Der Berliner Senat prüft die Einführung von Mindesttarifen für Mietwagen. Die Partner von Uber & Co. stellen sich in einem offenen Brief als Opfer und Wohltäter dar.
In der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) hat man die Möglichkeiten und Herausforderungen, die das novellierte Personenbeförderungsgesetz (PBefG) den Kommunen und Ländern bietet, offenbar bereits angenommen. Wie die „Berliner Zeitung“ letzte Woche Dienstag berichtete, sind in der Behörde, die einem Landesministerium entspricht, diesbezügliche Überlegungen im Gange. Hilfe haben die Genehmigungsbehörden in Deutschland unter anderem vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) in Form eines kompakt ausgearbeiteten aber umfassenden Leitfadens erhalten, der über die neuen Möglichkeiten und den zugehörigen Rechtsrahmen aufklärt.
Kaum hatte die Mietwagenbranche von den Überlegungen Wind bekommen, erhielt Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese einen offenen Brief einer Interessenvertretung des deutschen Mietwagengewerbes – allerdings weder vom BVTM noch vom TMV, sondern von der Vereinigung „wirfahren.de“, die nach eigenem Bekunden ins Leben gerufen wurde, „um die Interessen der Mietwagen-Unternehmen und damit auch ihrer weit über 40.000 FahrerInnen in ganz Deutschland zu vertreten“. Als eines ihrer Ziele nennt die Gruppe, „die wichtige Berufsgruppe der MietwagenfahrerInnen anzuerkennen und überflüssige Bürokratie abzuschaffen, die das Geschäft insbesondere in ländlichen Gebieten erschwert.“ Das PBefG bezeichnet die Gruppe als „Taxischutzgesetz“, das der „Lebenswirklichkeit hinterherhinkt“.
Damit ist klar, woher der Wind weht, welcher Teil der Mietwagenbranche sich in der Gruppe zusammengeschlossen hat, und es ist keine Überraschung, welcher „alte Bekannte“ auf dem Chefsessel sitzt: Thomas Mohnke, Geschäftsführer der Enno SaferDriver GmbH und mehrerer Tochterfirmen, der sich laut dem Artikel selbst als „Uber-Partner der ersten Stunde“ bezeichnet, alleine in der Bundeshauptstadt laut „Berliner Zeitung“ 90 Mietwagen für Uber betreibt und in anderen Städten unzählige weitere.
In ihrem offenen Brief fahren Mohnke und seine Mitstreiter schweres Geschütz auf: „Jetzt, wo wir beginnen uns zu erholen, soll uns der Hahn wieder zugedreht werden“ ist ein Satz daraus. Das wirft die Frage auf, welcher Hahn denn bislang aufgedreht ist. Bei kritischer Betrachtung sind es drei Hähne, aus denen das Mietwagengewerbe sich indirekt beim Staat schadlos hält: erstens die Gelder der deutschen Sozialversicherung, mit denen Uber, Free now & Co. mittelbar mitfinanziert werden, weil viele Mietwagenfahrer so schlecht bezahlt werden, dass sie beim Arbeitsamt aufstocken müssen. Als zweites die – vorsichtig geschätzt – weit mehr als eine Milliarde Euro an nicht erhobenen Bußgeldern, die dem Staat jährlich entgehen, weil die Ordnungsbehörden die permanenten Rechtsverstöße der vielen tausend Fahrer nicht annähernd ahnden können oder wollen. Punkt drei sind die Steuern, die Uber in Deutschland nicht zahlt, obwohl der Konzern hier so aktiv ist wie sonst in kaum einem Land in Europa.
„Einer jungen aufstrebenden Branche wird die Existenz entzogen“, zitiert die „Berliner Zeitung“ Mohnke außerdem. „Die Berliner Mietwagenbranche hat unter der Coronakrise sehr gelitten“ ist ein weiterer Satz aus dem offenen Brief. Wie glaubwürdig sind diese Bekundungen? Ein Blick auf die Entwicklung der Konzessionszahlen in Berlin zeigt viel mehr, dass zwar das Taxigewerbe von Ende März 2020 bis Ende Juni 2021 um 17,7 Prozent von 7.780 auf 6.403 Fahrzeuge geschrumpft ist, während das Mietwagengewerbe der Hauptstadt aber stetig weiter wuchs – im selben Zeitraum von 4.298 auf 4.796, also um 11,6 Prozent. Der Rückgang der Taxis dürfte realistisch gesehen noch deutlich höher sein, da nach Schätzung des Ersten BTV-Vorsitzenden Richard Leipold mindestens 1.200 Fahrzeuge noch konzessioniert, jedoch nicht mehr im Einsatz sein dürften. Das würde einen Rückgang um ein Drittel der Berliner Taxis bedeuten. Die Mietwagenschwemme ist dagegen noch deutlich höher, da viele Uber-Partner ihren Geschäftssitz und somit die Konzessionen im Umland haben.
Hermann Waldner, Vizepräsident des BVTM, kommentiert Mohnkes Äußerungen: „Erst werden dem Taxigewerbe Tausende von soliden Arbeitsplätzen entzogen und stattdessen prekäre Arbeitsverhältnisse geschaffen, und dann tut man so, als würde dem Mietwagengewerbe etwas weggenommen, was es schon immer hatte, und drückt auf die Tränendrüse, dass angeblich Arbeitsplätze gefährdet seien. Das ist blanker Zynismus.“
Mohnke argumentiert auch als Wohltäter. So sei die Arbeit für die vielen Fahrer mit Migrationshintergrund eine gute Möglichkeit, in formale sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu gelangen. Der Beruf als Mietwagenchauffeur sei für viele Menschen ein „erster Einstieg in den Arbeitsmarkt“. Die Kehrseite der Medaille: Seit dem Wegfall der Ortskundeprüfung für Mietwagenfahrer vor vier Jahren kann praktisch jeder unqualifizierte Arbeitslose Uber-Fahrer werden – ein Wettbewerbsnachteil, der das Taxigewerbe in existentielle Schwierigkeiten brachte und erst mit dem neuen PBefG ausgeglichen wird.
Zudem würden laut Mohnke die Fahrgäste von den günstigen Mietwagenpreisen profitieren, denn „auch Verbraucher, die nicht zur höheren Einkommensschicht gehören, müssen sich Mobilität leisten können“, und das wäre bei Mindesttarifen nicht mehr gegeben. Dass Dumpingpreise sich nur mit prekären Arbeitsverhältnissen und unter Inanspruchnahme der genannten staatlichen Geldhähne anbieten lassen, erfährt der Leser nicht. Ebenso wenig, dass Uber-Partner die Dumpingpreise nur anbieten können, weil sie im Unterschied zum Taxi nicht Teil des ÖPNV sind und daher nicht den Regularien unterliegen wie Bus, Bahn und Taxi, mit denen der Staat die Daseinsvorsorge sichert – und somit Mobilität für alle, auch Geringverdiener, erschwinglich macht. Natürlich ist individuelle Mobilität, also mit Taxi oder Mietwagen, nicht zum gleichen Preis zu haben wie die Fahrt im Linienverkehr.
Eine weitere wohlklingende Formulierung, mit der die „Berliner Zeitung“ Mohnke zitiert, lautet nämlich, Mietwagenunternehmer würden „durch Preisflexibilität ihre Auslastung erhöhen und in nachfrageschwachen Zeiten ihre Tarife senken“. Hermann Waldner schüttelt den Kopf: „Das klingt, als gebe nicht Uber oder Free now den Preis vor, sondern das Mietwagenunternehmen. Zudem ergibt die Aussage mit dem vermeintlichen Senken der Tarife nur Sinn, wenn man von einem hohen Tarif als Normalfall ausgeht – was das genaue Gegenteil der üblichen Argumentation der Uber-Partner ist. So schön kann man sich selbst widersprechen, um das Surge-Pricing schönzureden und dafür die Presse vor den Karren zu spannen.“
Ob Mohnke und seine Mitstreiter bei der SenUVK auf offene Ohren stoßen, ist fraglich. Verkehrssenatorin Regine Günther (Bündnis 90/Die Grünen) gilt als Uber-kritisch, und ein Staatssekretär weiß mit Sicherheit, dass Mobilität in Berlin so ziemlich für jeden auch ohne Kannibalisierung erschwinglich ist: Fast nirgends in Europa ist das Liniennetz des ÖPNV so dicht wie in der deutschen Hauptstadt. ar
Beitragsfoto: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK), Berlin-Mitte. Foto: Axel Rühle
Oje der Herr Mohnke. Es ist zu befürchten, daß er das selber glaubt was er da von sich gibt.
Besonders authentisch wirkt, wer im Moment einer Aussage selber glaubt, was er sagt. Das ist einfach, wenn stimmt, was man von sich gibt. Aber was, wenn es nicht stimmt? Dumm ist Thomas Mohnke ja nicht. Und rechnen kann er auch. Jeder kann leicht feststellen, dass seine Aussagen objektiver Unsinn sind . Aber das macht nichts. Wenn man mit Unsinn Geld verdienen kann, warum sollte man damit aufhören? Er ist da ja nicht der einzige, der so etwas macht.
Ich finde gerade was Berlin mindest Tarife für Mietwagen macht ist ein sehr gute Sache. Weil Uber und FreeNow spielen mit Preise wie sie wollen manchmal nehmen Sie für 5 km Fahrt 13 Euro wenn kein Miet Wagen in der Nähe von der Kunde Sie schicken ein Blitz Auftrag und der muss statt 13 Euro 30 Euro bezahlen. Sie klauen der Kunde ohne aufpassen. Ein Uber Fahrer hat mir letzte mal gezeigt ein Fahrt 21 KM SIe haben von der Kunde 98 Euro bezahlt. Normalerweise solche Fahrt mit Taxi kostet ungefähr 43 Euro das heißt Uber FreeNow klauen die Kunden
Der Fahrgast klagt über die hohen Taxifahrpreise, die Taxifahrer über den geringen Lohn. Wo ist die Lösung?
Sehr geehrter Herr Priebe, ein schwäbischer Bauer glaubte die Lösung gefunden zu haben. Allerdings mußte er nach einer Weile zugeben: “ Jetzt habe ich meine Ziege dazu bekommen, dass sie nichts mehr frißt. Und jetzt ist es krepiert das blöde Vieh.“ Das geschieht gerade mit dem Taxigewerbe.
Im Ernst: Wenn bis zu 85% der Kosten variabel sind, dann müssen die Preise steigen, wenn der Mindestlohn angehoben wird. Aus dieser Falle führen nur zwei Wege heraus. Wenn wir die Fahrer (und ihre Löhne) abschaffen, dann werden die Transportkosten um den Wert der Lohnkosten sinken. Dafür brauchen wir selbstfahrende Autos. Uber externalisiert die Kosten. Wer die sogenannten „Partner“ zu niedrigen Preisen vergattert, der zwingt sie zu Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug. Uber kassiert die Provision, der Fahrgast freut sich über niedrige Preise und der Steuerzahler blecht. Ein interessantes Geschäft.
Bedenklich ist, dass eine ehemals seriöse Branche, wie das Mietwagengewerbe, oder höherwertige Chauffeurdienste, durch Uber&co so pervertiert wurden, dass es nun notwendig ist „Mindesttarife“ für diese zu erwägen. (Was betriebwirtschaflich unbedingt notwendig ist)
Was ein Herr Mohnke will ist mir ebenso schleierhaft. Vermutlich träumt er davon dass die Tarife völlig frei, von Algorithmen generiert werden, was natürlich nur funktioniert, wenn es keine Taxen gäbe und dieses lästige „Taxischutzgesetz“ schon garnicht.
Mal billig, mal teuer, so wie in der Hotelbranche üblich, je nach Angebot und Nachfrage.
Ich frage mich, was da verbraucherfreundlich sein soll, wenn der Kunde zu bestimmten Zeiten abgezockt wird, weil er keine andere Wahl hat. Außer ev. per ÖPNV, aber den würde der Mann vermutlich auch am liebsten, ich nenne es mal neolibertären, oder gar ganz durch seinen eigenen Fuhrpark ersetzen und auch hier die Tarife, je nach Tagesform festsetzen.
Dieser Mann sollte besser sein Geld in ein eigenes Raumfahrtunternehmen stecken, dort sind die Tarife noch frei verhandelbar… und ein Personenweltallbeförderungerungsgesetz gibt’s auch noch! nicht.
Reicht doch schon, wenn sich die Behörden in Taxitarife einmischen, man sieht ja was dabei rauskommt, wenn das Taxigewerbe treu ihre gesellschaftlichen Aufgaben im ÖPNV erfüllt….
Freie Marktwirtschaft geht anders, und wird gerade jetzt von vielen Branchen (auch Mietwagenunternehmer) erfolgreich praktiziert…,
oder soll sich der Fiskus auch noch um die Preisregulierung von Lebensmittel, Kapitalanlagen, Kraftstoffe etc. kümmern?
Was soll dieses „Ponzi-Spiel“ oder Geldgeschiebe überhaupt, dort gewinnt man nur, wenn andere verlieren.
Nachhaltig erfolgreiche Unternehmungen schaffen einen echten M e h r w e r t für die Gesellschaft und nachfolgende Generationen!
Leider verstehe ich ihren Post überhaupt nicht, außer sie wollen anscheinend überhaupt gar keine staatliche Einmischung, weil das doch nur zum wohle der menschheit ist? eben freie marktwirtschaft (das soziale haben sie wohl nicht auf der reihe dabei?).
was der fiskus dabei soll ist mir auch ein Rätsel. und ponzi spiel? häh? geldgeschiebe, wer verliert denn da was?
wäre wirklich schön, wenn sie sich noch einmal konkreter ausdrücken könnten, denn ich würde schon gerne wissen, welche nachhaltig erfolgreichen Unternehmen sie meinen, die so einen tollen Mehrwert für die Gesellschaft leisten, das noch nachfolgende Generationen davon zehren können.
Meines Wissens dürfen nur Mietwagen-Unternehmen ihren Fahrpreis selber bestimmen. Uber und FreeNow sind aber keine. Sie haben keine entsprechenden Konzessionen und wollen auch keine. Weil dazu ja auch gehört, dass sie ihre Fahrer anstellen und die Autos unterhalten müssen.
Die beiden braucht kein Mensch.
Unser Unternehmen arbeitet mit einer Taxi- und Mietwagen-Vermittlungs-App, die das gleiche bietet( online bestellen, online bezahlen…) für 17,85 Euro monatlich, brutto.