Taxifahrer Christoph Triller wollte als junger Mann drei Monate mit Taxifahren überbrücken. Dann blieb er, wurde in Jahrzehnten zum Bonner Urgestein – und hat viel zu erzählen, woraus ein lesenswertes Buch entstand.
Kollegen über 45 denken beim Titel der Anekdotensammlung sofort an die Politiker der Kohl-Ära, noch ältere sogar an die der Schmidt- oder gar der Brandt-Ära. Dass niemand von jenen Persönlichkeiten, von denen nach dem Tod Wolfgang Schäubles nun gerade noch eine Handvoll am Leben ist, in den Erzählungen vorkommt, tut dem Lesevergnügen absolut keinen Abbruch. Jedenfalls so gut wie niemand. Ein paar Prominente kommen hier und da kurz vor.
Es geht aber vielmehr um die persönlichen Begegnungen mit … nun ja, mit „normalen“ Fahrgästen kann man auch wieder nicht sagen, denn in vielen der Geschichten sind es die außergewöhnlichen, verwegenen, schrulligen, verrückten Leute, die die Erzählungen aus ganzen fünf Jahrzehnten des Taxifahrerlebens interessant und lesenswert machen.
In den Geschichten, die ausnahmslos auf wahren Begebenheiten beruhen, findet sich der Taxifahrer, zumindest der, der die Nachtschichten kennt, an tausend Stellen mit seinen Gefühlen, seinen Fragen, seinen Unsicherheiten, seinem Ärger, seiner Freude und allem anderen wieder. Wie oft hat man es selbst erlebt, dass ein Fahrgast zuerst unsympathisch, seltsam oder gar gefährlich wirkt, und im Laufe der Fahrt verkehrt sich alles ins Gute. Nicht wenige Figuren in den Geschichten wirken im ersten Moment alles andere als vertrauenerweckend, werden aber später sogar zu Stammkunden. Im weniger günstigen Fall ist es umgekehrt.
Einig Begebenheiten beginnen beispielsweise mit einem Einsteiger an einem Bordell. Die Fortsetzungen könnten unterschiedlicher nicht sein. Einmal ist es ein Manager in feinem Anzug und Badelatschen, der seine außergewöhnliche Garderobe aber völlig plausibel erklärt, einmal eine volltrunkene Mitarbeiterin des Etablissements, einmal ein geheimnisvoller Südländer mit einer Tasche Bargeld, einmal zwei junge Frauen, die ihren Zug nach Südwesten verpassen und daraufhin kurzentschlossen … Felix de Luxe lässt grüßen, aber es soll nicht zu viel verraten werden.
Dabei haben viele der Erzählungen einen fesselnden Spannungsbogen. Da ist zum Beispiel die Assistentin des Kosmetikfabrikanten, die das tägliche Trinkgeld stets in Form von hochwertigen Pröbchen bezahlt, weshalb Christoph Triller eine Zeitlang als der wohlduftendste Taxifahrer von Bonn gilt – was aber nicht lange so bleibt.
Oder das polnische Ehepaar mit Kind, das in der Vor-Handy-Zeit seine deutschen Gastgeber nicht erreicht, hilflos dasteht und – auch diese Geschichte hat eine tolle Fortsetzung. Oder der weibliche Fahrgast, der Gefallen an dem jungen Taxifahrer findet und kurzerhand versucht, ihn für eine Nacht bei sich zu Hause einzusperren. Oder die Frau, die am Tag vorher einen gutaussehenden Fußballspieler kennengelernt hat und sich jetzt mit Hilfe des Taxifahrers auf die Suche nach ihm machen will. Oder der Amerikaner, der von der Sightseeing-Tour durch the German Hauptstadt so begeistert ist, dass er auch unbedingt noch schnell einen Abstecher … jetzt ist aber gut!
Die Geschichten sind fast immer interessant bis anrührend und nicht selten voller unerwarteter Wendungen. Man kann das Wechselbad aus Gefühlen nur allzu gut nachvollziehen, wenn beispielsweise eine Gruppe einsteigt, deren Mitglieder unterschiedliche Alkoholpegel, unterschiedliche Stimmungen und unterschiedliche Zieladressen haben, und man hofft, dass nicht gerade der unangenehmste als letzter im Auto übrig bleibt. Oder man hofft, dass der abgerissen wirkende, leicht schwankende Typ, der die Taxis vor einem am Halteplatz abklappert, nicht bis zum eigenen Taxi kommt. Dann steigt er doch ein, und es wird eine der besten Fahrten, die man je erlebt hat. Oder man fährt zu dritt eine Gruppe aus 12 Personen, und der vorausfahrende Leithammel bringt einen mit seinen dreisten Umwegen in größte Gewissenskonflikte.
Beim Lesen werden eigene Erinnerungen an viele Erlebnisse aus Taxifahrersicht geweckt, die man im Laufe der Zeit schon wieder vergessen hat, weil einem auch selbst immer wieder einmal außergewöhnliche Dinge passieren. Dann denkt man beim Lesen: „Dazu könnte ich jetzt eine wunderbare Ergänzung beisteuern; mir fallen dazu sogar noch zwei weitere Begebenheiten ein …“
Der Erzählband „Bonner Nächte im Taxi – 50 Jahre gelebte Geschichte(n)“ ist absolut kurzweilig und sowohl für Taxifahrer als auch für Normalsterbliche lesenswert, denn die Sprache ist klar, nüchtern und unaufdringlich, und die Begebenheiten sind ausnahmslos kompakt und bündig erzählt und nie langatmig oder übertrieben ausgeschmückt. Manchmal bedauert man, dass sie nicht länger sind. Das Wort Lesevergnügen ist absolut treffend. Es ist um keine einzige Minute Lesezeit schade und um keinen Cent des Kaufpreises. ar
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Beitragsbild: Buchcover Christoph Triller; Hintergrund-Foto: Pixabay (Günter Kuppert)