Heute Abend wird in Berlin am Brandenburger Tor die dritte Aktion der Berliner Taxi-Kultur-Gruppe stattfinden. Kunst als Protest gegen die Vereinnahmung des öffentlichen Raums durch Uber – das Taxigewerbe kann mehr als demonstrieren. Klaus Meier: „Wir haben gezeigt, dass Taxi wirklich Kultur ist.“
Die geladenen Gäste des Bundespresseballs, die heute Abend im Hotel Adlon an der prominenten Adresse Unter den Linden am Pariser Platz erwartet werden, dürften kaum Notiz nehmen vom Protest des Taxigewerbes gegen die Partnerschaft und das Sponsoring der Veranstaltung durch den Fahrdienstanbieter Uber. Für die Besucher aus dem Taxigewerbe und die Passanten hingegen gibt es auf einer großen Leinwand den Filmzusammenschnitt der Kunstaktion vom 22. März zu sehen, als die Taxi-Kultur-Gruppe, finanziell unterstützt von Taxi Berlin, eine Videoinstallation und ein Schauspiel inszenierten (Taxi Times berichtete).
„Taxi ist Kultur“ war die Aufschrift auf den Türen des Autos, das bei der angekündigten Kunstaktion an besagtem verregneten Freitag in Berlin-Friedrichshain eine zentrale Rolle in dem zehnminütigen Pantomimen-Theaterstück spielte, das von Taxifahrern aufgeführt wurde. Die kreativen Köpfe hinter der Aktion waren die „Taxi-Kultur-Gruppe“, bestehend aus dem Berliner Taxi-Soziallotsen Klaus Meier, der die Veranstaltung als Demonstration angemeldet hatte, und den beiden Taxiunternehmern Stephan Berndt und Irene Jaxtheimer, unterstützt von Kommunikationsdesigner Jerome Kirschkowski. Ermöglicht wurde die Aktion von Hermann Waldner, Vorstand des Gewerbeverbandes Taxi Deutschland Berlin e. V. und Inhaber der Funkgesellschaft Taxi Berlin TZB. Mitgewirkt haben gut 20 Personen.
Die zentrale Aussage „Taxi ist Kultur“ auf der Autotür hat mehrere Bedeutungen: Zum einen kann das Taxi, uralter Teil der Daseinsvorsorge und der Kultur, als Gegenstück begriffen werden zur Unkultur der profitgierigen Milliardenkonzerne wie Uber, Bolt, Free Now, Amazon, Ebay usw., die für Arbeitsplatzvernichtung, prekäre Beschäftigung, Verdrängung des Einzelhandels und weitere Missstände verantwortlich gemacht werden. Zum anderen bricht der Satz mit dem Stereotyp, Taxifahrer seien unkreative Arbeiter, die nur die vermeintlich anspruchslose, immer wiederkehrende Tätigkeit des Beförderns von Fahrgästen von A nach B ausüben können.
Taxi Times sprach am Abend mit den vier zufriedenen, wenn auch teils leicht erschöpften Machern der Performance. Die Idee für die Aktion stammte von Klaus Meier, dem Berliner Taxi-Soziallotsen, Gewerkschafter und Taxifahrer. Stephan Berndt, Taxiunternehmer und ehemaliger Verbandschef, erzählte, wie seine Kollegin Irene Jaxtheimer und er von der Idee sofort überzeugt waren und mit der Konzeption der Leinwandbilder und ‑animationen begonnen hätten. „Gottseidank hatte ich Jerome, sonst wäre es nur ein Viertel so gut geworden“, sagte Berndt mit Blick auf Jerome Kirschkowski, den Grafikdesigner von Taxi Berlin, der für die stets professionellen und visuell ansprechenden Präsentationen der Berliner Taxifunkgesellschaft und ihres Geschäftsführers Hermann Waldner verantwortlich ist. Auch das visuelle Erscheinungsbild von Demos, etwa letztes Jahr in Köln und mehrfach in Berlin, geht auf Kirschkowski zurück.
Die Choreographie des pantomimischen Stücks stamme wiederum von Meier und sei von Fahrern aus Berndts und Jaxtheimers Taxibetrieben umgesetzt worden. Jaxtheimer erzählte, ihre Initialzündung sei der Gedanke gewesen, die Umbenennung der Arena könne man „nicht so stehen lassen“. Man könne aber auch „nicht einfach nur eine Demo machen, wir müssen was Besonderes machen.“ Man müsse aufzeigen, „was da alles falsch läuft“. Vom BVTM sei die Idee gekommen, die Schwarzarbeit zu thematisieren und auch den Platz nach ihr zu benennen.
Meier, der die Idee nicht für sich alleine reklamieren wollte, erzählte, wie sie beim Brainstorming im Vorfeld des Taxi-Film-Festes entstanden sei, und dass Jaxtheimer und Berndt sie maßgeblich verwirklicht hätten. Zu der Leinwand-Performance mit den teils verstörenden Bildern hätte ihn die Erinnerung an den Apple-Werbespot von 1984 zur Einführung des Macintosh-Computers inspiriert. Damals habe der Weltkonzern Apple behauptet, das Jahr 1984 nicht so werden lassen zu wollen wie 1984 im gleichnamigen dystopischen Roman von George Orwell, der einen totalitären Überwachungsstaat beschreibt. Die leeren Versprechungen solcher Konzerne parodistisch umzudrehen und in einen Bezug zum Taxi zu setzen, sei Ausgangspunkt der Idee für die Videopräsentation gewesen.
Was die Arbeit für die pantomimische Aufführung betrifft, erzählte Meier, er habe die Idee formuliert und Stephan Berndt habe sich daraufhin „Nächte um die Ohren geschlagen“, um dieser Idee einen praktikablen Rahmen zu geben. Kirschkowski und er erzählten von den Proben mit den engagierten und ausdauernden Darstellern, den Taxifahrern. Irene Jaxtheimer habe sich maßgeblich um die technische Umsetzung einschließlich wetterfester Leinwand gekümmert, Jerome Kirschkowski um das Visuelle wie etwa die Pacman-Animationen, bei denen der gefräßige Pacman nach Jaxtheimers Idee aus dem Schriftzug „Uber Eats Music Hall“ (dem neuen Namen der bisherigen „Verti Music Hall“) durch Verspeisen zahlreicher Buchstaben den Satz „Uber eats all“ (Uber frisst alle) macht.
Nahezu unglaublich: Das Team hatte kaum mehr als eine Woche Zeit, um die gesamte Performance auf die Beine zu stellen. Entsprechend war das Arbeitspensum in den Tagen vor der Aktion gewesen.
Jeder habe sein Bestes gegeben, bestätigte Jerome Kirschkowski, und merkte an, dass der Besuch von Politikern und anderen Interessenten belege, dass eine solche Aktion nicht nur Unterstützung, sondern auch angemessene Beachtung finde.
Stephan Berndt äußerte sich dankbar und begeistert über die Teamarbeit, die mit das Schönste gewesen sei – wobei Irene Jaxtheimer ihm vollumfänglich beipflichtete. Jeder habe seine Aufgabe bestens erfüllt, alles sei Hand in Hand gelaufen, man habe sich aufeinander verlassen können, so dass ein tolles Gesamtkunstwerk dabei herausgekommen sei.
Hermann Waldner, Inhaber der Funkgesellschaft Taxi Berlin und als Gewerbevertreter auf Landes-, Bundes- und Europa-Ebene engagiert, hat die Performance wie auch schon das Taxi-Film-Fest finanziert und sieht in den kulturellen Aktivitäten eine kostbare Ergänzung zur Öffentlichkeitsarbeit der Verbände.
Als Fazit stellte Klaus Meier zufrieden fest: „Wir haben gezeigt, dass Taxi wirklich Kultur ist.“ Taxifahren sei mehr, als Leute von A nach B zu fahren. Der Erfolg schreie geradezu nach einer Fortsetzung in Form eines Taxi-Kultur-Festivals, so Stephan Berndt. Und Taxi-Film-Fest-Organisator Klaus Meier wäre nicht Klaus Meier, wenn er dazu nicht bereits eigens eine Internetseite programmiert hätte: Unter der Adresse taxikultur.de war die Kunstaktion vom Freitag bereits im Voraus angekündigt worden – auf deutsch, englisch, französisch und chinesisch. Weitere Inhalte sollen bald folgen.
Die Autotür-Aufschrift „Taxi ist Kultur“ könnte zum geflügelten Motto werden. Vom Trio, das sich „Taxi-Kultur-Gruppe“ nennt, war bereits die eine oder andere Andeutung zu vernehmen, dass weitere Aktionen geplant sind. „This is not the end“ war zudem auf dem letzten Standbild der Performance zu lesen, das lange auf die Leinwand geworfen wurde. Diese Voraussage wird sich bereits heute Abend bestätigen. ar
Fotos: Axel Rühle