Heute hat Berlins neue CDU-Verkehrssenatorin ihr Amt angetreten. Die Landes-SPD bekommt eine Doppelspitze. Im Bezirk Mitte hat die Baustadträtin, die die Taxis vom Europaplatz weg haben will, einen Nachfolger bekommen. An alle hat das Taxigewerbe Erwartungen.
Nachdem Berlins Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Manja Schreiner (CDU), nach nur einem Jahr zurückgetreten war, ist am gestrigen Donnerstag ihre Parteifreundin Ute Bonde als Nachfolgerin vereidigt worden. Die Juristin aus Nordrhein-Westfalen war bereits in der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen tätig, später in der Senatsverwaltung für Wirtschaft. 2009 wurde sie Leiterin der Rechtsabteilung bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), gleichzeitig führte sie die Geschäfte der Berlinwasser Beteiligungs-GmbH. Ab 2015 war Bonde Geschäftsführerin Finanzen der Berliner Verkehrsbetriebe Projekt GmbH, 2019 wurde sie Prokuristin der BVG.
Schon vor der Abgeordnetenhauswahl 2021 wurde Bonde als mögliche Verkehrssenatorin gehandelt. Nachdem Rot-Grün-Rot das Rennen machte und Bonde zunächst bei der BVG blieb, wechselte sie zum 1.5.2023 als Geschäftsführerin zum Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB). Sie brachte sich in verkehrspolitische Debatten Berlins ein und warb beispielsweise aktiv für den Bau einer Magnetschwebebahn im Nordosten Berlins.
Nach ihrer gestrigen Vereidigung hat die 56-jährige Bonde heute ihre Amtsgeschäfte als Verkehrssenatorin im Berliner Senat unter Kai Wegner aufgenommen. Das Taxigewerbe darf hoffen, dass sie die tatkräftige und taxi- wie auch verbraucherfreundliche Politik ihrer Vorgängerin fortsetzt. Dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) sagte Bonde, man müsse „schauen, dass alle Verkehrsteilnehmer gut miteinander zurechtkommen”. Anstelle von Verboten wolle sie mit guten Angeboten die Verkehrswende umsetzen. Ein gutes Angebot habe man, „wenn ich jederzeit das Verkhrsmittel, das ich zu meiner jeweiligen Lebenssituation benötige, auch unmittelbar nutzen kann”. Dies müsse optimalerweise vor der Haustür verfügbar sein, so dass man sehr schnell sehr agil sei. Das könne das eigene Auto sein, müsse es aber nicht. „Es können auch On-Demand-Verkehre sein, es können autonome Verkehre in der Zukunft sein, es kann natürlich das Fahrrad sein.” Vordringlich will Bonde aber den Linienverkehr weiter ausbauen. Auch eine mögliche Magnetschwebebahn habe sie vorbehaltlich der finanziellen Machbarkeit „weiter auf dem Schirm”. Ihre Vorgängerin Manja Schreiner hatte außerdem sehr konstruktiv mit dem Taxigewerbe kooperiert und unter anderem veranlasst, dass appbasierte Fahrtenvermittler innerhalb einer vorgegeben Frist alle Bestandsdaten der in den Plattformen registrierten Fahrzeuge an die Aufsichtsbehörde, also das Landesamt für Burger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO), melden müssen. Auch die Einführung eines Tarifkorridors mit Festpreisen, die im Juli Einzug in den Berliner Taxitarif halten sollen, sowie Mindestentgelte für Mietwagenfahrten, die voraussichtlich noch vor Ende dieses Jahres in Kraft treten sollen, hatte Schreiner auf den Weg gebracht. Die Berliner Taxiverbände und der Dachverband TMV hatten die Kompetenz und Kooperativität Schreiners gelobt und ihr dies in einem persönlichen Gespräch nach ihrem Rücktritt mitgeteilt.
Bondes Amtsantritt ist nicht die einzige personelle Veränderung in wichtigen Ämtern der Berliner Landespolitik. Auch die SPD wird in Kürze neue Funktionen besetzen: Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel und die ehemalige Sport-Staatssekretärin Dr. Nicola Böcker-Giannini wollen sich morgen offiziell zum Berliner Parteivorsitz wählen lassen. Parteiintern wurde ihnen bereits das Vertrauen ausgesprochen. Mit der künftigen SPD-Doppelspitze verbindet das Taxi-Gewerbe neue klare Erwartungen, wie der Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) mitteilt. Der BVTM erwartet auch vom kleineren Berliner Koalitionspartner SPD Fortschritte im Kampf gegen Uber-Wildwuchs. „Wir wünschen dem neugewählten sozialdemokratischen Führungsduo ein glückliches politisches Händchen, besonders bei der Rückkehr zu einem fairen Wettbewerb auf den Straßen der Hauptstadt“, sagte Hermann Waldner, Vizepräsident des Bundesverbandes und Geschäftsführer der Funkgesellschaft Taxi Berlin. „Die ungezügelte Ausbreitung illegaler Mietwagen in Berlin hat die Stadt über 3.000 Taxis gekostet, die durch Dumpingpreise von Uber & Co. in die Insolvenz getrieben wurden“.
Die Zahl der legal arbeitenden Taxis in Berlin mit ihren behördlich festgelegten Tarifen ist in den letzten Jahren von über 8.300 Fahrzeugen auf mittlerweile unter 5.600 gesunken. Nach vielen Jahren mit mangelnden Kontrollen von plattformbasierten Mietwagen beginne die Große Koalition in Berlin nun mit ersten Schritten gegen den Uber- und Bolt-Wildwuchs. Zugleich appellierte Waldner an die neue SPD-Spitze, hier nicht nachzulassen. Das Gewerbe erwarte wirkungsvolle politische Unterstützung. Er verwies auf Hamburg, wo das Mietwagen-Geschäftsmodell energischer hinterfragt werde: „Daher sind dort nur eine Handvoll Fahrzeuge mit taxiähnlichen Angeboten unterwegs.“ In Berlin sei dagegen eine vierstellige Zahl dieser Mietwagen auf den Straßen unterwegs, auch Fahrzeuge mit gefälschten Konzessionen drängten auf den Markt. „In der Folge gebe es neben fehlenden Versicherungen bei Unfällen für Fahrgäste auch erhebliche Steuerausfälle und Mindereinnahmen für die Sozialkassen“, betonte Waldner.
Bei einem Treffen mit Waldner und weiteren Taxivetretern, das auf Anregung von Böcker-Giannini und Hikel zustande kam, hatte das Taxigewerbe auf diese dramatische Entwicklung aufmerksam gemacht. Wenn der Abwärtstrend anhalte, werde in wenigen Jahren kein einziger Wagen in Hellelfenbein mehr verfügbar sein. Nicola Böcker-Giannini sagte nach dem Gespräch: „Das Thema ist ein sozialdemokratisches Kernanliegen, weil es um faire Arbeitsbedingungen, um Wirtschaft in dieser Stadt und um die Daseinsvorsorge geht.“ Martin Hikel ergänzte: „Das zeigt, dass wir hier Handlungsbedarf haben – gerade aus SPD-Sicht. Und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, ist sehr wichtig.“ Hermann Waldner zog das Fazit: „Man hat den Eindruck, dass hier Menschen am Start sind, die sich wirklich dafür interessieren, das Problem zu lösen. Das macht optimistisch.“ Leidenschaftlichen Einsatz für das Taxigewerbe kennt man bereits von Böcker-Gianninis und Hikels Parteifreund Tino Schopf.
Auch eine Personalie auf Bezirksebene dürfte für das Taxigewerbe relevant sein: Die grüne Bezirksstadträtin für den öffentlichen Raum, so eine andere Bezeichnung der Baustadträtin, Dr. Almut Neumann, ist im April zurückgetreten, da die Mutter zweier Kinder erneut schwanger ist, diesmal mit Zwillingen.
Die Politikerin hatte mit ihrer offenen Ablehnung gegenüber dem Autoverkehr und ihrer Politik, die sich unter anderem in drastischen Parkraumbeseitigungen und Durchfahrsperren äußerte, viel Ärger auf sich gezogen. Bei Kritikern wird der Bezirk wegen seiner Wälder aus wuchtigen Absperrpollern bereits „Pollerbü“ genannt. Auch im Taxigewerbe gibt es nur wenig Verständnis dafür, dass vor dem Hauptportal des Berliner Hauptbahnhofs am Europaplatz der Taxihalteplatz entfernt worden war, bevor Verkehrssenatorin Manja Schreiner die Entscheidung kurzfristig revidierte.
Neumanns Nachfolger im Bezirk Mitte ist Christopher Schriner. Der aus Bonn stammende, 44-jährige Architekt arbeitete bisher in Berlin in einem Projektentwicklungsbüro und ist in der Politik noch wenig erfahren. Er wurde von der Bezirksverordnetenversammlung Mitte mit knapper Mehrheit zum Stadtrat für Ordnung, Umwelt, Natur, Straßen und Grünflächen gewählt. ar