Hunderte Taxis vor dem Landesparlament: Unternehmer und ‑fahrer fordern Mindestbeförderungsentgelte für Mietwagen. Schopf und Ronneburg: Genehmigungsbehörde ist „ahnungslos“ und „muss umgekrempelt werden“
Mehrere hundert Taxis standen Montagvormittag vor dem Abgeordnetenhaus von Berlin, dem Landesparlament im historischen Gebäude des einstigen Preußischen Landtags in der Niederkirchnerstraße nahe dem Potsdamer Platz. Aufgerufen hatte Michael Klewer, Taxiunternehmer, IHK-Vertreter und Mitglied einer lose organisierten Gruppe von Taxiunternehmern, die in jüngster Zeit auch mit Protesten gegen die Umgestaltung der Infrastruktur am Berliner Hauptbahnhof für Aufsehen gesorgt hatte. Diesmal war der Veranstaltungsort voll von Personen und hellelfenbeinfarbenen Autos, gut bewacht von etlichen Polizeibeamten.
Um trotz Unabhängigkeit von den Verbänden diesmal eine höhere Teilnehmerzahl zu erreichen als im Dezember am Hauptbahnhof, kooperierte Klewer im Vorfeld mit seinem Kollegen Erkan Özmen, der als Administrator der Facebook-Gruppe „Taxi-Gruppe Berlin“ eine hohe Reichweite hat, außerdem mit Timuçin Çampınar, der erneut als Moderator fungierte. Çampınar begrüßte die Teilnehmer und sagte, es sei richtig und gut, dass in Berlin bald Festpreise in den Taxitarif Einzug halten – was den Verfall des Gewerbes aber nicht alleine aufhalten könne. Noch wichtiger seien Mindestentgelte für die Beförderung in Mietwagen, die verhindern, dass diese ihre Fahrten „zu Ramschpreisen anbieten“. Zudem brauche es „eine funktionierende Behörde, die dafür Sorge trägt, dass Gesetze auch eingehalten und kontrolliert werden“. Er ermutigte die Demonstranten, indem er ihnen für das zahlreiche Erscheinen dankte: „Viele haben uns schon abgeschrieben, aber ihr seid der Beweis dafür, dass es nicht so ist.“
Es redeten zwei Berliner Landespolitiker, die sich seit Jahren als engagierte Fürsprecher des Taxigewerbes etabliert haben. Als erster übernahm Kristian Ronneburg das Mikrofon, der verkehrspolitische Sprecher der Berliner Linke-Fraktion. Ronneburg sagte zu den Teilnehmern: „Sie leisten hier gerade etwas ganz Tolles, etwas Herausragendes, denn wie es so oft auch in der Politik ist, […] es braucht immer den Protest, auch den Protest auf der Straße, damit gewisse Leute auch aufwachen.“ Er lobte, dass die Demonstranten viele Menschen vereinen und „vor das Abgeordnetenhaus treten und Rechenschaft einfordern von den gewählten Politkern in Berlin, die dafür da sind, das Taxigewerbe zu schützen“. Es müsse endlich Schluss damit sein, dass illegale Praktiken von Uber & Co. geduldet werden.
Was die Mindestpreise für Mietwagen betrifft, hält Ronneburg „die Zeit der rechtlichen Fragenklärung“ für vorbei. Nun müssten Taten folgen. Die vom Senat für April angekündigten Festpreise im Taxigewerbe seien ein guter erster Schritt, doch brauche es vor allem Mindestentgelte im Mietwagengewerbe. Beides müsse zusammen funktionieren. Das habe auch ein Gutachter geäußert.
Auch zu anderen Dauermissständen wie etwa dem Bestandsdatenabgleich mit Uber wiederholte Ronneburg diverse Forderungen. Sollte Uber weiterhin seinen Pflichten nicht nachkommen, so müsse man noch ganz andere Geschütze auffahren. Auf das Hamburger Modell angesprochen, sagte Ronneburg, von Hamburg könne Berlin nur lernen. Die Berliner Genehmigungsbehörde, das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) müsse „mal ordentlich umgekrempelt werden“. Seine Organisation müsse hinterfragt werden. Das besagte Gutachten habe ergeben: „Diese Behörde muss vom Kern auf reformiert werden, damit sie ihren Pflichten nachkommt und in jedem Fall ein strenges und effektives Kontrollregime genau so wie in Hamburg einführt – das muss unser Ziel sein.“
Tino Schopf, der verkehrspolitische Sprecher der Berliner SPD-Fraktion, dankte ebenfalls den Teilnehmern für ihr zahlreiches Erscheinen und berichtete, er und seine Mitstreiter hätten in den zurückliegenden Jahren auf die Situation im Taxigewerbe hingewiesen, viele Gespräche mit den zuständigen Stellen geführt, auf Betrug und Ausbeutung im Mietwagengewerbe aufmerksam gemacht, doch „man“ habe sich dafür nicht interessiert. „Eigentlich hätte man annehmen müssen, dass sich endlich mal was ändert, aber es hat sich nichts geändert.“ Mit Berichten über die Ahnungslosigkeit beim LABO könne er einen ganzen Tag füllen, „da bräuchten wir 24 Stunden.“ Erst jetzt seien „die Behörden“, allen voran das LABO, „endlich mal wach geworden“ und hätten „kapiert, dass das, was hier in Berlin passiert, eine Schande ist und nicht länger tragbar ist“.
Schopf hatte letztes Jahr Akteneinsicht beim LABO beantragt und hat sich zwei Tage lang unter anderem die Genehmigungsunterlagen von Mietwagenunternehmen angesehen. „Das, was ich dort gesehen habe – bzw. nicht gesehen habe, hat mich schockiert.“ Er habe die Direktorin des LABO gefragt, wie es sein könne, dass eine Konzession erteilt wird, obwohl der Unternehmer keine Stellplätze nachgewiesen habe, oder dass ein Betriebsleiter angeblich 980 Euro brutto im Monat verdiene. Er habe Anträge von Unternehmern gesehen, die „nie im Leben“ eine Konzession hätten erhalten dürfen.
Seit dem 1. Dezember 2020 gelte eine Mietwagengenehmigung für zwei Jahre, und ein Unternehmer habe die Pflicht, nach einem halben Jahr „entsprechende Unterlagen“ einzureichen. „Wie kann es sein, dass das LABO keine Übersicht darüber hat, wann welcher Unternehmer eine Unterlage, entsprechende Prüfaufträge […] einreichen muss? Die haben keinen Überblick. Die sind ahnungslos.“ Die Organisations- und Arbeitsstruktur des LABO müsse zwingend überprüft werden. Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) gelte bundesweit, und die Hamburger Kollegen hätten genauer hingeschaut und „vertreten die These, dass dieses Geschäftsmodell von Uber und Bolt wirtschaftlich legal nicht zu betreiben ist.“ Diese Erkenntnis habe nicht nur Hamburg, sondern auch andere Kommunen, doch fehle sie beim Berliner LABO.
Die Erkenntnis habe man „auch schon früher“ gehabt, also zu Zeiten der rot-grün-roten Koalition von Dezember 2016 bis April 2023, doch habe man einen Koalitionspartner mit Zuständigkeit für das Verkehrsressort gehabt, mit dem „kein Blumentopf zu gewinnen“ sei, wenn es um das „Thema Taxen“ ging: „Es hat die Grünen nicht interessiert.“ Der „kriminelle Sumpf“ sei in den letzten sechs Jahren unter der Regie der grünen Verkehrssenatorin Regine Günther entstanden. „Die hat sich mit Verlaub einen Scheißdreck dafür interessiert, wie es euch hier in unserer Stadt geht.“
Mit dem jetzigen Koalitionspartner, der CDU, sei man weiter: Verkehrssenatorin Dr. Manja Schreiner habe angekündigt, dass man im April den Tarifkorridor für Taxis und auch in diesem Jahr noch Mindesttarife für den Mietwagenbereich einführen werde. Ebenso wichtig sei es, dass beim LABO aufgeräumt werde: „Die Mitarbeiter brauchen eine fachliche und juristische Begleitung“, und die müsse von außen kommen, „gerne aus Hamburg, gerne aus München“, wo man derzeit gute Erfahrungen in der Bekämpfung illegalen taxigleichen Verkehrs durch Mietwagen mache.
Beide Politiker erhielten mehrmals heftigen Beifall. Timuçin Çampınar dankte den Politikern und drückte seine Hoffnung aus, dass sie im Parlament ebenso entschlossen kämpfen mögen, wie sie es bei der Veranstaltung verbal kommunizieren. Neben den beiden Rednern setzen sich mit Manja Schreiner und Rolf Wiedenhaupt noch zwei weitere Politiker im Abgeordnetenhaus regelmäßig für das Taxigewerbe ein. Insbesondere die Verkehrssenatorin von der CDU hat sich von ihrer Amtsübernahme an umgehend hohe Sympathie in der Taxibranche erworben, indem sie sich nicht nur – im völligen Unterschied zu ihren Vorgängerinnen Regine Günther und Bettina Jarasch – mit den Gewerbevertretern in einen ständigen Dialog begab. Die Juristin beeindruckte die Verbandsvorsitzenden zudem dadurch, dass sie sich innerhalb kürzester Zeit kompetent in die Problematik eingearbeitet und gemeinsam mit ihrer Staatssekretärin Claudia Stutz eine Strategie entwickelt hatte, die Probleme anzugehen.
Bei Manja Schreiner rennen die Demonstranten mit den Forderungen also zum Teil offene Türen ein. Die Verkehrssenatorin hat in Absprache mit dem Gewerbe die Einführung des Tarifkorridors auf den Weg gebracht, worüber am 21. März abgestimmt wird, so dass eine entsprechende Tarifänderung im April wahrscheinlich ist. Die als noch wichtiger erachteten Mindestbeförderungsentgelte für Mietwagen sollen im Herbst folgen. Hier sind die Vorbereitungen komplexer, um eine hohe Rechtssicherheit zu erreichen, damit die Regelung nicht von hochbezahlten Uber-Anwälten zunichte gemacht werden kann. Im Vorfeld der Sitzung des Verkehrsausschusses im Abgeordnetenhaus am 21. Februar, bei der Vertreter des Taxigewerbes anwesend waren und zum Teil gehört wurden, hatten die Fraktionen von AfD, SPD und Linke Anträge auf Besprechungen gestellt, wobei die AfD von „tarifbezogenen Regelungen und Mindesttarif für Mietwagenunternehmen“ sprach, die SPD von einem „funktionsfähigen und rechtssicheren Taxi- und Mietwagenmarkt“ und die Linke davon, wann der Senat „endlich die Möglichkeiten des Personenbeförderungsgesetzes“ nutzt. Neben den beiden Rednern letzterer Parteien war auch der verkehrspolitische Sprecher der AfD auf der Demo anwesend, doch ihn hatten die Veranstalter nicht zu einem Redebeitrag einladen wollen – zu groß die Befürchtung, wegen Kontakts mit den „falschen“ Leuten in die falschen Schubladen gesteckt zu werden. Wiedenhaupt nahm es gelassen und sprach mit vielen Teilnehmern persönlich.
Michael Klewer, der die Demo angemeldet hatte und auch selbst eine kurze Ansprache hielt, war zufrieden. Er dankte allen Kollegen, die dabei gewesen waren, „um das Gewerbe zu unterstützen“. Es gebe Tage, an denen Umsatz nicht wichtiger sein dürfe, „wenn es um die Zukunft geht und um das Überleben des Taxi-Gewerbes“. Eigentlich sei es schon fünf nach 12 für das Taxi, aber es gebe ein Licht am Ende des Tunnels. Nachdem es Jahre lang nur bergab ging, habe man jetzt wieder Hoffnung. Tino Schopf, den er erst letztes Jahr kennenlernte, habe Klewer im Laufe der letzten Wochen und Monate „den Glauben wiedergegeben, dass Politiker auch zuhören können und mit uns gemeinsam Probleme angehen“.
Klewer dankte zudem Kollegen wie Sonja von Rein, Danielo Baltrusch und Timuçin Çampınar, die „gute Arbeitet geleistet und für unsere Sache Freizeit geopfert“ hätten. Vorbei sei der Kampf aber noch lange nicht: „Die Bretter werden dicker“, so Klewer. ar
Fotos und Filmmitschnitte: Axel Rühle
Ohne Mindestpreise haben die Festpreise gar keine Wirkung,wann wird das kapiert?
Wenn schon dann beides zeitgleich und nicht wie immer erst auf das Taxi einprügeln und dann schauen wir mal weiter!!!
Muss ich damit rechnen das ich mich mit meinem Kunden Ernst streite oder verprügeln wenn er auf einmal an der Tanke halten will,oder seiner Freundin hallöchen sagen möchte nur weil er mit Festpreis fährt???
Nein zu nur FP!
Warum nimmt er das Wort Korruption nicht in den Mund? Dass beim Landes Einwohneramt einiges nicht mit rechten Dingen zugeht ist doch wirklich relativ offensichtlich. Warum nicht gleich den Vorwurf der Korruption in den Raum stellen?
Ich bin echt gespannt, was der Datenabgleich mit dem LABO zum Vorschein bringt … wie viele Mietwagen tatsächlich registriert sind? Man müsste das in Berlin so handhaben wie in Hamburg. Businessplan vor Konzessions-Beantragung einreichen und den darauf prüfen, wie das Mietwagen-Unternehmen vorhat, Geld zu verdienen.
Denn die geforderten Mindestpreise bei Mietwagenbetrieben würden bestimmt mit Rabattaktionen umgangen werden.
Wie willst du ein Business Plan vorlegen wenn du du Preise nicht bestimmen kannst 😂was ist das für eine lachnummer…
Tipp aus der Taxi-Times-Redaktion: Fragen Sie mal bei der hamburger Genehmigungsbehörde nach, welche Angaben in den dortigen Businessplan reinmüssen. Da werden Sie dann auch sehen, dass so etwas keine Lachnummer ist, sondern ernsthaft eingefordert werden kann.
Danke liebe Redaktion. Nur in wie kommt es das in Düsseldorf immer wieder Uber zugelassen werden?
wir sehen jeden Tag immer wieder neue Kennzeichen