Die Diskussion darum, ob sich Kurzstrecken für Taxler lohnen oder ob man sie vermeiden sollte, flammt tatsächlich immer wieder einmal auf – so jetzt auch wieder geschehen im Taxi-Times-Chat. Dabei sollte eigentlich doch klar sein, dass das eine nicht ohne das andere zu haben ist – zumindest nicht, wenn man vom Taxifahren leben will oder muss.
In der Rückschau berichten alle Taxifahrer der Welt auf Nachfrage amüsiert, was die kürzeste Tour ihres Taxilenkerlebens war: „Frau Müller ist mit mir wirklich nur um die Ecke gefahren, aber sie hatte Angst vor der Bulldogge des Nachbarn, Herr Meyer ist immer Dienstags abends nur ein Haus weiter gefahren, seine Frau dachte, er würde zur Kneipe fahren, das Nachbarhaus konnte sie aus dem Fenster nämlich nicht sehen, oder die Jungs sind nach einer Runde um den Platz doch tatsächlich wieder zurück in dieselbe Kneipe, aber es gab gutes Trinkgeld.“
Verklärte Vergangenheit, denn wenn einem Taxler solche Geschichten in der harten Gegenwart passieren, empfindet manch einer von ihnen eine Kurzfahrt als persönliche Beleidigung und reagiert, wenn man es fein ausdrückt, sehr „ungehörig“, wenn Fahrgäste es wagen, sich mit dem Wunsch für eine Fahrt um die Ecke in ihr Taxi zu setzen.
Manch einer reagiert dann sarkastisch: „Soll ich Ihnen vielleicht auch noch den Koffer tragen?“ „Ich beschreibe Ihnen gern den Weg, aber ein Taxi brauchen sie dafür nicht“ oder „… und dafür habe ich mir hier zwei Stunden die Reifen eckig gestanden“.
Solche Sätze sind unangebracht, kommen den Taxifahrern aber trotzdem über die Lippen – und manch einer bereut sie dann in der anschließenden Reflexion, der Fahrgast ist dann allerdings schon vergrault. Gerade am Bahnhof oder noch schlimmer am Flughafen müssen sich Fahrgäste, die es nicht weit haben, manchmal einiges anhören. Schlimmer noch: Viele Kunden erwarten auch gar nichts anderes mehr und fragen, bevor sie einsteigen, ob das überhaupt für eine solche kurze Strecke o.k. ist – „darf ich einsteigen, ich muss nur zum Marktplatz…?“ Oder aber sie laufen gleich. Oder sie ordern sich einen Mietwagen.
Sogar in der Presse lassen sich Taxler mit ihrer Ablehnung von Kurzfahrten zitieren. So berichtete die Frankfurter Neue Presse kürzlich von einem Fahrer, der seine Fahrgäste informiert habe, dass Taxifahrer oftmals keine Kurzfahrten mehr übernähmen, denn für viele Kollegen „lohne sich das nicht mehr“. So kann man natürlich gleich von vornherein den unliebsamen Kurzstrecken-Kunden von Hellelfenbein fernhalten.
Doch genug der Ironie. Jetzt kommen mal die Fakten – verbunden mit der Hoffnung, dass sich die Kurzstreckenverweigerer (und damit die Anti-Dienstleister) die folgenden Zeilen mal genau durchlesen: Kurzstrecke lohnt sich nicht“ ist schlicht und einfach falsch. Lässt man die vorherige Wartezeit am Halteplatz weg, kann man mit Kurzfahrten erheblich effektiveren Umsatz machen als mit jeder Fernfahrt. Man stelle sich vor, wie lange man für zehn Acht-Euro-Touren braucht, und wie lange eine 80-Euro-Tour in die Nachbarstadt dauert und wie viel Sprit das kostet – da kommt die Kurzstrecke gar nicht so schlecht weg.
Das Problem sind also nicht die Kurzstrecken, sondern ggf. die langen Wartezeiten am Halteplatz. Wer sein Geld damit verdienen will oder muss, die Einsteiger vom Bahnhof oder Flughafen zu kutschieren, muss eben ein dickes Fell haben, wenn zwischendurch auch mal eine Kurzstrecke dabei ist, auf die man zuvor zwei Stunden gewartet hat. Entweder, dieses Pech hebt sich mit dem Glück auf, dass man gestern noch eine Ferntour vom Bahnhof hatte, und als man wiederkam, standen die Kunden immer noch am Bahnhof und es ging nochmal 150 km auf DB-Kosten nach auswärts, oder es hebt sich auch langfristig nicht auf und man muss überlegen, ob man den richtigen Job gewählt hat.
Nicht ohne Grund sind es meist auch nicht die Lohnkutscher, die sich auf dieses Roulette-Spiel einlassen, denn ihr Chef würde ihnen was husten, wenn sie nach einer Neun-Stunden-Schicht mit 40 Euro wiederkämen. Bei einer Stunde Pause macht allein der fällige Lohn (12,82 Mindestlohn mal 8 Stunden plus – pauschal angenommen – 10 Prozent Urlaub und 5 Prozent Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, all das zuzüglich Mehrwertsteuer) knapp 130 Euro aus, und das Auto und die Zentrale kosten ja auch noch etwas. Wenn es aber stimmte, dass man für eine Zehn-Euro-Kurzstrecke regelmäßig zwei Stunden am Haltplatz warten muss, dann kämen da ja tatsächlich nur 40 Euro pro Schicht bei rum.
Trotzdem muss jeder serviceorientiere Taxifahrer ab und zu in den sauren Apfel beißen und auch zum zweiten oder dritten Mal am selben Tag mit einer der ungeliebten Kurzstrecken rechnen. Freundlichkeit sollte trotzdem zum Service gehören, sonst hat man den Job verfehlt.
Wo das Verhältnis von Aufträgen und Anbietern halbwegs stimmt, wo also der Rubel rollt, da haut eine Kurzstrecke niemanden um, sondern sie gehört zum gewohnten Alltag im Laufe der Schicht. Werfen Unternehmen aber umso mehr Autos auf den Markt, je weniger Umsatz diese pro Stunde einfahren, um nun doch noch etwas mehr Bares einzunehmen, da wird die Rechnung nicht aufgehen, weder beim Mehrwagenunternehmer noch beim Alleinfahrer mit eigenem Taxi, und auch weder mit noch ohne Kurzstrecke. Diesen Rechenfehler aber darf man nicht den verbleibenden Kunden zur Last legen, ansonsten bringt man alsbald keine Kunden, sondern sein Unternehmen um die Ecke, egal, wie klein oder groß es ist.
Übrigens: Arbeitsrechtlich wäre das Beschimpfen von Kunden wegen ihres Wunsches nach einer Kurzfahrt ein Abmahnungsgrund, und schon beim zweiten Mal ein guter Kündigungsgrund. Ihrem Unmut über die Enttäuschung, beim Touren-Roulette wieder mal verloren zu haben, geben aber nur die Taxler Ausdruck, die überhaupt mitgespielt haben. Real erklärbar ist dieser Kurzfahrtfrust eigentlich nur für diejenigen, die ausschließlich umsatzabhängig bezahlt werden (was aber in Zeiten von gesetzlichen Mindestlöhnen nicht mehr praktikabel erscheint).
Wer aber vom Taxifahren seinen Lebensunterhalt verdient, wird aber doch immer besonders dienstleistungsorientiert unterwegs sein, immerhin beleidigt man doch nicht die „Kuh“ die man melken will, oder?
Eigentlich gibt es ihn also gar nicht, den Fahrer (und die Fahrerin sowieso nicht) am Taxilenkrad, der Kunden für Kurzfahrten beschimpft. Es macht einfach keinen Sinn, denn der Kurzstreckenkunde von heut kann der Langstreckenkunde von morgen sein und umgekehrt und niemand wird doch seine Kunden beleidigen wollen, von denen er lebt. Also müssen wir uns auch keine Sorgen um die Konsequenzen machen … und wenn er nicht gestorben ist, dann wartet er noch heute auf die große Fernfahrt. rw
Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag entstand, nachdem in der Whats-App-Gruppe „Eine Stimme für das Taxi“ ein Taxi-Times-Leser während eines Städtetrips selbst zum Kunden mutierte und bei seinem Kurzstreckenfahrtwunsch auf einen Verweigerer gestoßen ist. Die daran anschließende Diskussion machte dann schnell deutlich, dass Kurzstreckenverweigerungen ein No-Go sind und in ländlichen Regionen deutlich seltener vorkommen als in städtischen Gebieten.
Die Whats-App-Gruppe „Eine Stimme für das Taxi“ ist ein von Taxi Times ins Leben gerufenes Kommunikationsforum, in dem sich die Taxi- und Mietwagenunternehmer bei Fragen und Problemen selbst helfen können oder Erfahrungen austauschen. Die Aufnahme in diese Gruppe erfolgt optional nach Abschluss eines Premium-Abonnements der Taxi Times.
Bild: Remmer Witte/freepic.com








Dazu ein Beispiel aus der Praxis der vor-Uber-Zeit:
Nach Eröffnung des neuen Münchner Großflughafens haben sich im und um den Flughafen herum viele Hotels angesiedelt. Wie nicht anders zu erwarten, führte das zu Fahrten zu diesen flughafennahen Hotels. Und innerhalb kürzester Zeit zu verärgerten Kunden und Hotelbetreibern.
Mittlerweile haben diese Hotels eigene Shuttle eingerichtet oder an Mietwagenbetreiber ausgelagert.
Das wäre alles nicht eingetreten, wenn konsequent alle Beförderungswünsche zur Zufriedenheit bedient worden wären.
Hochgerechnet sind somit ca 20-30% des am Flughafen möglichen Taxibezogenen Umsatzes verspielt worden. Verspielt? Nein, zerstört.
Ein bewertungssystem könnte da entgegenwirken
Sehr guter Artikel, Remmer. Es erinnert mich an meine eigene Taxlerzeit. Kurzstrecken nach einer langen Wartezeit waren auch damals nicht beliebt. Bewusstseinssache: wenn man diesen Fahrgast freundlich und höflich bediente, dann bestellte er vielleicht am nächsten Tag gerne ein Taxi für eine Tour durch das ganze Land.
Sehr schön geschrieben – du sprichst mir aus der Seele!!! 👏🏼😉
Fahrt ist Fahrt Punkt Habe es auch schon anders erlebt. Stehe am Bhf ER, Erster. Dame steigt ein, zur Frauenklinik bitte. Fahre also zähneknirschend hin, macht 6,90 bitte. Wie jetzt, wir sind schon da? Das hätten sie mir ja sagen können, das dass so kurz ist, dann wäre ich das gelaufen. Scho recht. Grrrrrrr. 😉
Der Beitrag ist, bezogen auf Berliner Verhältnisse, völlig daneben. Allein die Behauptung man hätte den Job verfehlt ist ein Hohn. Als ich vor über vierzig Jahren mit diesem „Job“ angefangen habe, gab es einen Anfahrtstarif. Man fuhr mit diesem bei Bestellungen an der Rufsäule zum Fahrgast und schaltete dann auf die Stufe „mit Fahrgast“ um. Der Fahrpreis gestaltete sich aus der Einschaltgeühr, dem Kilometerpreis und dem Preis für Wartezeiten. Die Wartezeit wurde ab Unterschreitung einer bestimmten Geschwindigkeit berechnet, wobei diese zu Gunsten des Taxifahrers griff. Also was mehr Umsatz brachte galt. Und das automatisch. Auch mit den uralten mechanischen Uhren. Dieser Wartezeitenpreis wurde mit der Einführung einer Karenzminute, die bei jedem Stopp vergehen muss, bevor die darauf folgende Zeit in Rechnung gestellt wird, praktisch aufgehoben. Dann gab es den Gepäckzuschlag und Zuschläge für beförderte Tiere. Es gab einen Zuschlag für unbare Zahlungen. All das gibt es nicht mehr. Und passend zum Artikel, ist ein Kurzstreckentarif eingeführt worden, den es vor 42 Jahren auch nicht gab und der vom Fahrgast bei angehaltenen Taxen gefordert werden muss, um ihn zu bekommen. Als er eingeführt wurde, war er mit zwei Kilometern und fünf Minuten begrenzt. Sobald eine dieser Voraussetzungen überschritten wurde, glich sich der Fahrpreis in ca. 500 Metern dem normalen Preis an. Die zeitliche Begrenzung dieser Kurzstrecke wurde vom Berliner Senat, ohne hörbare Widerrede der Gewerbevertreter, aufgehoben. Mit all den weggestrichenen Zuschlägen und sonstigen „Einnahmequellen“ eine respektlose Frechheit. Dann ist es eben ein Hohn, wenn sich ein Fahrgast, statt ein Taxi anzuhalten und für 6 Euro bis zu 2 Kilometer zu fahren, sich am Halteplatz in ein Taxi setzt, um sich 500 Meter kutschieren zu lassen. Das ist mit 5,70 Euro nämlich günstiger als der Kurzstreckentarif. Gleiches gilt für ein bestelltes, oder gar vorbestelltes Taxi. Zwei bis drei Stunden am Halteplatz warten, bis zur Bestelladresse fahren und Sprit verheizen und bei einer Vorbestellung auch noch vor der Tür des Bestellers mit dem unbezahlten Warten weitermachen. Da soll mir keiner mit Trinkgeld argumentieren. Den gibt es nicht als garantierte Einnahme, auf die man sich verlassen kann. Warum muss das Taxifahren überhaupt zum „Roulette“ werden? Warum hat der Senat das auch noch verschärft? Es gäbe eine praktikable Lösung, wie es sie in Oslo seit ewigen Zeiten gibt. Mindestpreise bei bestellten und am Halteplatz bestiegenen Taxen. Wenn die Einschaltgebühr am Halteplatz, statt knappen 100 Metern, ganze 2000 Meter, wie bei der Kurtstrecke, beinhalten würde, würde es gar nicht zur Ablehnung mit Verweis auf das Vorhandensein der Kurzstrecke kommen. Einen solchen Vorschlag hatte der Senat mit dem Argument, dass die im Anhörungsverfahren befindlichen „Gewerbezertreter“ sich nicht dazu geäußert hätten, in den Müll geworfen. Eine weitere respektlose Frechheit. Es kann eben nicht sein, dass Taxifahrern ständig etwas weggenommen und dann Räson verlangt wird. Taxifahrer sind Dienstleister und keine Leibeigenen. Weder vom Senat, noch von den Fahrgästen und in Berlin vor allen Dingen der Funkzentralen. Eine ordentliche Dienstleistung muss auch ordentlich bezahlt werden.
Danke für diesen historischen Rückblick, der so allerdings nur für Berlin zutrifft, während unsere Meldung ganz allgemein für alle Regionen zu verstehen ist. Leider entkräften Ihre Ausführungen unsere Argumentation nicht, dass Kurzstreckenverweigerung ein No Go ist. In der Mischkalkulation muss das drin sein. Gegenbeispiel: Die Verkäuferin eines Modeladens berät eine Kundin 2 Stunden lang. Die Kundin probiert 20 Kleider, kauft aber keines davon, sondern nur ein paar Strümpfe für 3,50 €. Am selben Tag hat die Verkäuferin aber auch eine Kundin, die in 15 Minuten zwei Kleider anprobiert und dann beide kauft. In der Mischkalkulation geht es dann wieder auf. Stellen Sie sich mal vor, die Verkäuferin hätte der ersten Kundin ein Hausverbot erteilt. „Sie haben nur für 3,50 E eingekauft, wir wollen Sie künftig als Kunden nicht mehr.“ Was wird diese Kundin machen? 1. Sie wird das teure Kleid, das sie vielleicht eine Woche später doch gekauft hätte, jetzt auf jeden Fall woanders kaufen. Und sie wird bei jeder Gelegenheit in ihrem Freundeskreis erzählen, welche Unverschämtheit ihr in diesem Modeladen widerfahren ist. Genau solche Auswirkungen hat es, wenn Taxifahrer Kurzstrecken verweigern oder die buchstäbliche „Einstiegshürde“ durch einen von Ihnen vorgeschlagenen Mindestfahrpreis haben. Das wäre vergleichbar mit einem Schild an der Türe eines Modeladens „Zutritt nur, wenn für indestens 12,50 Euro eingekauft wird.“
So wie Sie behaupten, dass meine Ausführungen Ihre Argumentationen nicht entkräften, tun es Ihre auch nicht bei meinen. Das Beispiel der Verkäuferin ist deplatziert. Mittlerweile werden mehr Kleidungsstücke über das Internet verkauft als im Laden. Im Umkehrschluss heißt das, dass wir Taxifahrer bis zur Einführung fahrerloser Taxis ordentlich bezahlt werden müssen. Bereits im ersten Satz meines Kommentars habe ich auf Berlin hingewiesen. Der Fahrpreis soll einen Interessenausgleich zwischen Fahrgast und Fahrer/Unternehmer herstellen. Wer nicht bereit ist für ein am Halteplatz bestiegenes Taxi 12,50 Euro zu bezahlen, hat in Berlin die Wahl statt dessen ein Taxi anzuhalten und die gleiche Strecke für 6 Euro zu fahren. Wenn der Senat angehaltene Taxen zu so einer Subventionierung verpflichtet, hat er auch die Pflicht für einen Ausgleich zu sorgen. Und das ist nicht die von Ihnen ins Feld geführte Mischkalkulation, sondern der Mindestpreis von sowohl am Halteplatz, als auch bei vor die Haustür bestellten und bestiegenen Taxen. Mindestpreise für Mietwagen fordern Sie doch auch.