Als krönenden Abschluss unseres musikalischen Adventskalenders packen wir heute nochmal einen ganzen Sack voller Lieder aus – genauer gesagt vieler Versionen eines einzigen Hits: Das wahrscheinlich weltweit bekannteste Lied mit Taxi im Titel (wenn man von „Tijuana Taxi“ absieht) kommt aus den USA, allerdings von einer Kanadierin.
Die 1943 in einem winzigen Städtchen in Alberta geborene Roberta Joan Anderson erkrankte mit zehn Jahren an Kinderlähmung und kann seitdem ihre linke Hand nicht mehr mit voller Kraft bewegen. Trotzdem wollte sie Gitarrespielen lernen. Da das Mädchen sich mit 17 noch keine eigene Gitarre leisten konnte, musste zunächst eine Ukulele genügen. Später brachte Joni sich selbst das Gitarrespielen bei. Um ihre linke Hand so effektiv wie möglich einsetzen zu können, stimmte sie einige Saiten, die sie schwer greifen konnte, um. Daraus entwickelte sie laut Wikipedia später bei ihren selbst geschriebenen Liedern „ungewöhnliche Harmonie- und Strukturansätze“.
Mit knapp 18 ging sie nach Toronto, um Musik zu machen. Wie die meisten Musiker begann sie mit dem Nachspielen von Stücken, was aber aus urheberrechtlichen Befindlichkeiten teils auf Ablehnung stieß. So wurde sie selbst Liedermacherin.
Eine Begebenheit, die im heutigen Liedtext eine Rolle spielt: Als sie mit 20 schwanger wurde, verheimlichte sie das vor ihrer konservativen Familie und gab ihre neugeborene Tochter zur Adoption frei, „da sie nicht für das Kind sorgen konnte“, wie es in Wikipedia heißt.
1965, als sie 21 war, lernte sie einen Folksänger kennen, mit dem sie nach Detroit in den USA zog. Die beiden heirateten (seitdem heißt sie Joni Mitchell) und musizierten gemeinsam, trennten sich aber nach drei Jahren wieder. Da hatte bereits Joni Mitchells Karriere begonnen. Eines ihrer ersten Lieder, „Both Sides now“, eine folkige Cover-Version eines Popsongs von Judy Collins, wurde ein großer Erfolg. Sie wechselte bis in die 1970er-Jahre noch häufiger Wohnort und Lebenspartner.
Nicht ganz so oft abgekupfert, aber dennoch weltweit bekannt wurde ihr 1970 veröffentlichter Single-Hit „Big Yellow Taxi“, der es immerhin auf über 500 Interpretationen bringt. Eigentlich spielt das Taxi in dem Lied keine nennenswerte Rolle. Der Text wendet sich gegen Umweltzerstörung:
„Sie haben das Paradies gepflastert und einen Parkplatz angelegt, mit einem rosafarbenen Hotel, einer Boutique und einem schwingenden Hotspot.
Läuft es nicht immer so, dass du nicht weißt, was du hast, bis es weg ist?
Sie nahmen alle Bäume, stellten sie in ein Baummuseum und verlangten anderthalb Dollar, um sie zu sehen. Hey Landwirt, weg mit deinem Insektizid, Flecken auf meinen Äpfeln sind mir egal. Lass mir die Vögel und die Bienen, bitte!
Läuft es nicht immer so, … Sie haben das Paradies gepflastert …
Hör mal, gestern Abend hörte ich die Glastür auf- und zugehen, und ein großes gelbes Taxi nahm mein Mädchen mit.
Nun, läuft es nicht immer so, … Sie haben das Paradies gepflastert …
Ich will es nicht hergeben, warum willst du es hergeben? Warum willst du alles verschenken?“
Joni Mitchell selbst veröffentlichte das Lied einmal 1970 auf Single und LP und einmal 2007 als Studio-Versionen und 1974 als Live-Version auf offiziellen Tonträgern. Im Internet finden sich zahlreiche weitere Live-Videoaufnahmen.
Von den über 500 Cover-Versionen sei hier eine Handvoll bemerkenswerter erwähnt, wovon die meisten auf Youtube leider nur mit Ton, ohne Video, online gestellt worden sind. Die Texte entsprechen meist weitgehend dem Original, unterscheiden sich aber darin, wer genau vom großen gelben Taxi abgeholt wird. Mal ist es der „alte Herr“, mal der ausgediente Liebhaber, mal … hören und sehen Sie selbst!
Bereits Monate nach dem Erscheinen von Joni Mitchells Single trat die 21-jährige Deutsch-Britin Ireen Sheer mit einer Pop-Version im Fernsehen auf. Eine etwas rockigere Pop-Version veröffentlichte ebenfalls 1970 The Neighborhood. Beide Versionen werden von vielen als wesentlich eingängiger und gefälliger wahrgenommen als das Original. Im Folgejahr erschien eine im Latino-Folk-Stil gehaltene Instrumental-Interpretation von Percy Faith. 1973 nahm sich kein Geringerer als Bob Dylan des Songs an (klingt wie Bob Dylan, aber etwas verträumter). Eine Synthesizer-Version, die nach Commodore-Computer klingt, kam 1974 vom französischen Experimental-Musiker Claude Denjean. Eine Instrumental-Version namens „Freedom Taxi“, die aufgrund ihres Regga-Stils für etwas gute Laune sorgt, ist 1977 vom Jamaikaner Harold Butler veröffentlicht worden.
1980 kam aus Joni Mitchells Heimat Kanada eine leicht rockige Ballade mit anderer Melodie von BB Gabor, die anfangs etwas schwer in die Gänge kommt. Eine Sängerin, der eine außergewöhnlich schöne Stimme nachgesagt wird, war die Italienerin Mia Martini, die das populäre Lied 1983 in ihrer Muttersprache als „Taxi giallo“ interpretierte.
Solide rockig wurde das Lied Anfang der 1990er-Jahre von der britischen Band Elmerhassel eingespielt. Noch eine kleine Schippe Punk legten ein Jahr später, 1992, die Kalifornier von Pinhead Gunpowder drauf. Deutlich sanfter klang es 1993 bei der irischen Folk-Pop-Sängerin Moya Maíre Brennan (mit Video). Zwischen nah am Original und leicht rockig schwankt die Interpretation der amerikanischen Liedermacherin Amy Grant von 1995 (mit Video). Eine noch prominentere Musikerin hat das Stück 1997 weniger interpretiert als durch den Wolf gedreht und neu zusammengeknetet: Janet Jacksons akustisches Kunstwerk „Got ’til it’s gone“ ist ein Hiphop-Stück mit Joni Mitchells Gesang als Dauerschleife.
Eine Mischung aus Easy Listening und Latino-Pop mit leicht überdrehtem Gesang ist die 2002er-Version des amerikanischen Duos Lynn Pinto und David Nehls. Ein Jahr später nahmen ihre Landsleute, die Counting Crows mit Vanessa Carlton, eine sehr eingängige Soul-Pop-Interpretation mit Video auf. Ähnlich eingängig zuzüglich Gute-Laune-Faktor haben es 2009 die Kubaner Rhythms del Mundo feat. Aquila Rose & Idaña Valdes auf englisch und spanisch interpretiert.
2018 spielte die schottische Band Big Country das Lied in ihrem typischen Folkpop-Stil mit Streichern. Eine außergewöhnliche Mischung aus Latino-Pop und kühler Lounge-Musik mit einer Prise Funk kam 2018 aus Großbritannien von Jason Eli feat. Cherie Mathieson & Nathan Haines. Im selben Jahr erschien eine extrem ruhige Version von Amanda Palmer, Zoe Keating, Sean Ono Lennon und John Cameron Mitchell. In eine ebenfalls recht ruhige, dann aber folkrockige Richtung geht die 2020er Version der schottischen Tide Lines. Eine interessante Instrumentierung hat die 2021 eingespielte Version der englischen Mystery Jets. Wieder außergewöhnlich ist die 2022 erschienene Version der Niederländerin Inez Timmer, die das Stück als „Baas giele taksy“ in ihrer westfriesischen Muttersprache, die in den Niederlanden nur „Friesisch“ heißt, interpretierte (wird leider nur als Snippet angespielt).
Zwei Highlights am Ende: Die vielliecht radio- und YouTube-tauglichste, auf jeden Fall eine der gesanglich besten Versionen ist die der amerikanischen Rockband imy2 von 2020.
Ebenfalls ziemlich neu ist eine Live-Version einer kalifornischen Frauen-Band, die sich in den letzten Jahren von einer Freizeit-Spaß-Combo zu einer gefragten Cover-Band entwickelt hat und dauerhaft untheatralisch ansteckende gute Laune verbreitet: Die Rainbow Girls.
Beitragsbild: Screenshots aus YouTube-Videos der vorgestellten Interpreten
Alle Taxi-Songs des Taxi-Times-Adventskalenders finden Sie hier. Und damit frohes Fest! ar