Im Niedriglohnbereich, zu dem wohl auch die Taxi- und Mietwagenbranche zählt, gibt es selten arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen. Ein zu laxer Umgang mit dem Thema kann dennoch nach hinten losgehen, selbst wenn der Arbeitnehmer eigentlich gar keinen Stress machen will.
Beispiel: Fahrer X war seit ein paar Jahren immer mal wieder für Arbeitgeber Y als Minijobber aktiv. In seinem Vertrag wurde nichts zur Arbeitszeit vereinbart oder es gibt gar keinen Vertrag. Im Schnitt wurden zehn Stunden in der Woche gearbeitet, ordentlich verbucht und ausgezahlt. Kommt Ihnen das bekannt vor? Dann Achtung: Selbst wenn Sie ein ausnehmend gutes Verhältnis zu ihrem Arbeitnehmer haben – würden Sie ihm tatsächlich freiwillig einen Blankoscheck über 20.000 Euro oder mehr in die Hand drücken in dem Vertrauen, dass dieser nie eingelöst werden wird? Sicherlich nicht, aber genau das tut Arbeitgeber Y in diesem Fall. Treibt nun beispielsweise eine Unterhaltsstreitigkeit den Minijobber in die Enge, haben Arbeitsrechtler schnell ihre helle Freude an dem Fall.
Warum? Wird die Arbeit allein entsprechend dem Arbeitsanfall erbracht, und genau das entspricht ja der Arbeitsrealität bim Minijob Taxifahrer*In in den meisten Fällen, handelt es sich um ein Abrufarbeitsverhältnis im Sinne des § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz. Ist bei einem solchen Arbeitsverhältnis keine wöchentliche Arbeitszeit vereinbart, gelten aufgrund der gesetzlichen Regelungen mindestens 20 Stunden pro Woche als vereinbart! Das Risiko des Arbeitgebers liegt hier somit zunächst einmal bei weiteren zehn Wochenstunden, die bisher nicht vergütet wurden.
Gemäß Mindestlohngesetz aber dürfen Restlohnansprüche auf Mindestlohnbasis selbst dann, wenn ansonsten eine Befristung von üblicherweise drei Monaten für mögliche Restlohnansprüche vereinbart wurde, ohne Wenn und Aber noch rückwirkend für volle drei Jahre eingefordert werden. Wurde diesbezüglich keine gültige Ausschlussvereinbarung getroffen, beispielweise auch, weil es gar keinen Arbeitsvertrag gibt, existiert der Nachzahlungsanspruch auch für alle weiteren, über den Mindestlohn hinaus gehenden Lohnansprüche.
Multipliziert man den so errechneten Restlohnanspruch dann mit zwölf Monaten, wiederum multipliziert mit drei Jahren, so landet man aktuell bei einem Betrag von 14.352 Euro brutto, ggf. zuzüglich Provisionen. Die mögliche Rückrechnung bezieht sich allerdings im Zweifel immer auf den aktuellen Mindestlohn, ab Juli lautet die Forderung dann also schon 16.302 Euro und ab Oktober 2022 stünden voraussichtlich schon stolze 18.270 Euro im Raum. Falls der Minijob regelmäßig nachts erledigt wurde, kommen noch minimal 20 Prozent Nachtzuschläge hinzu.
Dies ist wohlgemerkt das Risiko für einen einzigen Mini-Jobber ohne oder mit unzureichendem Arbeitsvertrag. Wie viele Mini-Jobber haben Sie? Multiplizieren Sie den Wert noch einmal mit dieser Anzahl, denn wenn ein Kollege nachträglich erst einmal risikofrei solch einen Betrag erstreiten kann, wollen andere Kollegen im Zweifel vielleicht gern nachziehen.
Das dicke Ende folgt möglicherweise noch zum Schluss. Im Sinne der Rentenversicherung ist Fahrer X nun nämlich gar kein Mini-Jobber mehr! Auf Basis einer 20-Stunden-Woche und dem gesetzlichen Mindestlohn kommt er auf einen monatlichen Verdienst von mehr als 800 Euro brutto. Dafür sind ggf. natürlich nachträglich Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abzuführen, höchstwahrscheinlich sogar auf Basis der Steuerklasse 6, wenn Ihr Minijobber hauptberuflich anderweitig tätig war! Und diese Beiträge können sogar für vier Jahre in die Vergangenheit zurückgefordert werden und lassen sich auch bezüglich der Lohnsteuer und den Arbeitnehmeranteilen voraussichtlich nur bedingt auf den Arbeitnehmer umlegen.
Dieses Risiko der nachträglichen Sozialversicherungspflicht besteht im Übrigen auch in einer anderen Konstellation schon für ein kleines Zeitfenster in diesem Jahr, falls zwar eine ordentliche arbeitsvertragliche Vereinbarung über den Minijob vorliegt, diese aber nicht an die steigenden Mindestlöhne angepasst wurde. Bis Oktober dieses Jahres dürfen Minijobber maximal 450 Euro verdienen, und erst ab Oktober soll dieser Betrag auf 520 Euro angehoben werden. Von Juli bis Oktober dieses Jahres aber liegt der Mindestlohn bei 10,45 Euro. Das Ergebnis: Sind für diesen Zeitraum 10 Wochenstunden vereinbart, ergäben sich multipliziert mit 4,33 Wochen und 10,45 Euro 452,48 Euro. Fehlt hier einfach nur die Option eines Arbeitszeitkontos im Vertrag, ergibt sich im Streitfall ein sogar ein gar nicht so einfach wieder kündbarer sozialversicherungspflichtiger Job, vor allem, falls die Beschäftigten zuvor schon mehr als sechs Monate als Minijobber bei Ihnen tätig waren.
Als Nebenkriegsschauplatz werden im Zusammenhang mit solchen Streitigkeiten gelegentlich auch andere Behörden auf mögliche Missstände in Betrieb hingewiesen. Auch wenn ein sauberes Unternehmen hier vermeintlich nichts zu befürchten hat, vielleicht gibt es ja dann doch noch die eine oder andere Schwachstelle, beispielsweise bei der Arbeitszeitaufzeichnung. Neben möglichen daraus folgenden Bußgeldern tritt bei den meisten Ordnungswidrigkeiten dann eine für viele Unternehmen drastische Folge ein, auf die im Bescheid zunächst kein direkter Hinweis steht: Bußgelder über 200 Euro werden standardisiert in das Gewerbezentralregister eingetragen und können dann bei der gewerbeüblichen Abfrage der persönlichen Zuverlässigkeit im Rahmen einer anstehenden Konzessionsverlängerung noch zu weiteren Problemen führen.
Im Alltag haben die Arbeitsgerichte im Zweifel zwar diesbezüglich überraschenderweise kein großes Interesse daran, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, solange die Arbeitnehmer trotzdem zu ihrem Recht kommen, und sind daher beim Aushandeln alternativer Abfindungskompromisse oftmals recht kooperativ. Trotzdem kann so schnell einfach nur aufgrund einer unzureichenden oder nicht vorhandenen Arbeitsvertragsgestaltung für manche Unternehmen sogar ein Insolvenzrisiko entstehen. Daher macht es auch im Taxi- und Mietwagengewerbe vielfach Sinn, die arbeitsrechtlichen Risiken immer wieder einmal zu analysieren oder auch professionell analysieren zu lassen, um im Zweifel bei einem Arbeitsrechtsstreit nicht aus dem Nichts vor die Wand zu fahren. rw
Beitragsbild: Remmer Witte