In Kalifornien steht ein Gesetzentwurf kurz vor der Abstimmung, in dessen Folge – wenn vom Senat verabschiedet – es nicht mehr möglich wäre, in der ‚Gig-Economy‘ Beschäftigte als ‚unabhängige Auftragnehmer‘ zu behandeln. Das beträfe dann auch Fahrer für Uber und Lyft, weshalb Uber im Vorfeld der Abstimmung seine Fahrer dazu aufruft, eine Petition zu unterzeichnen, die das neue Gesetz verhindern soll. Sollte die Abstimmung nachteilig für Uber und andere Wirtschaftsplattformen verlaufen, gibt es einen Plan B.
Der vor dem Senat zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf, die Assembly Bill 5 (AB 5), könnte eine große Lücke im US-amerikanischen Arbeitsrecht schließen und Klarheit darüber schaffen, wann ein Mitarbeiter ein Angestellter mit allen dazugehörigen Rechten ist. Uber, Lyft und auch andere ‚Gig-Wirtschaftsplattformen‘, wie Essenslieferdienste oder Kurierdienste nutzen bestehende Gesetzeslücken und stufen ihre Mitarbeiter als ‚unabhängige Auftragnehmer‘ ein, um so einen enormen Teil der Kosten, die eigentlich zu ihren Unternehmenskosten gehören sollten, auf die Fahrer abzuwälzen.
AB 5 sieht strenge Kriterien zur Einstufung als ‚unabhängiger Auftragnehmer‘ vor. In Zukunft soll diese Einstufung nur noch möglich sein, wenn Unternehmen nachweisen können, dass ein Mitarbeiter frei von der Kontrolle und Leitung des Unternehmens ist, Aufträge ausführt, die außerhalb des Kerngeschäfts des Unternehmens liegen und sein Gewerbe unabhängig davon ausüben kann.
Werden diese Kriterien nicht erfüllt, so ist ein Mitarbeiter als Arbeitnehmer einzustufen – mit allen dazugehörigen Rechten, was die Entlohnung, die Versicherung und die Möglichkeit, sich zu organisieren, betrifft. Hunderttausende von bis jetzt ‚unabhängigen Auftragnehmern‘ vieler Plattformen würden dann als Angestellte behandelt werden müssen. Es entstünden alleine für Uber und Lyft hunderte Millionen Mehrkosten pro Jahr.
Die Senatsabstimmung über AB 5 soll noch vor dem Ende der am 13. September auslaufenden Legislaturperiode stattfinden. Wie unter anderem ‚jacobinmag.com‘ berichtet, stünden die Chancen gut, dass das Gesetz so durchkommt, auch wenn es nicht unumstritten ist.
Uber ruft seine Fahrer, die seit geraumer Zeit gegen miserable Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne protestieren, auf, eine Petition zu unterzeichnen, welche die Adressaten darum bittet, von der Zustimmung zu AB 5 abzusehen, mit der Behauptung, dass nur so flexible Arbeitsplätze erhalten werden könnten. Mit der Aufforderung zum Unterzeichen der Petition kommen drei Versprechungen, die bei genauerer Betrachtung noch sehr weit von den Rechten eines Arbeitnehmers entfernt sind:
Fahrer sollen künftig 21 US-Dollar pro Stunde erhalten. Allerdings nur für Besetzt-Fahrten, so dass unter dem Strich, da 40-60 % der Zeit leer gefahren oder gewartet wird, der gesetzliche Mindestlohn von 12 US-Dollar die Stunde noch knapp unterschritten würde.
Fahrer sollen künftig Urlaubsgeld und Krankengeld erhalten. Krankengeld ist allerdings keine Krankenversicherung und unklar ist, ob Leistungen wie Krankengeld einfach gewährt werden sollen oder den Fahrern gegen Entgelt im Rahmen eines Versicherungsvertrages oder ähnlichem angeboten werden.
Fahrer sollen sich künftig organisieren dürfen. Eine solche „Organisation“ gibt es beispielsweise in New York City: die ‚Independent Drivers Guild‘, eine Fahrervereinigung, erhält Geld von Uber und hat eine Klausel unterzeichnet, mit der sie sich verpflichtet, nicht zu streiken.
Für den Fall, dass AB 5 die Abstimmung passiert, haben Uber, Lyft und DoorDash, ein Essenslieferdienst, zusammen bereits 90 Millionen US-Dollar bereitgestellt, um für das Jahr 2020 ein Wählerreferendum in die Wege zu leiten. Dieses Referendum soll dazu führen, dass Beschäftigte in der ‚Gig-Economy‘ von AB 5 ausgenommen werden. Auch hier stünden die Chancen auf Erfolg nicht schlecht, so jakobin.com. Zuletzt hätte die kalifornische Immobilienbranche vorgemacht, wie das geht. Sie hätten 75 Millionen US-Dollar für eine Werbekampagne ausgegeben, die mit irreführenden Inseraten und Panikmache über 60 % der Wähler überzeugte, eine Gesetzesänderung zugunsten von Mieterrechten abzulehnen.
Die Einstufung der kalifornischen Fahrer als Arbeitnehmer würde das bisherige Geschäftsmodell (nicht nur) von Uber, das ja eben gerade auf der Ausbeutung der Mitarbeiter und auf stetigem Wachstum basiert, unmöglich machen. Und es würde generell die Gedankenwelt des Silicon Valley auf den Kopf stellen. Ubers Kampf dagegen offenbart die ganze Absurdität der Unternehmung: Eine Firma, die nicht überleben kann, wenn sie ihre Angestellten angemessen bezahlen muss, ist nichts als ein großer Schwindel. ys
Anmerkung der Redaktion: Weite Teile diese Beitrags basieren auf dem Beitrag „A Change to defend Gig-Workers Rights in Cailfornia“, erschienen unter jalopnik.com, bzw. jacobinmag.com. Eine komplette Übersetzung des Artikels können Sie auf der Verbandshomepage des Berliner Taxiverbands „Innung“ nachlesen.
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Wer hätte das gedacht? Nach unzähligen Insolvenzen und persönlichen Tragödien hat der Gesetzgeber bemerkt, daß da Handlungsbedarf besteht und das hat Jahre gedauert. Immerhin ein kleiner Hoffnungsschimmer. Unserer Politik traue ich diese Erleuchtung allerdings erst zu, wenn es zu spät ist.