Taktische Überlastung, Teil 2: Es ist überall das gleiche Bild. In Städten, in denen Mietwagenbetriebe streng kontrolliert werden, flüchten deren Besitzer ins Umland – um dann doch wieder in der Stadt zu fahren. Die Folge: Landratsämter werden mit Konzessionsanträgen überflutet. Neben den bisherigen Rechtsverstößen ist die Masse an Anträgen eine enorme Herausforderung für sie. Ein Beispiel aus dem Berliner Umland.
In Berlin scheinen inzwischen mehr Mietwagen mit Konzessionen aus umliegenden Landkreisen unterwegs zu sein als solche mit Berliner Konzessionen. Besonders häufig sind die Landkreise Teltow-Fläming, Dahme-Spreewald und Barnim vertreten. Es ist offensichtlich, mit welcher Dreistigkeit die Unternehmer und Fahrer die Rückkehrpflicht mit Füßen treten und damit den deutschen Rechtsstaat und die ehrlichen Beförderer verhöhnen. Der Landkreis Barnim hat – bezogen auf die Bevölkerung – eine rund 20 mal so hohe Mietwagendichte wie Berlin.
Taxiunternehmer Bernd Bachmann aus Bernau bei Berlin, vor kurzem aufgefallen, weil er einer von der Behörde vorgesehene Erhöhung des Taxitarifs bekämpft hat, beobachtet das Treiben der Mietwagenunternehmer seit Jahren, kennt die einschlägigen Betriebe und ihre Stellplätze und hat das Problem unter anderem in der Fragestunde einer Kreistagssitzung am 18. Juni und in der Stadtverordnetenversammlung am 18. September ausführlich angeprangert – und sich über das kriminelle Verhalten der Fahrer und Unternehmer und den seiner Meinung nach zu laschen Umgang der Behörden damit beschwert. In seiner Brandrede im Kreistag berief er sich unter anderem auf den Berliner Verkehrspolitiker Tino Schopf, Reportagen des rbb und auf Taxi-Times-Berichte.
Der taxi-ähnliche bzw. taxi-gleiche Mietwagenverkehr, den Mietwagenunternehmen mit Aufträgen von Uber, Bolt, Bliq, usw. durchführen, „beruht auf Rechtsverstößen. Sie können es nur betreiben, weil die Behörden nicht hinterherkommen – außer in Hamburg, da gibt es kein Uber-&-Co.-Problem, und zunehmend in Berlin, wo die Zahl der Mietwagenkonzessionen in den letzten 12 Monaten um mehr als 2.000 zurückgegangen ist“, so Bachmann. „Würden die Unternehmer und Fahrer sich an Recht und Gesetz halten, wären die Unternehmen in kürzester Zeit pleite. Das haben Gewerbevertreter und Juristen in zahlreichen Vorträgen immer wieder dargelegt.“ Bachmann nannte konkrete Firmen mit Adressen, an deren Betriebssitz er noch nie auch nur einen Mietwagen gesehen hätte, da diese Tag und Nacht in Berlin im Einsatz seien und manchmal auch in Bernau, denn auch er als Taxiunternehmer verzeichne längere Standzeiten als früher, während Mietwagen offenbar gut ausgelastet seien und die Fahrer keine Hemmungen hätten, sich beispielsweise auf Taxihalteplätzen wie am Bahnhof Bernau bereitzuhalten und potentielle Fahrgäste anzusprechen. Doch es geht noch krimineller: „Mietwagen fahren in den verbotenen Bereich ein, wo nur ÖPNV, also Linien- und Taxiverkehr erlaubt ist, und blockieren die Taxen bei der Abfahrt. Das ist auf Bildaufnahmen dokumentiert“, so Bachmann.
„Wenn so ein Unternehmer mit einer zwei- oder gar dreistelligen Zahl an Mietwagen aus Berlin zum Beispiel nach Bernau flüchtet und seine Fahrzeuge hier anmeldet, dann steht unsere Genehmigungsbehörde vor der Herausforderung, in angemessener Zeit die notwendigen Kontrollen durchführen, die das Personenbeförderungsgesetz verlangt, also unter anderem Überprüfungen der Geschäftsführer, dass diese zuverlässig und nicht kriminell sind, Überprüfungen der Betriebssitze, dass diese über genügend Parkplätze und hinreichende Räumlichkeiten einschließlich Sanitäranlagen verfügen usw. usw.“ Die nahezu einzige Handhabe bestehe darin, die Firmen beim Versuch, sich niederzulassen, effektiv zu kontrollieren und ihnen aus jedem hinreichenden Grund die Lizenzen zu versagen. In Hamburg funktioniere das. Im Landkreis Barnim dagegen machten die über 260 Mietwagen mit ihren Dumpingpreisen nicht nur den rund 30 Taxis, sondern sogar dem Linienverkehr Konkurrenz. Die Zeche zahle der Steuerzahler.
Auf Anfrage von Taxi Times nannte das Landratsamt Zahlen, die eine deutliche Sprache sprechen: Während die Anzahl der Taxikonzessionen in Bernau bei Berlin von Juni 2024 bis Juni 2025 von 18 auf 20 gestiegen sei (ein Plus von elf Prozent), hat die Zahl der Mietwagenkonzessionen sich in denselben zwölf Monaten mehr als verdoppelt: von 111 auf 254. Im gesamten Landkreis (ohne die Kreisstadt Eberswalde, die eigene Konzessionen verwaltet) stieg die Zahl von 277 auf 404. Und: „Ende Juli 2025 lagen sieben Anträge für insgesamt 197 Mietwagenkonzessionen vor. Davon wurden 3 Anträge für 103 Fahrzeuge von Unternehmen gestellt, welche den Standort in der Stadt Bernau bei Berlin begründen möchten.“ Dass ein Flächenlandkreis 20 mal so viele Mietwagen wie Taxis braucht, dürfte kaum jemand annehmen.
Auf die Frage, ob massenhafte Konzessionsanträge, die die Kapazitäten der Verwaltung übersteigen, ungeprüft durchgewinkt werden, antwortet das Landratsamt selbstbewusst: Man hat auf die Entwicklung bereits reagiert und kontrolliert schon bei Antragstellung behördenübergreifend wie in Berlin und Hamburg. „Trotz der gestiegenen Anzahl an Anträgen auf Mietwagenkonzessionen ist es in keinem der Verfahren zu einer Genehmigungsfiktion nach § 15 Abs. 1 PBefG gekommen. Die Straßenverkehrsbehörde des Landkreises Barnim steht bei jedem Antrag mit dem LABO [Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, die Berliner Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde für Taxis und Mietwagen, Anm. d. Red.] im Austausch. Zudem wurden die einzureichenden Unterlagen bei Antragstellung im gesetzlichen Maß erhöht und die Anforderungen an die Antragstellenden ausgeweitet. Im Zuge der Antragsprüfung arbeitet die Genehmigungsbehörde des Landkreises Barnim eng mit den zu beteiligenden Behörden wie dem örtlichen Finanzamt, den örtlichen Gewerbeämtern, der BG Verkehr, dem Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit, sowie dem Hauptzollamt zusammen. Zudem werden in Zusammenarbeit mit dem Bauordnungsamt im Anhörungsverfahren die planungs- und baurechtlichen Aspekte geprüft. Hierbei liegen insbesondere die Notwendigkeiten einer Bau-, Nutzungs- sowie Stellplatzgenehmigung im Fokus. Darüber hinaus wird jeder Betriebssitz vor Erteilung persönlich durch die Straßenverkehrsbehörde abgenommen. Mit Erteilung einer Genehmigung wird nunmehr von vornherein eine Betriebsprüfung nach 6 Monaten angeordnet. Aufgrund dieser Verfahrensweise wurden erste Unternehmen zur Rücknahme ihrer Anträge bewegt. Einzelne Anträge wurden zudem abgelehnt, da die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 13 des PBefG i. V. m. §§ 1 bis 3 der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr nicht vorlagen.“
Bisher scheint die Wirkung noch eher dem berühmten Tropfen auf den heißen Stein zu ähneln, wie das Bild auf Berlins Straßen zeigt. Doch die Landratsämter sind zumindest informiert und haben bereits Maßnahmen ergriffen, wie nicht nur das Beispiel Barnim zeigt (dazu demnächst mehr in Teil 3). ar
Lesen Sie zu diesem Thema auch Teil 1: Taktische Überlastung: Kriminelle fluten Behörden mit Konzessionsanträgen
Beitragsbild: Symbolfoto Pixabay (Joergelman), mit KI bearbeitet; BAR-Mietwagen in Berlin (Foto: Axel Rühle)









Was soll man dazu sagen….. umweltfreundlicher geht es nicht … nachhaltig aber wie …
Wer halbwegs mit dem permanenten Verstoß der Pseudotaxis gegen die Rückkehrpflicht vertraut ist, kann sich nur wundern.
Tagtäglich kann jeder mit wachen Augen hier in München Mietwagen zum Teil komplett ohne Konzession oder ohne entsprechende blaue Kennzeichnung beobachten. Sowohl Pkw verschiedener Marken als auch Kleinbusse.
Sogar Kombinationen von Münchner Autozulassungen mit auswärtigen Mietwagenkonzessionen sind zuhauf anzutreffen. Um zu verschleiern, dass der Betriebssitz gar nicht am Ort des Kfz-Kennzeichens liegt.
In verschiedenen Gesprächen mit Streifenpolizisten oder auch Parküberwachern habe ich deren Ahnungslosigkeit erlebt.
Und das, obwohl sämtliche Behörden, die zuständig sind für die Einhaltung unserer entsprechenden Regeln fürs Personenbeförderungsgewerbe, von Beginn an informiert sind. Dieser Beginn war 2012, vor 13 Jahren!
Die erwartbare Strategie der Behördenüberlastung durch Pseudotaxibetreiber war allerdings glasklar absehbar!
Warum nur hat wieder mal keiner vorgesorgt!
Ich bin mal gespannt, wie lange es dauert bis in Berlin nach dem 1.1.2026 wenn in Essen der Mindesttarif gilt hier in Berlin mit Essener Kennzeichen herumfahren. Ich glaube die ersten wären nach drei Wochen sichtbar und dann werden es immer mehr.
also in Berlin fahren schon mittlerweile einige Mietwagen,mit münchener Kennzeichen 😂
Wir beobachten diese Veränderung der Kennzeichen auch verstärkt in Potsdam,
Es sind Kennzeichen mit BAR, HD, L, LC, TF ZS , HVL selbst mit P aber nur in Berlin .Besonders eindrucksvoll ist das am BER ab 22:00 Uhr mit und ohne Konzessionsnummer . Wir haben unsere Behörden auch schon sensibilisiert. Und immer wieder die Frage warum fahren die nicht Taxi dann hätten wir genug .
Wer hätte das vorher gedacht? Bestandsaufnahmen braucht keiner mehr. Lösungen bitte!
Was ist mit Hamburger Model ? Wieso geht man nicht in andern Städten wie in Hamburg vor ? Weil es gewollt ist ?