Schließt ein Unternehmen lockdownbedingt zeitweise, entfallen auch die Lohnansprüche, beispielsweise von Minijobbern. Dieses bemerkenswerte Urteil des Bundesarbeitsgerichts lässt sich allerdings auf Taxi- und Mietwagenbetriebe nicht anwenden – und hilft doch bei Nachprüfungen zur Rechtmäßigkeit von Kurzarbeitergeld. Taxi Times erläutert den Zusammenhang.
Die erst jetzt veröffentlichte Corona-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG 5 AZR 211/21) ist gleich ein Paukenschlag. Eine Minijobberin aus Bremen hatte geklagt. Sie hatte als Verkäuferin in einem kleinen Geschäft gearbeitet. Das Geschäft musste wegen einer Allgemeinverfügung der Stadt Bremen coronabedingt schließen und hatte der Beschäftigten daraufhin die Lohnzahlung verweigert, denn ohne Kunden sei auch keine Verkaufstätigkeit notwendig. Die relevante Streifrage war, wer das Risiko eines Arbeitsausfalls im Falle des Corona-Lockdowns trägt: Arbeitergeber oder Arbeitnehmerin?
Bisher galt: Entsteht ein Arbeitsausfall aus betrieblichen Gründen, so muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer weiter bezahlen. Betrifft der Arbeitsausfall hingegen das allgemeine Lebensrisiko, etwa eine Ausgangsbeschränkung, muss der Arbeitgeber keinen Lohn zahlen. Doch wie sieht es mit dem Lohn im Fall eines Lockdowns aus, wenn keine Kurzarbeit vereinbart wurde, was etwa bei Mini-Jobbern ja gar nicht möglich ist? Ist dies Betriebs- oder Lebensrisiko?
Nachdem die Minijobberin in den beiden ersten Instanzen mit ihrer Einschätzung erfolgreich gewesen war, widersprach nun das BAG den Vorinstanzen, welche entschieden hatten, der Betrieb habe das Risiko einer pandemiebedingten Schließung zu tragen und müsse die Beschäftigte weiter bezahlen. Das BAG entschied, dass sich in einer Lockdown-Verfügung kein Betriebsrisiko realisiere, da es dem Staat in einem solchen Falle darum gehe, alle Einrichtungen zu schließen, die nicht zwingend für die Versorgung der Bevölkerung erforderlich sind. Ziel der Maßnahme sei es somit, soziale Kontakte auf ein Minimum zu begrenzen und nicht etwa spezifische Infektionsgefahren eines Betriebes zu unterbinden. Entsprechend verwirkliche sich bei einer allgemeinen Lockdown-Verfügung kein Betriebsrisiko, sondern es gehe um eine die Gesellschaft insgesamt treffende Gefahrenlage. Wichtig war dem BAG dabei die Feststellung, dass es für die Klägerin in der kleinen Filiale keine Beschäftigungsalternative gab.
Das BAG-Urteil rechtfertigt die fehlende Lohnverpflichtung jedoch ausschließlich unter dem Umstand, dass ein betroffener Betrieb zum einen direkt von einem behördlich verfügten Lockdown betroffen sein muss, welcher dem allgemeinen Gesundheitsschutz dient. Daher kann das Urteil keinerlei Auswirkungen auf das Taxi- und Mietwagengewerbe haben, denn die Branche war stets betriebsberechtigt oder sogar -verpflichtet.
Diese Unterscheidung ist jedoch trotzdem sehr wichtig, um bei den anstehenden KUG-Prüfungen durch die Arbeitsagenturen eindeutig klarstellen zu können, dass Minijobber in der Zeit der Kurzarbeit sogar bevorzugt beschäftigt werden durften. Denn Arbeitgeber hatten während der Corona-Krise sowohl den sozialversicherten Beschäftigten als auch den Minijobbern gegenüber eine gleichwertige Beschäftigungsverpflichtung. Sozial am verträglichsten war es somit, mit der Kurzarbeit die Ansprüche des festangestellten Personals zumindest teilweise ausgleichen zu können, während die Minijobber parallel noch die verbliebenen Aufträge fahren durften, eben weil sie nicht KUG-berechtigt waren.
Da die prüfenden Arbeits-Agenturen auch in anderen Rechtsfragen bisher recht sportliche Rechtspositionen vertreten haben sollen, beispielsweise beim Thema der Notwendigkeit der Einbringung von Urlaubszeiten zur Verhinderung von Kurzarbeit, wird es sehr spannend sein, ob nun zumindest die Priorität von Minijobbern gegenüber Kurzarbeitenden, wie sie in verschiedenen Mehrwagenbetreiben gelebt wurde, der Agentur gegenüber etwas besser vertretbar geworden ist. Denn nun ist es eindeutig geklärt, dass die Branche ihre vielen Minijobber nicht einfach mangels Fahrgästen nach Hause schicken durfte, denn die Arbeitsverpflichtung blieb eindeutig bestehen.
Auch wenn diese BAG-Entscheidung im Übrigen durchaus überraschend war, erscheint sie rechtlich nachvollziehbar. Ob sie allerdings gerecht ist, ist eine andere Frage, wobei das BAG nicht berücksichtigen durfte, ob ein Unternehmen in der Corona-Krise für Ausfälle vom Staat entschädigt wurde. Dieser Ungerechtigkeit gegenüber Arbeitnehmern ist sich das BAG durchaus bewusst, indem es auf Lücken in dem sozialversicherungspflichtigen Regelungssystem hinweist und anheim stellt, es sei Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich für Arbeitnehmer zu sorgen. Dies könnte beispielsweise erfolgen, indem das Instrument der Kurzarbeit zukünftig dann auch auf geringfügig Beschäftigte ausgedehnt würde. rw