Die vom Beirat des Bundesverkehrsministers vorgeschlagene Deregulierung des Taximarktes bedrohe das Taxigewerbe existenziell, sagte Martin Kammer, Geschäftsführer des Thüringer Landesverbandes des Verkehrsgewerbes gegenüber dem „Mitteldeutschem Rundfunk (MDR“).
Sollte der Markt dereguliert werden, werde es das Taxigewerbe in seiner jetzigen Form nicht mehr geben, so Kammer. Aber auch der Schutz des Verbrauchers nehme Schaden. Ähnlich äußerten sich Thomas Grätz vom BZP und Michael Beer vom Landesverband Thüringen der Taxi- und Mietwagenunternehmen. Auch das Thüringer Verkehrsministerium sähe dem MDR zu Folge rechtliche Bedenken.
In dem Gutachten des wissenschaftlichen Beirats werden umfassende „Liberalisierungen“ gefordert. So soll die Beförderungspflicht, die Tarifpflicht sowie die Begrenzung der Konzessionen aufgehoben werden. Damit solle eine digitale Vermittlung von Taxis erleichtert und die Produktivität verbessert werden (Taxi Times berichtete und kommentiert).
Defacto jedoch wird damit Online-Diensten wie Uber der Boden bereitet. Uber ist mehrfach die Vermittlung von Fahrgästen verboten worden, nicht nur in Deutschland. In vielen anderen Ländern kommt und kam es zu rechtlichen und sozialen Problemen durch die „Sharing Economy“ im Transportsektor.
Das Thüringer Verkehrsministerium sieht auf Nachfrage des MDR bei der Aufhebung der zahlenmäßigen Begrenzung der Konzessionen rechtliche Probleme. Es lehnt darüber hinaus auch die Abschaffung der Tarifpflicht ab, die sowohl Preistransparenz für den Kunden ermögliche wie auch eine Kalkulationsgrundlage für Taxiunternehmen darstelle. Hinsichtlich des Betriebes von Uber werden verkehrsrechtliche Bedenken benannt. So gäbe es Probleme mit der Versicherungspflicht sowie Sicherheitsaspekte. Die Unterscheidung zwischen Mietwagen und Taxi hält das Ministerium jedoch für nicht mehr zeitgemäß; auch Mietwagen sollen im Straßenraum auf Laufkundschaft warten dürfen.
Vor- und Nachteile sieht die Thüringer Verbraucherzentrale. Zwar könne der Wettbewerb die Preise für die Kunden senken, jedoch ermögliche es ein Preiswirrwarr den „Schwarzen Schafen“ ebenso, überhöhte Preise zu verlangen. Trotz Digitalisierung werde es in Zukunft immer noch wartende Taxis vor den Bahnhöfen geben.
Die bislang erprobten Pflichten gewerblicher Personenbeförderung sichern die Bereitstellung von Taxis und Beförderung von Personen selbst dann, wenn dies wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Hier setzt die Kritik von Beer, Geschäftsführer des Landesverbandes Thüringen, an.
Die Absicherung der Mobilität werde nicht beachtet, so Beer gegenüber dem MDR, ebenso wie soziale Aspekte nicht beachtet würden. Er kritisierte, dass bei der Erstellung des Gutachtens Verbände „in keiner Weise“ einbezogen wurden.
Ein Mitautor des Gutachtens, Prof. Dr. Gernot Sieg vom Institut für Verkehrswissenschaften an der Wilhelms-Universität Münster, erwiderte gegenüber dem MDR, der Beirat arbeite „auf Basis interner Kompetenz“ und hole keine externen Gutachten ein. Es habe vor der Erstellung des Gutachtens weder Kontakte zu Unternehmens- noch zu Verbraucherverbänden oder dem Fahrtenvermittler Uber gegeben. Der Verbraucherschutz würde durch die Regeländerung verbessert, da der Kunde vor Fahrtantritt wisse, wie teuer seine Fahrt würde. Ortsunkundige müssten [durch die Deregulation des Marktes] nicht mehr befürchten, dass der Fahrer Umwege fahren könnte. prh
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Interne Kompetenz ist fast so schön wie Alternative Wahrheit….
„Verbraucherschutz wird verbessert, da der Kunde vorher wisse was die Fahrt kostet“
Ja, unmittelbar vor Fahrtantritt wird Herr Prof. Sieg feststellen, dass die Taxifahrt nach seinem Opernbesuch gerade das dreifache kostet. „Sorry“, wird ihm mitgeteilt, „hightime“!
Herrn Prof. Sieg mag das nicht anfechten. Anstatt die „lowtime“, die irgendwann beginnen wird, abzuwarten, kann er es sich aufgrund seiner sozialen Stellung leisten sofort und zum dreifachen Preis zu fahren.
Ein Herr Müller, gehbehindert und in Rente, hat einen Arztermin, auf den er vier Wochen hat warten müssen. Blöderweise ausgerechnet zur „hightime“. Nicht dass er nicht warten wollte. Nein! Er hatte den Arztermin schon extra in eine Zeit gelegt, die normalerweise günstigere Fahrpreise verspricht. Was er nicht vorhersehen konnte, ist der Ausfall der U-Bahn. Er kann sie aufgrund seiner Gehbehinderung zwar eh nicht nutzen, aber dieser Ausfall führt zu erhöhter Taxinachfrage und deren Vermittlungsalgorithmus errechnet sofort höhere Preise.
Tja, da hat der Herr Müller eben Pech gehabt!
Er kann das Geld sicher anderswo einsparen.
Ist das der Verbraucherschutz, den Sie meinten Herr Prof. Sieg? Oder kannten Sie den Vermittlungsallgorithmus nicht?
@Peter Kohl So ist es, hervorragend ausformuliert! Es sind einfach so viele Ungereimtheiten, die von den sogenannten „Doktoren“ und auch „Professoren“ in dieser Kommission der (Taxi-) Öffentlichkeit preisgegeben werden, dass man eigentlich nur ungläubig mit dem Kopf schütteln kann… Für die Wirtschaft (also die Investoren von Uber: Amazon, Google, Goldman Sachs) mag es natürlich hoch interessant und lukrativ sein, dass möglichst viele Fahrzeuge unterwegs sind, die personenbezogene Daten unter Zuhilfenahme von Bewegungsprofilen sammeln und diese dann für zukünftige Werbung aggressiv nutzen zu können – für die Taxler (aber auch Uber-Fahrer) eher nicht (wozu gibt es sonst eine limitierte Anzahl an Konzessionen??). Als Vergleich: Leiharbeit macht auch die Wirtschaft (und die Regierung) happy, die davon abhängigen Angestellten aber absolut nicht… Man kann schon seit einiger Zeit ein gesteigertes Aggressionspotential der Bürgerschaft auf den Straßen feststellen, was wohl auch mit der fehlenden Planungssicherheit und der geringeren Bezahlung zu tun hat…
Möglicherweise ist die Hightime immernoch billiger als ein Taxi. Wenn der Opernbesuch vorbestellt wird, hat der Kunde den Preis vorher und erlebt keine Überraschung.