergänzen, machte Werner, der seit vier Jahrzehnten in Berlin lebt, vor zehn Jahren den Taxischein, später noch den Unternehmerschein und schaffte sich ein Großraumtaxi mit Panoramadach an, in dem er sowohl normale Fahrgäste von A nach B befördert als auch Touristen „mit optimalem Durchblick“ die Stadt zeigt. ar
Beitragsbild: Fotocollage Axel Rühle
Kann man den ganzen Text irgendwo nachlesen?
Liebe Frau Hennrich, als Premium-Abonnentin von Taxi Times können wir Ihren Wunsch gerne erfüllen. Wir haben Ihnen das Original-PDF per E-Mail zugesendet.
In Österreich sollte es solche Kontrollen geben, werden aber seit Jahren nicht gelebt!
Das ist leider die Wahrheit. Demnach müsste jedes Gesetzt, welches auf Schiene gebracht
wird, einmal hinterfragen, WER KONTROLLIERT ES, denn ein neues Gesetz ist zahnlos,
wenn es nicht kontrolliert wird und das ist zumindest in Wien so, dass es überhaupt KEINE
Kontrollen gibt – und das wissen die schwarzen Schafe und bauen ihre kriminelle Energie
weiter aus, wie zB. gefälschte Kennzeichentaferln ect. !
Für mich beginnt der Arbeitstag im Taxi so, dass ich mir überlege, welchen Businessdress
ich heute anzieh und nicht den verschwitzten Hoody vom Wochende! Damit beginnt es schon
einmal. Wer bei Qualität und Stil starten möchte, muss bei sich selber einmal anfangen!
Ich fahre seit 32 Jahren immer mit Anzug und Krawatte – meine Kunden brauchen sich für ihren
Fahrer nicht genieren, wenn er mit ins Restaurant geht!
Hallo Herr Hartmann,
Könnte ich auch die Gesamtausgabe bekommen.
Vielen Dank und viele Grüße
Jens Marggraf
Hallo Herr Marggraf, als Premium-Abonnent von Taxi Times können wir Ihren Wunsch gerne erfüllen. Wir haben Ihnen das Original-PDF per E-Mail zugesendet.
Bis auf den Dresscode (Anzug/Schlips und Kragen, die Kleidung sollte schon gepflegt, aber auch praktikabel sein, aber selbstverständlich keine Jogginghosen und Badelatschen, wie ich es schon bei Uber und co sehen konnte), kann ich alles unterschreiben.
Insbesondere Preisuntergrenzen für Mietwagen oberhalb des Taxitarifs wären sinnvoll, denn das ist der entscheidende Faktor für die massive Konkurrenz und Präsenz von UBER, (WITZ)Bolt und Frei NUN. Dazu kommt deren Preisdumping untereinander mit diversen Rabatten usw.
Also der Preis ist entscheidend und natürlich auch die „einfache“ digitale Verfügbarkeit übers Smartphone mit permanenter Werbeberieselung. Da passiert im Taxi, wie der Kollege treffend feststellt, viel zu wenig. Das kostet natürlich, könnte aber über einen Werbefonds und Taxifreundliche Unternehmen (Mercedes ist ja leider raus) ohne weiteres finanziert werden. Mir würden jedenfalls ne Menge Werbesprüche einfallen, z.B. „DAS TAXI – Schon lange da und an jeder Ecke verfügbar“
Dem Kollegen für seine Initative vielen Dank, mal schauen ob es was bewirkt, aber letzlich sind wir alle gefordert, auch im Alltag Qualität zu zeigen.
Johannes K
Eigentlich stand alles schon mal in einer hervorragenden DIN A 5 Broschüre des damaligen BZP bereits deutlich geschrieben, was die Kunden wollen und was ein Fahrer dafür tun muss.
Die musste man aber lesen und auch verstehen und nicht so umdeuten, dass man sich selbst nicht zu bewegen braucht. Würde man nach dieser Broschüre handeln, gebe es kaum noch Mitbewerber.
Was in den Text nur in einem Nebensatz erwähnt wird ist für mich einer der Hauptgründe das ich Taxis und auch Uber oder sowas nur benutze wenn es anders wirklich nicht anders geht: der Fahr-Stil. Mit den letzten beiden Taxifahrern war ich sehr zufrieden was der Fahr-Stil angeht. Habe aber auch leider schon mal die Erfahrung gemacht wie ein Taxifahrer 70 in einer 30er Zone gefahren ist, die Fahrt habe ich dann auch abgebrochen und bin den Rest gelaufen.
Und auch als Radfahrer mache ich immer wieder die Erfahrung wie Taxifahrer/Uberfahrer einen abdrängen oder viel zu dicht überholen.
Von einem Berufskraftfahrer erwarte ich halt einen besseren Fahrstil als von dem privaten Durchschnittsfahrer.