Wer ein schönes Beispiel haben will, wofür sich eine sozialdemokratische Partei wie die SPD einsetzen soll, muss nach Essen schauen. In München dagegen opfert man die eigenen Werte und 6.000 Arbeitsplätze für das Bestreben, als Vorreiterstadt für Robotaxis in die Annalen einzugehen.
Eines vorweg: Meinungsvielfalt und Pluralität sind in einer Demokratie ein wertvolles Gut. Daher ist es völlig legitim, dass in einer Sache unterschiedliche Sichtweisen und Interpretationen bestehen. Solche unterschiedlichen Ansichten treten derzeit in Bezug auf die Notwendigkeit auf, Mindestbeförderungsentgelte (MBE) für Mietwagen in Deutschlands Städten einzuführen. Die Meinungen dazu sind oft auch parteipolitisch geprägt. Eine FDP beispielsweise agiert seit Jahren als verlässlicher Verbreiter und Befürworter der Uber-Ideologie. 2017 zählte Uber zu den größten Parteispendern. Da scheint man sich nach wie vor zu Dank verpflichtet zu fühlen, trotz der zwischenzeitlich veröffentlichten Uber-Files und all der seit Jahren bekannten Rechtsbrüche der Uber-Partner. Auch eine CDU bzw. in Bayern CSU agiert beim Umgang mit Uber eher zögerlich, vertritt aber klar die These, dass es wenigstens rechtskonform zugehen muss.
Bei einer SPD muss es dagegen völlig klar sein: Deren DNA ist es, auf der Seite der Arbeitnehmer zu stehen, was dann gleichbedeutend mit einer Politik für faire Löhne und gegen Sozialdumping ist. Damit müsste auch bei jedem SPD-Genossen die Uber-Haltung ganz klar sein: Plattformen, deren Geschäftsmodell Profit nur auf Kosten der eigenen Partner abwirft, darf man als SPD-Mitglied nicht gutheißen – außer, man erkennt nicht den Unterschied zwischen Fakten und Fake oder hat längst andere Deals abgeschlossen.
Diese Vermutung drängt sich bei der Münchner SPD bei deren Umgang mit der Uber-Thematik auf. Wenige Wochen nach der Ablehnung des MBE wurde bekannt, dass Uber und das chinesische Technologie-Unternehmen Momenta KI-gesteuerte Robotaxis nach Europa bringen wollen. München soll der Startpunkt sein. „Wir brauchen`s in München“, hat sich Münchens OB Dieter Reiter Anfang September zitieren lassen. Gemeint war damit die vom bayerischen Ministerpräsidenten Söder geäußerte Zukunftsvision, 20.000 selbst fahrende Shuttles und 5.000 autonome Busse fahren zu lassen.
Welche Stadt will bei so einer bahnbrechenden Verkehrswende nicht der Vorreiter sein? Um Uber dafür nach München zu locken und bei Laune zu halten, darf man den Konzern natürlich nicht mit einem MBE ärgern. Reiter opfert die Taxibranche dem Drang, als erste deutsche Stadt mit autonomen Robotaxis in die Geschichtsbücher einzugehen. Da sind ihm dann laut eigener Aussage auch die 6.000 Wählerstimmen egal, die er damit bei der im März 2026 anstehenden Kommunalwahl verlieren würde. Es geht hier aber nicht 6.000 verlorene Wählerstimmen – es geht um 6.000 Arbeitsplätze, die leichtfertig geopfert werden. Das Taxigewerbe zählt in seiner Summe zu den zehn größten Arbeitgebern der Landeshauptstadt.
Diese Arbeitsplätze nicht erhalten zu wollen, widerspricht völlig dem sozialdemokratischen Grundsätzen einer SPD. „Ich fühle mich auch persönlich als Sozialdemokrat vor meinen Kollegen:Innen blamiert und im Stich gelassen“, äußert sich Horst Wiegand in einer Rundmail an die Münchner Parteigenossen. Wiegand ist SPD-Mitglied und gehört dem Vorstand des Taxiverband München (TVM) an. Auch sein Frust richtet sich vornehmlich gegen den Oberbürgermeister (OB). „Der OB, obwohl er wissen muss, dass es brennt, hat uns einen Termin erst am 19. November eingeräumt. Wir brauchen den Termin jedoch sofort und am besten noch heute.“
Hintergrund dieses Unmuts: Als Münchner Gewerbevertreter kurz vor dem Start des Oktoberfestes nach einer Taxidemo einen Brandbrief an den OB persönlich im Rathaus abgegeben hatte, hatte der OB einen Gesprächstermin „nach der Wiesn“ versprochen. Sich nun aber erst am 19.11.25 Zeit zu nehmen, dürfte die Gemüter im Taxigewerbe kaum beruhigen. Es sollte für einen Bürgermeister eigentlich nur wenige Themen geben, die in der Prio wichtiger sind als ein Treffen zum Erhalt von 6.000 Arbeitsplätzen.
Immerhin scheint sich wenigstens innerhalb der Münchner SPD ganz allmählich die Erkenntnis durchzusetzen, dass man mit der 17:1 Entscheidung gegen das MBE vielleicht doch ziemlich falsch gelegen hat. Bei einem Treffen mit dem Münchner Taxigewerbe in dieser Woche haben sich immerhin zwei SPD-Politikerinnen die Argumente der Taxibranche angehört. Sie seien sich der Notwendigkeit eines MBE bewusst und dass bei dieser Thematik Tempo gemacht werden müsse, hatten sie sich geäußert. Sie würden sich auch keiner Illusion hingeben, dass Plattformanbieter freiwillig einer Selbstverpflichtung nachkommen würden. Genau das steht aber im Änderungsantrag, mit dem die SPD Ende Juli den eigentlichen Antrag auf Einführung von MBE gekippt hatte.
Als das verhält sich völlig diametral zur eigentlichen Parteilinie. Wo diese eigentlich liegen müsste, hatte Julia Klewin, ebenfalls SPD, vor rund zwei Wochen im Essener Stadtrat erklärt, kurz bevor ihre Partei gemeinsam mit nahezu allen anderen Parteien für die Einführung eines MBE in Essen gestimmt hatten. „Es liegt heute an uns, zumindest unseren Teil der Verantwortung zu übernehmen. Mit den Mindestentgelten geben wir Essener Mietwagenunternehmen die Möglichkeit, sich gegen dieses Preisdiktat eines Weltkonzerns zu stellen. Sie erhalten die Möglichkeit, kostendeckend zu arbeiten, faire Löhne zu zahlen“, führte Klewin weiter aus. „Mit der Anpassung der Taxitarife schaffen wir einen Wettbewerb, der auf mehr Augenhöhe stattfindet und nicht durch Ausbeutung, sondern durch Fairness.“
Das Fazit von Frau Klewin sollte sich auch die Münchner SPD zu Herzen nehmen: „Wir machen damit eines klar. In Essen gelten Regeln für jede Bürgerin, für jeden Bürger und auch genauso für internationale Konzerne, die glauben, sie stünden über dem Gesetz. Wenn wir wollen, dass Menschen in dieser Stadt wieder vertrauen und mehr Vertrauen in die Politik und in die Institutionen haben, dann müssen wir das zeigen. Essen lässt sich nicht von einem globalen Unternehmen vorführen.“
München sollte sich unter einem SPD-Bürgermeister dieser Argumentation ganz schnell anschließen, anstatt 6.000 Arbeitsplätze dem Geltungsdrang einer „Vor-REITER-Stadt“ mit Robotaxis zu opfern. jh
Beitrags-Symbolfoto: Taxi Times









Kann man nicht den MBE nur für Fahrzeuge mit Fahrer schreiben ? Ich meine wenn man sich ein autonomes Fahrzeug bestellt dann gilt MBE nicht z.b .
Robo-Taxi wird kommen. Wann? Das ist die spannende Frage.
Muss aber schon wieder öffentliches Geld in direkte und indirekte Subvention von außereuropäischen Technologien fließen?
Und soll schon wieder mal auf Kosten des (noch) existierenden Taxigewerbes ein ‚Pilotprojekt‘ aufgepäppelt werden? Die Geldverschwendung bei Moja und anderen sogenannten ‚Verkehrsversuchen‘ sind hinlänglich bekannt.
Die haben dem Taxigewerbe schon heftig geschadet, statt die Potentiale im Zusammenführen dieser verschiedenen Verkehrsformen mit dem Taxi zu nutzen. Das wäre auch noch eine willkommene Unterstützung des durch kriminelle Konkurrenz gefährdeten Taxigewerbes gewesen. Ohne Kosten für die öffentlichen Kassen.
Das Taxigewerbe selbst wird dazu übergehen, autonome Fahrzeuge im Betrieb einzusetzen. Das ist ein ganz natürliches Ergebnis betriebswirtschaftlicher Logik.
Allerdings dann, wenn es für den Betrieb und die Kunden sowohl finanziell wie organisatorisch sinnvoll ist. Den Unfug dieser Doppelstruktur wie bei Moja braucht kein Mensch.
Niemals wird sich ein deutsches Taxiunternehmer den Aufwand für eine autonome Flotte leisten können. Die Auflagen wird er nicht erfüllen können. Preiswertere Fahrten wird es dadurch auch nicht geben.
Technik kommt um zu bleiben. Dampfmaschine und Kohle wurden abgelöst von Motoren und Erdöl. Telefon durch Smartphone.
Alles Werkzeuge.
Aber verbunden mit dahinterliegenden wirtschaftlichen Interessen, verbunden mit Geld, sind es Machtwerkzeuge.
Jetzt kommen also nach den Vermittlungsplattformen die autonomen Fahrzeuge mit der finanziellen Macht dahinterstehender Investoren. Und deren Interesse ist ausschließlich maximaler Profit.
Es geht nicht nur um die Arbeitsplätze in unserem Gewerbe. Es geht um die Macht im Land. Wer hat die Kontrolle über die Spielregeln und wer setzt sie durch.
Es geht letztlich wieder um unsere regelbasierte sozial-marktwirtschaftliche Demokratie. Genau wie bei UberBolt&Co.
Irrtum! Die Autonomen kommen nicht nach den Plattformen. Sie sind die Plattformen.
Aber ne Frage wird bis dahin erstmal Schwarzarbeit und Betrug geduldet bis dieses Projekt gestartet wurde bzw gestartet getestet wird? Verstehe nicht
Man möchte sich nicht ausmalen wenn so ein autonomes Fahrzeug gehackt würde
In Monheim am Rhein gibt es das seit ca. 2020. Bisher arbeiten in dem Projekt dort mehr Leute, als zuvor ohne „Autonomie“. Sehr teure Angelegenheit und so nicht wirtschaftlich. Nutzer sind keine Menschen, die morgens zur Arbeit müssen. Erfahrungen damit haben die Monheimer also. Was haben sie damit gewonnen? Das sich der Ausbau erstmal nicht lohnt.