Der Großauftrag „Impffahrten“ vom Land Berlin hat zur kuriosen Situation geführt, dass Taxifahrer zwar etwas weniger Zeit herumstehen, während in der Zentrale aber seit Jahresbeginn jeden Tag die Hölle los ist.
In Deutschlands größter Taxifunkzentrale wird seit Wochen mit der größtmöglichen Besetzung gearbeitet. Der äußerst umfangreiche Auftrag über die Impf-Fahrten wächst noch weiter. „Wir arbeiten gerade den größten Auftrag in der Geschichte des Berliner Taxigewerbes ab. Seit dem Start der Impfzentren ist bei uns in der Zentrale jeder Tag anstrengender als die Silvesternacht“, sagt Hermann Waldner, Geschäftsführer von Taxi Berlin, und erläutert die Gründe: „Die Vielzahl der Bestellungen selbst ist gar nicht das Problem. Vielmehr sind beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), dem Organisator der Impfzentren, die Callcenter überlastet, so dass viele mit Fragen zur Impfung bei uns anrufen, die wir gar nicht beantworten können. Meist sind es ältere Menschen, die natürlicherweise langsamer sind, und für die es zum Teil kompliziert ist zu verstehen, wer für welche Frage der passende Ansprechpartner ist. Vielfach gibt es doppelte Nachfragen. Durch den Impf-Auftrag fahren auch viele Taxi, die sonst nie ein Taxi bestellen, dadurch kommen viele Zusatzfragen auf. Auch würden viele gleich die Hin- und Rückfahrt für ihren zweiten Impf-Termin als Vorbestellung mit aufgeben, aber das hat sich schnell als unpraktikabel erwiesen.“
Die Zahl der Fahrten dürfte in den nächsten Tagen und Wochen weiter zunehmen. „Zum einen sind jetzt alle Impfzentren in Berlin in Betrieb, zum anderen erhalten auch Menschen über 70 die Einladungen zum Impfen. Deshalb wird der Andrang nicht nachlassen“, so Waldner.
In der Presse wurde die Silvester-Aussage, die aus einer Pressemitteilung von Taxi Berlin stammt, zum Teil missverstanden und fälschlich auf die Auftragslage der Fahrer bezogen, was in einigen Kanälen für Aufregung sorgt. Für die aktuelle Situation in der Funkzentrale dagegen ist Silvester ein eher moderater Vergleich, denn in der Auftragsannahme arbeiten tagsüber deutlich mehr Personen als in allen bisherigen Silvesterschichten, wie Taxi Times auf Anfrage erfuhr.
Da in Ausnahmesituationen selten alles glatt läuft und immer wieder Fragen, Probleme und auch Anschuldigungen auf verschiedenen Kanälen auftauchen, hat Taxi Berlin die angeschlossenen Unternehmer und Fahrer kürzlich in zwei Newslettern über die aktuelle Lage informiert, häufige Fragen beantwortet und praktische Hinweise gegeben. Darin heißt es, der derzeitige Großauftrag sei ein Geschenk, habe aber „logistisch eine andere Dimension als die normale Auftragsvermittlung.“
Als wichtige aktuelle Information gibt Taxi Berlin den Hinweis des DRK weiter, dass jede(r) Fahrer(in) vor Fahrtbeginn überprüfen muss, ob ihr Fahrgast tatsächlich Anspruch auf die kostenlose Hin- und Rückfahrt mit dem Taxi hat. Das sei nur bei Personen ab 70 Jahren der Fall. Geimpft werden inzwischen aber auch Personen von 60 bis 69, und diese müssen die Fahrt selbst bezahlen. Ließen sie sich aus Unwissenheit per Coupon fahren, so erstatte das DRK den Fahrpreis nicht.
Ferner hieß es, durch die Vielzahl an Aufträgen habe die Abrechnung der Impf-Fahrten zu einer „explodierten Zahl an Fahrpreis-Coupons“ geführt, zu deren Abarbeitung das Personal im Abrechnungsbüro verdreifacht wurde. Bis zu 9.000 Coupons pro Tag müssten derzeit bearbeitet werden.
Der Kostenträger der Fahrten, der Berliner Senat, hat den Großauftrag an das Taxigewerbe an verschiedene Bedingungen geknüpft: Es dürfen ausschließlich Taxis mit Trennschutz eingesetzt werden, alle Fahrer müssen eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, und an den Impfzentren wird bei der Abfertigung der Taxis höchste Effizienz erwartet. Das bedeutet unter anderem, dass im Regelfall jedes eintreffende Taxi, aus dem ein Impfling steigt, direkt mit einer frisch geimpften Person für die Heimfahrt zu besetzen ist. Wartende Taxis dürfen nicht die Zufahrtswege verstopfen.
Für Taxi Berlin bedeutet das, dass Impffahrten möglichst nur im Doppelpack vergeben werden sollen: von der Wohnadresse eines Impflings zum Impfzentrum, und von dort sogleich den nächsten Impfling nach Hause bringen. Die Bereitstellung am Impfzentrum sei deshalb für die Taxifahrer(innen) gar nicht nötig, denn sie haben mit freiem Taxi an den Impfzentren kein größeres Geschäft zu erwarten als woanders: „Das Schlangestehen etwa an der Arena führt nicht zwingend schneller zu einem Auftrag als das Warten in einem gewöhnlichen Sektor mit dichter Wohnbebauung“, rät Taxi Berlin in einem der beiden internen Newsletter. Erst eine Stunde vor Schließung eines Impfzentrums, wenn keine Taxis mit Impflingen mehr nachkämen, würden einige Aufträge vergeben, um die letzten Impflinge nach Hause bringen zu lassen.
Um die Wartezeit der Fahrgäste am Telefon zu vermeiden, empfiehlt Taxi Berlin seinen Kunden mittlerweile, Vorbestellungen etwa für Impf-Fahrten möglichst erst abends nach 19 Uhr oder morgens vor 8 Uhr aufzugeben, da tagsüber die Leitungen oft überlastet seien. Sofortaufträge seien auch über die Rufsäulen an den Halteplätzen möglich. Noch einfacher und gänzlich ohne Wartezeit sei die Bestellung per App.
Hermann Waldner appelliert an alle Funkteilnehmer*Innen und Fahrer*Innen, für die Impffahrten dankbar zu sein und sich entsprechend kooperativ gegenüber dem Personal an den Impfzentren zu verhalten. „Die gesamte Berliner Öffentlichkeit schaut auf uns und sieht, ob wir diese Aufgabe gut oder schlecht erfüllen. Jede(r) kann und sollte dazu beitragen, dass das Berliner Taxigewerbe nach außen ein insgesamt gutes, zuverlässiges Bild abgibt.“ Nur so gebe man dem Auftraggeber guten Grund zur Fortsetzung des Großauftrags. ar
Das Beitragsbild zeigt wartende Taxis am Impfzentrum in Berlin-Westend. Fotos: Axel Rühle