Der Markteinstieg von Bolt in Graz als dritte österreichische Großstadt hat nur wenig Unruhe ausgelöst. Das Taxigewerbe kümmert sich um wichtigere Dinge, etwa das Voranbringen der Elektromobilität.
Wie Uber macht der estnische Anbieter Bolt in Taxi- und Mietwagenfahrten, Carsharing und Elektrorollern, seit 2017 auch in Österreich. Bislang ist Bolt hier in Wien, Salzburg und fünf Gemeinden zwischen 1.900 und 15.800 Einwohnern im Burgenland vertreten.
Seit letztem Donnerstag vermittelt Bolt nun auch in der Landeshauptstadt der Steiermark einen Teil der Taxifahrten. Wie die „Kleine Zeitung“ berichtet, ging der Start des Online-Riesen Bolt in Graz „beinahe unbemerkt“ über die Bühne – ähnlich wie der kürzliche Markteintritt von Uber in Innsbruck. Man sehe in dem neuen Anbieter lediglich „ein zusätzliches Angebot neben den heimischen 878, 2801 und dem zweiten, bekannteren Online-Riesen Uber“. Im Sommer hatte eine weitere Zentrale, die 889, ihren Dienst eingestellt.
„Das ist ein neuer Mitbewerber wie die anderen auch“, zitiert die „Kleine Zeitung“ Sylvia Loibner. Loibner ist Geschäftsführerin der Taxi 878 GmbH & Co KG, deren Funkgruppe mit 320 Wagen den Großteil der Taxis stellt, die im Großraum Graz unterwegs sind. Die Flotte ist mit der Geschäftsaufgabe des Mitbewerbers 889 noch gewachsen. „Und wir haben neben der Rufnummer seit Jahren die 878-App“, so Loibner. Damit bietet man wie Uber und Bolt auch Fahrten zu Fixpreisen an.
Der bekanntere Konkurrent Uber ist in Graz bereits seit Mai 2021 aktiv und hat sein Angebot kürzlich ausgeweitet: Vor gut einem Monat wurde „Uber Green“ gestartet, also Fahrten mit E-Pkw, dazu „Uber Pet“ für Fahrten mit Haustieren – Angebote, die im Taxigewerbe schon immer alltäglich sind. Demnächst will Uber sein Angebot in Graz um ein „Premium“-Segment erweitern und Fahrten in Limousinen der gehobenen Mittel- und Oberklasse, etwa Tesla oder 5er-BMW, anbieten. Solche Fahrten werden teurer sein als andere Uber- bzw. Taxifahrten.
Als Hintergrundinformation geht die „Kleine Zeitung“ auch auf die Gesamtsituation des Taxigewerbes ein: Man kämpfe noch immer mit den Nachwehen der Corona-Krise. Peter Lackner von der Wirtschaftskammer wird zitiert: „Vom Umsatz her sind wir bei 85 bis 90 Prozent im Vergleich zu 2019, vor Corona. Es hat sich gesellschaftlich einiges verändert, das Nachtgeschäft unter der Woche zum Beispiel ist ganz schwach. Das merkt man auch als Kunde, weil es da deutlich schwieriger ist, ein Taxi zu bekommen.“ Das Tagesgeschäft und das Wochenende entwickelt sich aber wieder gut.
Auch die Elektromobilität ist im Südosten Österreichs ein ebenso aktuelles Thema wie anderenorts. Der Umstieg auf E-Wagen werde von der Politik forciert. Lackner sagt, das sei ein Kostenthema. „Ein klassischer Hybrid kostet rund 28.000 Euro, ein E-Auto 40.000 aufwärts. Das geht nicht ohne Förderungen.“ Gefördert wird unter anderem die Ladeinfrastruktur: Im Rahmen eines Pilotprojektes werden in Graz künftig zehn E-Taxis, die neu auf den Markt kommen, über Platten im Boden der Standplätze geladen.
Die Konkurrenz durch Uber & Co. hat in Österreich seit der Novelle des österreichischen Gelegenheitsverkehrsgesetzes nicht mehr die Brisanz wie in Deutschland: Seit 2021 gibt es keinen Mietwagenverkehr mehr mit eigenen Regeln wie in Deutschland, sondern ein einheitliches Taxigewerbe mit gleichen Rechten und Pflichten.
Zudem ist Österreich nicht so flächendeckend mit Taxitarifen belegt wie Deutschland, da es hier weniger große Städte und folglich mehr Fahrten über Gemeindegrenzen hinweg gibt. Doch Graz – fast doppelt so groß wie Salzburg – ist eine 300.000-Einwohner-Stadt mit einem Taxitarif, der im Vergleich zu deutschen Tarifen recht fortschrittlich aufgebaut ist: Die Taxitarife der Steiermark enthalten seit der österreichischen Gesetzesnovelle einen halben Tarifkorridor. Soll heißen, bei bestellten Fahrten sind Festpreise zulässig, wobei eine Preis-Untergrenze gilt, die zwischen innerstädtischen Fahrten, Fahrten ganz oder teilweise außerhalb des Tarifgebietes und geteilten Fahrten (Ridesharing) unterscheidet. Obergrenzen gibt es für solche Fahrten nicht. Tarifgebiet ist das Gebiet der Statutarstadt (entspricht einer kreisfreien Stadt in Deutschland).
Ganz anders als die „Kleine Zeitung“ aus Graz „berichten“ die „Salzburger Nachrichten“ über den Markteintritt von Bolt in der Landeshauptstadt. Sie haben ein Interview mit Bolt-Österreich-Manager Farhad Shikhaliyev geführt, das stellenweise begeistert wie eine Werbung klingt: „Lange stand der Fahrtendienst Bolt im Schatten des US-Riesen Uber. Jetzt geben die Esten Gas. Graz ist neu im Programm – und bald ganz Österreich“, so die Einleitung. Leider ließ der Journalist sich überwiegend mit inkonkreten Pseudo-Antworten und hohlen Phrasen abspeisen, ohne auch nur im Geringsten kritisch nachzufragen.
Ein Phänomen, das man auch in deutschen Medien allzu oft beobachten kann. Für Österreich spielt diese journalistische Schlampigkeit allerdings keine große Rolle. Hier ist das in Deutschland nicht vorhandene „Level-Playing Field“ dank der rechtlichen Gleichsetzung von Taxis und Mietwagen längst eingetreten. ar
Beitragsbild: Symbolfoto Axel Rühle