Bei der IRU-Tagung in Genf sprachen BVTM-Geschäftsführer Michael Oppermann und andere europäische Taxi-Gewerbevertreter über die Hindernisse beim Übergang zu Netto-Null-Emissionen.
Der Gütertransport- und Personenbeförderungsverband International Road Transport Union (IRU) tagte dieses Jahr in Genève (Genf) im französischsprachigen Südwesten der Schweiz. Ein Verbandsmoderator sprach mit vier Vertretern von Mitgliedsverbänden der IRU-Taxigruppe. Diese kamen vom BVTM (Deutschland), KNV (Niederlande), UNIT (Frankreich) und Veezu (Großbritannien). Informationen zu den ausländischen Organisationen stehen am Ende dieser Meldung.
Hauptthema des Gesprächs war der Weg des europäischen Taxisektors zur CO2-Neutralität. Auf die Frage, vor welchen Dekarbonisierungsherausforderungen der Taxisektor generell steht, antwortete Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM): „Das Schlüsselproblem bei der Dekarbonisierung des Sektors ist Zuverlässigkeit. Strompreise, finanzielle Förderung, Ladeinfrastruktur, Autopreise: Die Unsicherheit ist zu groß. Während Taxiunternehmen bereit sind, umweltfreundlicher zu werden und auf Netto-Null-Emissionen umzusteigen, müssen sie wirtschaftliche Risiken minimieren und sorgfältige und verantwortungsvolle Entscheidungen für ihr Unternehmen und ihre Fahrer treffen. Regierungen sollten mehr tun, um mehr Sicherheit zu bieten und Taxiunternehmen zu unterstützen, die in Elektrofahrzeuge (EV) oder EV-Infrastruktur investieren.“
Der Vertreter des Königlichen Niederländischen Verkehrsverbandes (KNV) sagte, das Hauptproblem sei die knappe Verfügbarkeit von Pkw- und Transportermodellen, die bezahlbar, umweltfreundlich und mit ausreichend Reichweite sind. „Die Branche bereitet sich auch aktiv darauf vor, dass alle Ausschreibungsverträge irgendwann eine Null-Emissions-Klausel enthalten werden und Großstädte Zonen einrichten werden, in denen nur emissionsfreie Taxis zugelassen sind.“
Am Ende der Produktionskette von Elektrofahrzeugen sah der Vertreter des Nationalen französischen Verbandes der Taxiundustrie (UNIT) die Taxis: „Unser Sektor wird durch die Reichweite von Elektrofahrzeugen und das zu geringe Ladenetz für die spezifischen Bedürfnisse von Transportfachleuten behindert. Erstens müssen Taxifahrer besonders auf die Reichweite des Fahrzeugs achten, da sie bis zu 500 km pro Tag zurücklegen. Sie benötigen ausreichend Platz für mehr als vier Passagiere und ein Fahrzeug, in dem sie bequem bis zu 12 Stunden am Tag verbringen können.
Schließlich belasten Taxis die Kosten sowohl für den Kauf als auch für das Laden von Fahrzeugen erheblich. Da die Preise reguliert sind, haben Taxifahrer keine Flexibilität hinsichtlich des Einkommens. Zudem müssen sie ihre Autos oft zu Hause aufladen, da die Kosten für das Schnellladen zu hoch sind. Allerdings wohnen die meisten Autofahrer in städtischen Gebieten in Mehrfamilienhäusern, wo die Organisation des Ladevorgangs zu Hause komplex sein kann, insbesondere für Mieter.“
Die grundlegende Herausforderung bei der Dekarbonisierung des Taxisektors sah auch der Vertreter der britischen Plattform Veezu im Mangel an Ladeinfrastruktur. Dies habe zu einer geringen Verbreitung von Elektrofahrzeugen geführt. „Das Feedback, das wir erhalten haben, ist, dass die aktuelle Ladeinfrastruktur in Städten und Gemeinden unzureichend, teuer und häufig nicht verfügbar ist. Regierungen müssen Ziele festlegen und erreichen, um eine Mindestanzahl an Ladepunkten bereitzustellen, da das Laden zu Hause für Autofahrer nicht immer möglich ist. Zentral ist auch das Thema steigender Kosten.
Auf technischer Seite ist die derzeit zu begrenzte Reichweite von Elektrofahrzeugen ein zentrales Problem. Schließlich hat die knappe Verfügbarkeit von für den Taxibetrieb geeigneten Automodellen Berufstätige davon abgehalten, auf Elektrofahrzeuge umzusteigen.“
Die zweite Frage an die Gewerbevertreter lautete, was es für eine effiziente Dekarbonisierung braucht.
Michael Oppermann vom BVTM formulierte es in aller Kürze: „Wie bereits erwähnt, braucht der Sektor Stabilität und Zuverlässigkeit. Wir brauchen verlässliche Strompreise, finanzielle Unterstützung, Ladeinfrastruktur und günstigere Autos. Angesichts aller Unsicherheiten ist eine effiziente Dekarbonisierung sehr schwierig.“
Sehr viel umfangreicher und erneut auf die Ladeinfrastruktur eingehend antwortete der niederländische KNV-Vertreter. „Wir brauchen realistische Ziele: Null-Emissions-Fahrzeuge sind die Zukunft. Aber es gibt immer noch Herausforderungen, die unsere Aufmerksamkeit erfordern, um den Übergang effizient zu gestalten. Die Ladekapazitäten, sowohl die Infrastruktur als auch die Netzkapazität, reichen derzeit nicht aus. Die Technologie wird sich zwangsläufig weiterentwickeln, um eine größere Reichweite zu ermöglichen. Da Fahrzeuge tendenziell schwerer werden, kann es notwendig sein, die Gewichtsgrenze des B-Führerscheins anzuheben.
Schließlich sind finanzielle oder steuerliche Anreize erforderlich, um den Übergang voranzutreiben. Der Schlüssel wird eine transparente Kommunikation mit den Regierungen darüber sein, was der Sektor erwarten kann und wann die Betreiber beruhigt und Investitionen gefördert werden müssen.“
Nach Ansicht des französischen UNIT-Vertreters wäre eine Idee die Einführung spezifischer Subventionen für Taxifahrer als Ausgleich für ihre derzeitigen Gemeinwohlverpflichtungen. „Auf technischer Seite ist es jedoch notwendig, ein eigenes Schnellladenetz für Taxis in Städten aufzubauen. Alternativ müssen Taxis über einen erleichterten Zugang zu langsamen Ladelösungen verfügen, beispielsweise zum Laden in Gemeinschaftswohngebäuden oder zu bestimmten Reservierungen in öffentlichen Netzen.“
Aufgrund der aktuellen Herausforderungen, so der britische Veezu-Vertreter, müsse ein flächendeckendes Ladenetz mehr Ladepunkte entlang von Autobahnen und in Städten umfassen. „Allerdings müssen auch ihre Kosten reguliert werden und den Kosten der inländischen Versorgung entsprechen. Da die Reichweite für die Ausübung der Tätigkeit ein zentrales Thema ist, bedarf es besserer Informationen und einer größeren Auswahl an für das Taxigewerbe geeigneten Fahrzeugen.
Regierungsrichtlinien müssen außerdem klar und zeitnah sein, damit die Betreiber künftige Einkäufe planen können. Anreize wie Zuschüsse für speziell gebaute Taxis sollten auf private Mietfahrzeuge ausgeweitet werden, um die Einführung von Elektrofahrzeugen zu fördern.“
Der KNV (Koninklijk Nederlands Vervoer) ist laut niederländischer Wikipedia ein Arbeitgeberverband im Güter- und Personenverkehr, der Informationsveranstaltungen für seine Mitglieder organisiert und zwei Zeitschriften herausgibt (darunter die monatliche Zeitschrift „Nederlands Vervoer“ für den Personenverkehr). KNV Taxi ist ein Arbeitgeberverband in den Niederlanden für spezielle Taxitransporte.
Sich selbst bezeichnet der KNV als „die Unternehmensorganisation für den professionellen Personentransport in den Niederlanden. Die Branchenverbände KNV Krankenfahrten und Taxi, Busverkehr Niederlande und KNV Vernetzte Mobilität sind Teil des KNV.“
Die UNIT (Union Nationale des Industries du Taxi) schreibt auf ihrer Internetseite: „Als Verband der Taxiunternehmen in Frankreich (Reservierung, Vermietung und Dienstleistungen, Schulung) ist UNIT ein wichtiger Akteur im Bereich der städtischen Mobilität. Verantwortungsbewusst und modern fördern wir die Anpassung von Taxis an gesellschaftliche Veränderungen im Interesse des Gleichgewichts zwischen Kunden, Fahrern und Gemeinschaften.“
Veezu ist nach eigener Darstellung „Großbritanniens am schnellsten wachsende Technologieplattform für Taxis und private Mietwagen und ist in Hunderten von britischen Städten aktiv. Wir sind der technologiegetriebene On-Demand-Mobilitätsdienst, der unsere hyperlokalen Gemeinschaften unterstützt und ihnen hilft, zu gedeihen. Veezu wurde 2013 gegründet und ist in ganz Großbritannien schnell gewachsen.“ Im vergangenen Jahr hat Veezu nach eigenen Angaben durchschnittlich alle 1,5 Sekunden eine Personenbeförderung absolviert. ar
Beitragsbild: Michael Oppermann; Foto: Axel Rühle