Nach der Veröffentlichung des geplanten Anwendererlasses (AEAO) zur Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) Ende Juni hatte der TMV mit einem geharnischten Brief an Bundesfinanzminister Christian Lindner reagiert. Jetzt liegt die Antwort aus dem BMF vor.
Spätestens mit der Veröffentlichung des „Anwendungserlasses zu § 146a der Abgabenordnung“ (AEAO) zur KassenSichV Ende Juni (Taxi Times berichtete) machte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) der Taxibranche klar, dass ihr zum kommenden Jahreswechsel noch einmal großes Ungemach ins Haus steht. Ein wesentlicher Kritikpunkt vieler Gewerbevertreter ist zunächst die fehlende Einbeziehung der Wegstreckenzähler (WSZ) in die Umsetzungsanforderung zum 1. Januar 2024, die WSZ zunächst unbefristet davon ausgenommen hat. Zweiter wesentlicher Kritikpunkt ist die so kurzfristig mangelnde Umsetzbarkeit, denn noch kann die Industrie nicht einmal die technisch notwendigen Tools anbieten und hält eine flächendeckende Aufrüstung aller Taxameter innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters für unmöglich. Und last but not least sind diejenigen Insika-Nutzer enttäuscht, die über einen aktuellen, sich regelmäßig verjüngenden Fuhrpark verfügen. Entgegen der erwarteten Lösung gemäß der eigentlich doch schon beschlossenen zweiten Verordnung zur Änderung der KassenSichV können nun doch nur Fahrzeuge von der angebotenen zweijährigen Fristverlängerung zur Umsetzung der Neuregelung profitieren, die schon vor 2021 ausgerüstet waren. Bei jedem Fahrzeugwechsel erlischt die Ausnahmeregelung.
Der Taxi- und Mietwagenverband Deutschland e. V. (TMV) reagierte Anfang Juli mit einem Schreiben direkt an Christian Lindner, in dem die Gewerbekritik sehr unverblümt gegenüber dem Minister formuliert wurde. Wohl auch aufgrund der guten persönlichen Kontakte des ehemaligen FDP-Bundestagsabgeordneten und heutigen Bundesgeschäftsführers des TMV, Patrick Meinhardt, erfolgte nun trotz der Sommerpause schon recht zeitnah eine Antwort aus dem BMF.
Inhaltlich wesentlich ist in dem Schreiben, welches Taxi Times vorliegt, zu lesen, „dass die Bedenken des Gewerbes zur fristgerechten Umsetzung bei der Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden berücksichtigt und eine für alle Seiten befriedigende Lösung angestrebt“ werde. Ob man sich allerdings auf einer solchen doch recht allgemein formulierten Aussage ausruhen darf, zumal die abschließende Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gemäß BMF noch abgewartet werden müsse, erscheint mehr als fraglich.
Im Detail geht das Schreiben auf das bemängelte Fehlen einer Nutzungsoption von Insika-Taxametern auch in neueren Fahrzeugen ein. Dies sei in einem Maßgabebeschluss des Bundesrates begründet, der so ein Verkündungshindernis für die zweite Verordnung zur Änderung der KassenSichV geschaffen habe, in der die diesbezüglich geplanten Korrekturen enthalten waren. Ob dieses Verkündungshindernis oder zumindest die fragliche Problematik möglicherweise doch noch vor dem Jahreswechsel egalisiert werden könne, darüber schweigt sich das Minsterium aus. Es verweist vielmehr recht sybillinisch darauf, dass ein erneutes Verfahren zur Änderung der KassenSichV aktuell nicht zu erwarten sei. Dabei wäre ein solches Detail doch sicherlich auch anders als nur in Form einer Korrektur der kompletten KassenSichV zu reparieren, immerhin verzichtet man ja auch ohne entsprechende gesetzliche Grundlage ohne weiteres auf die Einbeziehung sämtlicher Wegstreckenzähler. Da sollte doch auch noch solch eine weitere kleine Ausnahmeregelung drin sein.
Im weiteren Inhalt des Schreibens ist zwischen den Zeilen zu lesen, dass das Gewerbe letztendlich doch genügend Zeit gehabt habe, eine sachgerechte Umsetzung der Anforderungen des BMF zu forcieren – und im Übrigen doch auch der eine oder andere Änderungsvorschlag aus dem Gewerbe berücksichtigt worden sei. Konkretisiert werden diese Änderungen allerdings nicht. Erwähnt werden nur die eine oder andere unterlassene Änderung.
Patrick Meinhardt und TMV-Vize Markus Gossmann als Adressaten des Schreibens reagierten entsprechend verschnupft auf die Stellungnahme des BMF und bemängelten vor allem, dass ihr Vorschlag für einen zeitnah zu realisierenden runden Tisch zum Thema in dem Schreiben nicht kommentiert wird. Auch kritisierten sie erneut die zeitliche Aktivitätsreihenfolge des BMF bei der Veröffentlichung der Maßnahmen. Tatsächlich waren die Verbände aufgefordert worden, bis zum 10. Juli Stellung zu den geplanten Maßnahmen zu beziehen. Gleichzeitig war die hier fragliche AEAO aber schon zum 30. Juni entsprechend unverändert veröffentlicht worden.
Ob dieser Fauxpas des BMF allerdings mehr als nur eine politische Ungeschicklichkeit war, bleibt unklar. Offensichtlich hatten an dem Erlass viele Protagonisten parallel bis kurz vor Veröffentlichung gearbeitet. Insofern erscheint diese Verzettelung zu Lasten der Branche letztlich beängstigender, da die Durchsicht einer übergeordneten Stelle offensichtlich zu kurz kam, als es eine vermeintliche Unhöflichkeit gegenüber den Verbänden gewesen wäre.
Zusätzlich bezeichnend ist, dass das BMF die im Erlass von der Umsetzpflicht zunächst ausgenommen WSZ in der vorliegenden Antwort nicht einmal erwähnt. Speziell zu diesem behördlichen Markteingriff wäre zumindest ein klares Statement wünschenswert gewesen, wenn man die Hoffnung auf Lobbyisten-befreite Entscheidungen nicht eh schon ganz aufgegeben hat. Sollte die Realität wirklich belegen, dass die neue KassenSichV technisch identische Geräte wie Taxameter und Wegstreckenzähler in ihrer AEAO unterschiedlich bewertet, obwohl beide der Bemessung von vielfach bar zu entrichtenden Fahrpreisen in der gewerblichen Fahrgastbeförderung dienen?
Entsprechend mahnen auch Meinhardt und Gossmann in ihrem Antwortschreiben an, dass Transparenz, Ehrlichkeit und faire Wettbewerbsbedingungen ganz oben auf ihrer Agenda stünden und sie dies auch von einer Regelung für EU-Taxameter und Wegstreckenzähler erwarten würden. Es dürfe hier durch eine Ausnahmereglung für Wegstreckenzähler nicht zu einer „Lex Uber & Co“ kommen, schreiben sie und setzen so weiter darauf, dass man im BMF das schon fast verschlossene Säcklein zu Lasten des Taxigewerbes doch noch mal aufschnürt. Schön wäre es. rw
Beitragsbild: Grafik Remmer Witte