Nicht nur bei den Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoversicherungen muss schon in naher Zukunft mit erheblichen Mehrkosten gerechnet werden. Experten rechnen gerade bei der Teilkasko mit noch drastischeren Preissteigerungen. Da eine Teilkasko freiwillig ist, könnte man der Kostensteigerung durch Kündigung einen Riegel vorschieben. Taxi- und Mietwagenunternehmer, die in Gebieten mit vielen Wildunfällen unterwegs sind, sollten sich das allerdings genau überlegen.
Die Versicherungswirtschaft analysiert die Teilkaskoschäden regelmäßig sehr genau und kam jetzt zu einer überraschenden Erkenntnis. Eine steigende Anzahl an Wildschäden treiben die Kosten für die Teilkaskoregulierung in die Höhe, insbesondere in Bundesländern mit großen Waldflächen. Die Erklärung klinkt palusibel: Da Wildschäden Schäden vor allem an der Fahrzeugfront verursachen, wo heutzutage besonders viel sensible Fahrzeugtechnik verbaut wird, sind auch die Reparaturkosten für Wildschäden drastisch gestiegen.
Die Versicherungsversbranche berichtet, dass 2023 der durchschnittliche Schaden nach einem Wildunfall 3.850 Euro betragen habe. Im Vorjahr seien es noch rund 250 Euro weniger gewesen. Für Kfz-Versicherer schlugen somit 2023 erstmals Gesamtkosten von einer Milliarde Euro zu Buche, statistisch also an die drei Millionen Euro pro Tag. Im Herbst und Frühjahr ist die Gefahr eines Wildunfalls besonders hoch. In welchen Bundesländern es am häufigsten zum Unfall kommt und welche große Wildtierart statistisch in 90 Prozent der Unfälle verwickelt ist, zeigt die Übersicht des deutschen Jagdverbandes zu den wichtigsten Zahlen und Fakten rund um das Thema Wildunfälle:
Im Erhebungszeitraum 2022/2023 gab es in Deutschland insgesamt rund 237.400 Fälle von Fallwild. Damit werden Tiere bezeichnet, die nicht durch die Jagd, sondern überwiegend durch den Straßenverkehr zu Tode gekommen sind. Aufgeführt in den Statistiken sind nur größere Wildtiere wie Rehwild, Schwarzwild, Damwild und Rotwild. Besonders stark von Wildunfällen betroffen ist Bayern mit rund 63.630 Tieren, was rund ein Viertel aller Wildunfälle in Deutschland umfasst. Darauf folgen Nordrhein-Westfalen mit 33.070 und Niedersachsen mit 28.210 verunfallten Wildtieren. In Brandenburg gab es trotz der Größe des Bundeslandes mit 3.050 Fällen auffallend wenige Wildunfälle. Statistisch gesehen kommt es in Deutschland alle 2,2 Minuten zu einem Wildunfall – den die Kfz-Versicherung dann übernimmt, wenn für das Fahrzeug eine Teilkasoversicherung abgeschlossen wurde.
Wann handelt es sich eigentlich um einen Wildunfall? Kommt es zu einer Kollision zwischen einem Fahrzeug und einem Haarwild, gilt dies offiziell als Wildunfall. Zum Haarwild gehören Tiere wie Wildschweine, Rehe und Hirsche – aber auch zum Beispiel Feldhasen, Murmeltiere, Füchse, Dachse oder Luchse. Nicht zum Haarwild gehören Haus- oder Nutztiere sowie Vögel oder Igel. In bundesweiten Statistiken zu Wildunfällen finden sich jedoch meist nur größere Wildtiere wie Reh-, Schwarz-, Dam-, oder Rotwild, die besonders schwere Unfälle verursachen können. Bei einem Zusammenstoß bei 60 km/h mit einem Reh, das rund 20 Kilo wiegt, entspricht die Kraft trotzdem dem Gewicht eines 0,8 Tonnen schweren Stiers. Bei einem Wildschwein wirkt das Tier bei gleicher Aufprallgeschwindigkeit mit einer Kraft von bis zu 3,5 Tonnen auf das Fahrzeug ein, ein Hirsch der Kategorie „Damwild“ erreicht Kräfte von 2,5 Tonnen, einer aus der Familie der Rotwildhirschen das Doppelte – was dann mit einem Elefantengewicht vergleichbar ist. Zum Glück zählen Unfälle mit Rotwildhirschen statistisch gesehen zu den am geringsten vorkommende Wildunfällen.
Damit Autofahrer gar nicht erst Teil solcher Statistiken werden, hat die Versicherungswirtschaft ein paar spezielle Tipps parat: Sie rät insbesondere im Frühling und im Herbst, an Straßen mit Wild-Gefahrenzeichen (siehe obiges Foto) das Tempo zu reduzieren und besonders wachsam zu fahren. Und sie weist darauf hin, dass Ausweichmanöver häufig schlimmere Folgen haben können als eine Kollision mit dem Tier.
Nach einem Unfall mit einem Tier sollen Versicherte die Unfallstelle absichern und die Polizei verständigen, da sonst der Versicherungsschutz ganz oder teilweise gefährdet sein könne. Wichtig zu wissen: Wildunfallschäden führen nicht zu einer Hochstufung der Kfz-Versicherung.
Gerade für Flottenbetreiber wie die Taxi- und Mietwagenbranche ist es ratsam, die Mitarbeiter auf die Besonderheiten bei Wildschäden hinzuweisen, insbesondere darauf, dass Ausweichmanöver stets die schlechtere Wahl sind (zumindest wenn nicht gerade ein Nilpferd die Straße kreuzt – eine häufige Unfallursache im südlichen Afrika). Ganz aktuell berichtete Kim Sombrutzki von den 4U-Assekuranzmaklern dazu noch aus der Lüneburger Heide, dass dort die Taxler inzwischen angewiesen werden, speziell bei Wolfsunfällen unbedingt im Fahrzeug zu bleiben, da es dort schon zu gefährlichen Bissverletzungen von verwundeten Tieren gegenüber ihren Helfern gekommen sei. Hoffentlich steigen nun nicht auch noch die Beiträge bei der Berufsgenossenschaft Verkehr, die ja bei solchen Wolfsbissen im Dienst der Kostenträger ist. rw
Bilder: Remmer Witte