Schon zum neunten Mal hatte der Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niederachsen (GVN) zum parlamentarischen Currywurstabend nach Hannover eingeladen. Mehr als dreihundert Gäste aus Politik und Gewerbe folgten dieser Einladung wieder gerne – wohl nicht nur wegen der leckeren Currywurst.
Gerade die gewollt lockere Atmosphäre im Brauhaus Ernst August schaffte auch beim ersten Currywurstabend nach Corona am vergangenen Mittwoch wieder die Basis für viele gute Gespräche, vor allem nach dem offiziellen Teil mit der Hauptrede von Olaf Lies (SPD), Niedersachsens Minister für Wirtschaft, Bauen, Verkehr und Digitalisierung. Immerhin waren neben Lies weitere rund neunzig Abgeordnete des niedersächsischen Landtages sowie Vertreter der Kammern, des Wirtschaftsrates, der Gewerkschaften, der Krankenkassen, des Bundesamtes für Logistik und Mobilität, des Bundes- und Landesarbeitsgerichts u. v. m. der Einladung des GVN gefolgt.
GVN-Präsident Mathias Krage (Beitragsfoto) begrüßte die Teilnehmer des hochrangigen Netzwerkstreffens und ging gleich zu Beginn auf zentrale Themen wie Energiekosten und die dramatische Lage am Personalmarkt ein. „Zunehmend berichten Kollegen, dass sie Aufträge nicht mehr annehmen können, andere tun sich den Stress gar nicht mehr an und geben auf.“ Krage forderte unter anderem Unterstützung beim Berufszugang, beim Führerscheinrecht, aber auch bei der Beseitigung bürokratischer Hürden für ausländische Arbeitskräfte.
Benjamin Sokolovic, Hauptgeschäftsführer des GVN, hatte Lob für Minister Lies im Gepäck, da dieser sich bei der kürzlichen Realisierung des neuen 49-Euro-Tickets sehr engagiert habe und dazu beigetragen habe, dass dieses nun bundesweit einheitlich zu abonnieren ist: „Herr Minister, Ihr persönlicher Einsatz hat bundesweit einen Flickenteppich verhindert.“ Diesbezüglich habe auch der GVN-Hilferuf nach einem Ausgleich ungedeckter Ausgaben bei Lies Gehör gefunden, was vom Publikum mit besonderem Applaus quittiert wurde.
Sokolovic kritisierte allerdings, dass Taxi und Mietwagen beim 49-Euro-Ticket außen vor blieben. Auch sei neben der Betriebshofförderung die Ungleichbehandlung zwischen Kommunalen und privaten Busbetrieben bei der Busförderung für den GVN nicht akzeptabel. „Damit werden die Privaten aus dem Markt gedrängt und der ländliche Raum abgehängt. So werden wir die Verkehrswende im Flächenland Niedersachsen nicht schaffen“, schrieb er Lies ins Lastenheft. Scharfe Kritik übte Sokolovic auch bezüglich inakzeptabler Bearbeitungszeiten für die Anpassung vieler Taxitarife. „Die Lage im Taxi- und Mietwagengewerbe ist sehr angespannt. Insbesondere die Personalkosten treiben den Mitgliedern Schweißperlen auf die Stirn. Wenn man weiß, dass Taxiunternehmen nicht Herr ihrer Preise sind, sondern diese bei über fünfzig Städten, Landkreisen und Kommunen beantragt werden müssen, sind jahrelange Bearbeitungszeiten existenzbedrohend, und in einem Großteil ist nicht einmal der aktuelle Mindestlohn von zwölf Euro eingepreist. Diese Trägheit ist eine Schande und absolut inakzeptabel. Das geht voll zu Lasten unserer Mitglieder und ihrer Mitarbeiter.“ Als Lösung forderte Sokolovic einen modernen und einheitlichen „Niedersachsentarif“. „Davon werden nicht nur Unternehmer und Mitarbeiter, sondern – durch mehr Transparenz – auch die Verbraucher profitieren“, so der GVN-Hauptgeschäftsführer.
Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies ging dann in seiner Hauptrede auf viele der von seinen Vorrednern angesprochenen Themen ein, konnte aber natürlich nicht allein politisch veranlasste Abhilfe versprechen. Trotzdem konnte er gewissen Optimismus verbreiten. Aus Sicht des Gelegenheitsverkehrs mit Taxis und Mietwagen war es allerdings besonders ärgerlich, dass Lies zwar die Möglichkeiten neuer On-Demand-Verkehrsformen als besonders relevant für die angestrebte Verkehrswende hervorhob, hier aber nicht die dafür wünschenswerte Kooperation mit den vorhandenen Anbietern aus den Regionen favorisierte. Hier hat das Gewerbe also noch viel Überzeugungsarbeit vor sich, wenn es nicht zwischen den überregionalen Playern zerrieben werden will.
In der Summe nahm Lies die Bedürfnisse und Sorgen des rollenden Gewerbes durchaus wahr und sicherte ihm Kooperation und Unterstützung zu. Gerade auf diese Nähe zu den politischen Entscheidungsträgern darf der niedersächsische Landesverband zu Recht sehr stolz sein, zumal diese Wahrnehmung zumindest für die Gelegenheitsverkehre mit Taxi und Mietwagen in vielen anderen Bundesländern fehlt.
Insbesondere, weil dieser Branche die wirtschaftsstarken Einzel-Player fehlen, die es auch allein leisten könnten, ihren Anliegen politischen Gewicht zu verleihen, ist es umso wichtiger, dass möglichst viele Unternehmen gemeinsam in einem Verband organisiert sind und zumindest darüber ihre Stimme erheben können. Hier leistet der GVN als Stimme des Taxi- und Mietwagengewerbes in Niedersachsen immer wieder hervorragende Arbeit.
Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies schloss mit den Worten: „Bleiben Sie, wie Sie sind: Anstrengend, konstruktiv und lösungsorientiert“ – eine Aufforderung wie maßgeschneidert für den Erfolg insbesondere der Gelegenheitsverkehre der Zukunft, sofern die Branche regelmäßig nicht nur dem ersten, sondern auch dem zweiten und dritten Adjektiv im Alltag vor Ort gerecht werden kann. rw
Beitragsfoto: GVN-Präsident Mathias Krage begrüßt die Teilnehmer
Fotos: Remmer Witte