Nachdem die Verbände allenfalls hinter den Kulissen gegen die Beseitigung des Taxihalteplatzes vor dem Berliner Hauptbahnhof vorgehen, hat eine AG aus Taxiunternehmern nun vor Ort öffentlich protestiert.
Die Kundgebung am Dienstagvormittag war nicht von den Taxiverbänden organisiert worden, von denen es in Berlin ganze fünf gibt, sondern von einer kleinen Gruppe Taxiunternehmer, die sich „AG Hauptbahnhof“ nennt. Der Name bedarf keiner Erklärung. Die Nordseite des Hauptbahnhofs ist ein neuer Punkt auf der Liste der Orte, an denen es für Berliner Taxifahrer kein Geschäft mehr gibt.
Anlass der Demo: Das Bezirksamt Mitte hat wie angedroht mit der Umgestaltung des Europaplatzes begonnen – in Kooperation mit der Deutschen Bahn AG und der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU). Zunächst ohne vernehmbare Reaktion aus dem Taxigewerbe ist der wichtigere der beiden Taxihalteplätze am Hauptbahnhof beseitigt worden. Die Planungen dafür reichen lange bis in Zeiten zurück, als Regine Günther und Bettina Jarasch das Verkehrsressort im Berliner Senat leiteten. Bei einer Sitzung mit Vertretern der Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Verkehr, des Straßen- und Grünflächenamts Mitte und der Deutschen Bahn AG am 3. März hatte der 1. „Innungs“-Vorsitzende Leszek Nadolski der Umgestaltung des Platzes mit Wegfall des Halteplatzes zugestimmt.
Die heutige Verkehrssenatorin Dr. Manja Schreiner hat sich in die Problematik bislang nicht eingeschaltet, obwohl die CDU-Politikerin sich dem Berliner Taxigewerbe gegenüber deutlich kooperativer zeigt als ihre grünen Vorgängerinnen.
Da im Taxigewerbe, auch in der „Innung“ selbst, kaum Einverständnis mit Nadolskis Zustimmung herrscht, haben Gegner der taxifeindlichen Umgestaltung, von denen viele selbst „Innungs“-Mitglieder sind, die AG gegründet. Die Demo auf dem Europaplatz wurde von Halteplatz-Experte Danielo Baltrusch und Radiomacherin Sonja von Rein organisiert und angemeldet. Unterstützt wurden sie von IHK-Vertreter Michael Klewer, ver.di-Gewerkschafter und „Taxisoziallotse“ Klaus Meier sowie von Timuçin Çampınar, Moderator der Facebook-Gruppe „Taxigruppe Berlin“.
Timuçin Çampınar war Kundgebungsmoderator und erster Redner. Nachdem er die Teilnehmer begrüßt hatte, erinnerte er daran, dass die Politik, die sich bemüht, das Chaos auf dem Platz zu beseitigen, dies auch selbst verursacht habe. Nun halte sie am „Grundsatz an Fehlplanungen“ fest, weshalb Taxis hier nicht mehr laden und entladen können. Damit trage die Politik die selbst verursachten Fehler auf dem Rücken des Taxigewerbes und der Reisenden aus. Am Washingtonplatz werde man einen Verkehrsinfarkt erleben, während – so Çampınar ironisch – Familien mit Gepäck E-Scooter zum Erreichen des Bahnhofs nutzen sollen.
Richard Leipold, Vorsitzender der Berliner Taxivereinigung e. V. (BTV), unterstellte in seiner Rede, der Senat wolle zwar, dass der Hauptbahnhof eine „Visitenkarte“ für Berlin ist, habe aber nur die „Lufthoheit“. Die „Bodenhoheit“ habe das Bezirksamt Mitte, und dieses habe „beschlossen“, dass sieben Taxis für den Hauptbahnhof ausreichen (das entspricht in etwa der Kapazität der Ladeleiste am Washingtonplatz).
In anderen europäischen Hauptstädten funktioniere die Taxi-Anbindung sehr viel besser. Er habe in kurzer Zeit viermal gesehen, dass Fahrgäste, die ein Taxi suchten, zum anderen Ausgang des Bahnhofsgebäudes hätten ausweichen müssen – eine „Schande“. Er beschrieb ein ironisches Szenario, bei dem eine hochbezahlte Bezirksamts-Mitarbeiterin am Europaplatz steht und die Fahrgäste zum anderen Gebäudeende schickt, wo wiederum der Taxi-Times-Reporter filmt, wie 200 gleichzeitig eintreffende Zugfahrgäste sich auf sieben Taxis verteilen.
Leipold habe zusammen mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) einen Plan entworfen, nach dem das Bereithalten von Taxifahrgästen an beiden Seiten des Bahnhofs problemlos möglich sei.
Sonja von Rein machte es kurz: Der Europaplatz solle nach Vorstellungen des Bezirksamtes autofrei werden, „und weil Taxis auch Autos sind“, sollen sie dort keine Fahrgäste mehr aufnehmen. Stattdessen solle Platz geschaffen werden für Fahrräder, E-Scooter, E-Bikes, E-Roller, „für alles Mögliche , was im Moment so modern und hip ist und angeblich umweltfreundlich“. Man möge sich vorstellen, aus dem Bahnhof kommen Reisende mit Koffern, Kindern, Kinderwagen und Rollatoren und müssen auf E-Scooter steigen – oder mit Sack und Pack durch den ganzen Bahnhof zum anderen Ausgang pilgern – „ein wunderschönes Willkommen in unserer Hauptstadt“.
Michael Klewer dankte Sonja von Rein für ihre Mühe und ihr Engagement und kritisierte, das Taxigewerbe sei angesichts der Anfahrtswege, die er mit einer Gokart-Bahn verglich, „von Anfang an das Stiefkind“ am Hauptbahnhof gewesen. Mit dem Wegfall des Europaplatzes als Auslademöglichkeit seien aus nördlicher Richtung kommende Fahrer gezwungen, mit ihren teils in Eile befindlichen Fahrgästen umständlich um den Bahnhof herum zum Washingtonplatz zu fahren. Für einen der größten Bahnhöfe Europas sei das „beschämend“. Der Senat nehme das Taxigewerbe nicht als Teil des ÖPNV wahr und schütze es nicht vor den illegal agierenden Mietwagen und App-Vermittlern, die er als „neue Form der organisierten Kriminalität“ bezeichnete.
Nächster Redner war Andreas Komrowski von der AG Taxi bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Berlin, die sich, wie er einleitend erläuterte, nicht nur um Löhne kümmere (zu denen es im Taxigewerbe durchaus „eine ganze Menge zu sagen gäbe“), sondern auch um Arbeitsbedingungen.
Dazu zähle er nicht nur Schichtzeiten, bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sondern auch den Arbeits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. „Wir wollen weder erzwungene Langeweile mangels Aufträgen noch Hetzerei und Gesundheitsgefährdung“. Arbeitsplatz sei neben dem Taxi auch seine „nähere Umgebung, sei es an der Tankstelle oder eben am Halteplatz“.
Als Taxifahrer seit über 28 Jahren wisse Komrowski, wie wichtig sichere und problemlos anfahrbare Halteplätze sind. „Die Streichung der Halte am Europaplatz führt zu chaotisch herumirrenden Reisenden […]. Den Senat scheint das nicht weiter zu interessieren.“ Nun solle man „als eine Art Randerscheinung auf die billigen Restplätze verdrängt werden“. Der Senat setze „scheinbar weiterhin auf Mietwagen, die von spekulativem Kapital finanziert sind, und die nur mit massivem Lohndumping existieren können. Mit Daseinsvorsorge hat das nichts zu tun. Wir dürfen uns das nicht länger gefallen lassen.“
Sein Gewerkschaftskollege Klaus Meier stellte sich als „der Berliner Taxisoziallotse“ vor, der sich um die „kleinen Sorgen und Nöte“ der Taxifahrer kümmert. Meier warf dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) vor, statt sich für die Infrastruktur in Form von Taxihalteplätzen einzusetzen, gebe „unsere Aufsichtsbehörde“ dem Uber-Konzern die „Aufsicht“ über die Mietwagen. Grünen Bezirksstadträten fehle das Verständnis für großstädtische Zusammenhänge. Der Taxihalteplatz am Europaplatz müsse wieder eingerichtet und zahlreiche weitere Halteplätze verbessert werden.
Demo-Organisator Danielo Baltrusch, Vorstandsmitglied der „Innung“ des Berliner Taxigewerbes und dort Hauptverantwortlicher für den Bereich Halteplätze, begrüßte das erstmalige Zustandekommen einer Kundgebung wegen eines Taxihalteplatzes. Ähnliches wünsche er sich auch für andere Orte mit mangelhaften Halteplätzen. Auch er benannte Mängel sowohl der Anfahrtsmöglichkeiten als auch bei der praktischen Nutzung der Taxiinfrastruktur am Hauptbahnhof (Toiletten, Beleuchtung, Imbiss) und wünscht sich, „dass die Politiker sich das mal angucken und dafür sorgen, dass hier Ordnung wiederhergestellt wird“. In einem kurzen Streifzug durch die weiteren Probleme der Branche warnte er vor einem weiteren Rückgang und damit vor einer Schwächung des Taxigewerbes auch als politische Größe.
Schließlich erklärte der anwesende Verkehrsexperte Kristian Ronneburg von der Fraktion der Linken im Abgeordnetenhaus von Berlin sich auf Bitte der Gewerbevertreter zu einer spontanen Stellungnahme bereit.
Ronneburg, der für seine Unterstützung des Taxigewerbes auch gegen die praktizierte Politik seiner damaligen grünen Koalitionspartner bekannt ist, sprach den Teilnehmern die Solidarität seiner Fraktion aus. Man stehe nicht nur „auf Ihrer Seite“, sondern werde auch eigene Vorschläge einbringen.
Bereits in den letzten Jahren habe er sich dafür eingesetzt, dass Senat und Taxigewerbe gemeinsam über sinnvolle Kriterien und Maßnahmen betreffs Taxihalteplätzen beraten, statt dass „die Bezirke einfach immer weiter wurschteln“.
Jetzt als Oppositionspolitiker wünsche er sich vom neuen Senat, an diese Vorschläge anzuknüpfen und eine Gesetzesänderung anzustreben, welche die Zuständigkeit für die Taxihalteplätze von den Bezirken auf den Senat überträgt – auch „damit die Kollegen wie Danielo Baltrusch sich nicht mit jedem Bezirk einzeln immer wieder anlegen müssen“.
Unter den Teilnehmern der Demo waren weitere Gewerbevertreter und Aktivisten, darunter „Innungs“-Chef Leszek Nadolski; Ahmad Vahdati, 2. Vorsitzender von Taxi Deutschland Berlin; Mariusz Kramer, Schatzmeister der „Innung“, Erkan Özmen von der „Taxigruppe Berlin“ und sogar Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM). ar
Fotos und Filmmitschnitte: Axel Rühle
Solange wir diese Regierung hier in Berlin im Amt ist, haben wir keine Chancen. Es ist politischer Wille, das Taxi Gewerbe zu vernichten. Das müssen wir einfach akzeptieren. Ich habe Glück, dass ich bald auf Rente gehen kann und dann nur noch als Aushilfe Fahrer arbeite.Wenn es denn immer noch Uber und Co gibt, dann könnte ich ja da meine Brötchen weiterhin verdienen illegalerweise und das meiste Geld mir schwarze in die Tasche stecken, wenn es dann noch möglich ist.Rosige Aussichten !!