Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Die Taxi-Times-Redakteurinnen und Redakteure blicken auf ihre persönlichen Taxi-Highlights zurück. Der freie Redakteur Remmer Witte rückt dabei die Künstliche Intelligenz (KI) in den Mittelpunkt.
Auf der Jahreshauptversammlung des Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) im November trug der KI-Experte Jan Koch sehr eloquent vor, warum aus seiner Sicht in der wirtschaftlichen Zukunft – also auch im Taxi und Mietwagen – ohne die Nutzung künstlicher Intelligenz gar nichts mehr geht. Jan Koch ist Geschäftsführer der KoBra Dataworks GmbH, ein Unternehmen aus Gelsenkirchen, welches maßgeschneidert KI-Assistenten für Unternehmen baut.
Neben vielen anderen Anwender-Details erklärte Koch, dass AI oder KI (AI ist KI auf Amerikanisch), eben gar nicht so super schlau und uns Menschen überlegen ist. KI ist einfach nur unschlagbar darin, in kürzester Zeit vorliegende Daten zu analysieren und mit neuen Anforderungen abzugleichen, um so sinnvolle Ergebnisse zu erzielen. Als Nutzer muss ich also nur konsequent darüber nachdenken, welche Dinge ich immer wieder tue, wo ich also immer wieder unkreativ dieselben Informationen nutze, um dann genau diese Arbeitsabläufe zu digitalisieren. Dazu muss ich diesen Prozess zunächst in die einzelnen Schritte zerlegen, und dann möglichst flexibel automatisieren. Früher hieß das Produkt Fließband, heute ist das auch auf andere Bereiche erweitert und nennt sich nun KI.
Gerade das Verkehrsgewerbe sei für KI-Anwendungen prädestiniert, von einer automatisierten Auftragsannahme – wie es das Taxigewerbe unter dem Namen Chat-Bot schon länger kennt – über automatisierte Routings, die Zeit und Kosten sparen. Der böse Mitbewerber Uber nutzt schon lange eine KI, die vor allem freie Fahrzeuge dort positioniert, wo sie demnächst gebraucht werden (im Taxi hieß das früher Halteplatz). Ein weiteres Anwendungsfeld sind digitalisierte Rechnungen, wo die Details nicht mehr zeitaufwändig und fehleranfällig abgetippt werden müssen, sondern sofort mit ihrer Entstehung digital verfügbar bleiben. Zusätzlich ermöglicht KI auch die Vorhersage über wahrscheinliche Auftragsvolumina, was eine optimierte Schichtplanung zulässt, ein sehr wichtiger Faktor für Mehrwagenunternehmen in Mindestlohnzeiten.
KI kann also gar keine Wunderdinge, KI kann einfach nur vieles, was im Taxi- und Mietwagengewerbe schon seit Ewigkeiten Alltag ist, einfach nur genauso gut oder manchmal auch besser als wir. Diese Wahrnehmung der KI war mir neu und, wie so oft nach eloquenten Vorträgen fuhr ich nach Hause und war überzeugt, dass jedes (Taxi-)Unternehmen, das nicht am besten schon morgen KI-Nutzungen in seine Arbeitsabläufe integriert, mittelfristig bestenfalls wirtschaftliche Nachteile verkraften muss und schlechtestenfalls alsbald pleite sein wird.

Nach wenigen Tagen kamen mir dann trotzdem wieder die Zweifel. Ja, es wird wohl so sein, dass wir an der Nutzung der KI kaum mehr vorbeikommen, aber ist es deswegen wirklich sinnvoll, sich ihr überall mit voller Begeisterung auszuliefern?
Schon vor gut zwei Jahren habe ich eine Meldung für Taxi Times von ChatGPT schreiben lassen, war dann anschließend aber fast genauso lange, wie das Selber-Schreiben an sich gedauert hätte, damit beschäftigt, den Text in ein lesbares Format zu schleifen. Außerdem macht es als seriöser Schreiberling Sinn, die vermeintlichen Fakten, auf die sich beispielsweise ChatGPT bezieht, noch mal nachzurecherchieren. Es ist immer noch so, dass diese KI teilweise auch zweifelhafte Quellen nutzt oder sich sogar mal selbst etwas ausdenkt, wenn im Internet nichts Sinnvolles zu finden ist.
Vor wenigen Tagen erlebte ich in einer Talkshow Marc-Uwe Kling, unter anderem Autor der Känguru-Chroniken, als einen sehr kritischen Geist im Umgang mit der KI, der mir aus der Seele sprach. Kling kritisiert nicht unbedingt KI an sich, er trug aber vor, dass er zumindest ChatGPT und andere Internet-Bots, welche KI für alle nutzbar macht, doch häufig für weit überbewertet hält. Er prägte das Bild eines Wiener Schnitzels für diese Art der KI, welches oft ganz gewaltig aufgeblasen daherkommt, unter der Panade dann aber erst mal ganz viel heiße Luft versteckt, bevor sich im Inneren ein kleines Schnitzel findet.
Dieses kleine Schnitzel in der überdimensionierten Hülle aber, von dem Kling sprach, ist wohl die positive Essenz, die auch Jan Koch auf der GVN-Versammlung für die Taxi- und Mietwagenbranche zu destillieren versuchte. Koch belegte dies mit einem Alltagsbeispiel. Ein Fahrer, der des Deutschen nur rudimentär mächtig ist, ist an einem Unfall beteiligt. Anstatt nun mit großem Aufwand und wenig Effekt persönlich die Befragung des Fahrers um die Unfalldetails durchzuführen, lässt sich alternativ auch ein Bot nutzen, der die Muttersprache des Fahrers bei den Mitarbeiterdaten abfragt und dann die bestehenden Fragen dem Fahrer übersetzt – beispielsweise per WhatsApp – zukommen lässt. Die rückübersetzten Antworten ermöglichen so schon kurz nach dem Unfall eine zuverlässige Analyse, wie nach dem Schaden mit dessen Abwicklung weiter verfahren soll. Das haben sich bestimmt schon viele mal gewünscht, oder?
Die Erkenntnis: KI ist eben nicht nur ChatGPT, KI bedeutet aber auch nicht, dass wir uns zum Opfer von Superprogrammen machen müssen, die wir selbst nicht mehr verstehen. KI kann einfach nur ein Instrument sein, welches wir uns Stück für Stück zu Diensten machen können. Und KI lässt sich auch als Baukastensystem verstehen, bei dem man sich immer das Tool aus dem Baukasten holt, welches man gerade gerne hätte. Das geht natürlich nur, wenn man sich zuvor schon mal für ein Baukastensystem entschieden hat. Alles also wieder wie früher, Lego oder Fischertechnik, Märklin oder Trix, Apple oder Windows, Hale oder Kienzle, MPC oder taxi.de, TSE-Card oder Cloud.
In diesem Sinne geht – auch für das Taxi- und Mietwagengewerbe – tatsächlich kein Weg an der KI-Nutzung vorbei, ohne dass ich meinen gesunden Menschenverstand und auch mein erlerntes Wissen und meine Erfahrung als überholte Tools an den Nagel hängen muss. Für den Moment bin ich also wieder beruhigt, mal sehen, wie lange das hält…
Einen guten Start in das neue Jahr wünscht

Remmer Witte








