Schon vor Beginn der Berliner Filmfestspiele setzte für die Veranstalter Gegenwind aus Politik und Taxigewerbe aufgrund Ihrer Entscheidung für Uber als Partner ein. Der Sponsorenvertrag gilt allerdings nur für dieses Jahr.
Der Empörung war – wenn auch im Schatten der üblichen Begeisterung für die Berlinale – enorm. Der Sponsorenvertrag zwischen der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH (KBB) und dem US-Fahrdienstanbieter Uber hat zu zahlreichen Protesten aus Taxigewerbe und Politik geführt.
Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM), sprach von einem „Sponsoring, mit dem Uber versucht, sein ramponiertes Image aufzupolieren. Einen guten Ruf muss man sich erarbeiten, den kann man sich nicht kaufen.“ Das scheinen die Uber-Manager allerdings anders zu sehen.
Patrick Meinhardt, Bundesgeschäftsführer des Taxi- und Mietwagenverbandes Deutschland (TMV), äußerte sich „entsetzt, verärgert und maßlos enttäuscht darüber, dass sich die Berlinale vor den Karren von Uber spannen lässt.“ Ganz offensichtlich habe hier das Geld gesprochen […]. Spannend wäre es zu veröffentlichen, welchen Sponsorbeitrag Uber in einer Zeit leistet, in der hart arbeitende mittelständische Taxi- und Mietwagenunternehmen ums Überleben kämpfen.“
Auch von den Berliner Landesverbänden kam Unverständnis. Boto Töpfer, Vorsitzender des Taxiverbands Berlin, Brandenburg e. V. (TVB), legte der KKB nahe, sich umgehend von Uber als Sponsor zu trennen: „Sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen zu schreiben und dann ausgerechnet Uber ins Boot zu holen, ist an Unglaubwürdigkeit schwer zu überbieten. Wenn die Bundesregierung es mit Ihrer Agenda ernst meint, sollte die grüne Kulturstaatsministerin sich schnellstens für einen seriösen Berlinale-Sponsor einsetzen, der den Rechtsstaat, die Nachhaltigkeit, die Daseinsvorsorge und die soziale Gerechtigkeit nicht mit Füßen tritt.“ Damit spielte Töpfer auf die enge Verflechtung der Veranstaltung mit der deutschen Bundespolitik an, denn Aufsichtsratsvorsitzende der KKB ist die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), die die Berlinale allein dieses Jahr mit knapp 13 Millionen Euro fördert.
Der Berliner Taxi-Soziallotse Klaus Meier protestierte ebenfalls und hielt eine Kundgebung am Rande der Eröffnungsfeier ab – gemeinsam mit Vertretern der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Er machte mit Plakaten und Flugblättern auf Ubers „Lohn- und Sozialdumping“ aufmerksam, während die Verdi-Leute die teils prekären Bedingungen für Kino-Mitarbeiter anprangerten. Auf Meiers Internetseite heißt es, die Partnerschaft der Berlinale mit Uber schade Berlin.
Das sah auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) so und sprach das Thema im Vorfeld der Berlinale bei einem Treffen mit Mariëtte Rissenbeek, der Geschäftsführerin der Internationalen Filmfestspiele Berlin, an. Wie es aus Insiderkreisen heißt, habe Giffey deutlich ihren Unmut über die Partnerschaft mit Uber geäußert. Rissenbeek habe sich allerdings reserviert gezeigt und behauptet, Uber Deutschland habe sich als ganz seriöser Partner dargestellt, der sich streng an Gesetzesvorgaben halte und dies auch von seinen Partnerbetrieben verlange – eine Reaktion, die auch auf die Anfrage der Taxi-Times-Redaktion folgte. Die hochmütige Überzeugung war wohl auch dem Auftreten von Uber-Generalpartner Thomas Mohnke geschuldet, der es versteht, Ubers Tätigkeit in druckreifen Formulierungen als heile Welt zu verkaufen.
Claudia Roth als langjährige Bundestagsabgeordnete kann darauf nicht hereingefallen sein. Sie muss es spätestens seit den Parlamentsdebatten zur PBefG-Novelle besser wissen und hat es mit Sicherheit billigend in Kauf genommen, dass der amerikanische Fahrdienstanbieter, der für prekäre Arbeitsverhältnisse und Abgasemissionen bekannt ist, mit seiner Rolle bei der Berlinale ein großes Stück salonfähiger gemacht wird.
Weitere Aufklärungsarbeit gegenüber der scheinbar weniger gut informierten Berlinale-Geschäftsführung leisteten dann zwei Vorstandsmitglieder der Berliner Taxi-„Innung“: Am 3. Februar besuchten Leszek Nadolski, erster Vorsitzender, und Anke Niggemann, Beisitzerin im Vorstand, die Berlinale-Chefin. Diese habe eingeräumt, bereits zahlreiche Protestschreiben erhalten zu haben, dabei sei sie weiterhin bereit, mit dem Taxigewerbe zusammenzuarbeiten. Dies sei aber nicht das Hauptproblem, entgegneten die Gewerbevertreter, sondern der gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Schaden bestehe im Ausrollen des „roten Teppichs“ für einen Konzern, dessen Geschäftsmodell auf Rechtsverstößen beruht, und der permanent Arbeitsplätze vernichtet.
Rissenbeek solle die Friedfertigkeit der deutschen Taxifahrer nicht missinterpretieren. In anderen Ländern wie Frankreich oder Spanien würde ein solcher Sponsorenvertrag wahrscheinlich zu einer zehntägigen Blockade des Festspielareals durch aufgebrachte Taxifahrer führen. Wenngleich dies in Deutschland nicht geschehe, sei die Wut im Taxigewerbe auch hierzulande groß und berechtigt. Rissenbeek habe Verständnis geäußert, verwies aber wiederum auf die seriöse Selbstdarstellung Ubers und dass der Einsatz der wasserstoffgetriebenen Limousinen durch Mohnkes Mietwagenfirma ein Zeichen für Nachhaltigkeit setze, zumal man diesmal keinen anderen Sponsor, der zugleich einen Fahrdienst für das Festival angeboten hätte, habe finden können.
Daraufhin hätten die „Innungs“-Vorstände der Berlinale-Chefin einen kleinen Aufklärungsvortrag darüber gehalten, mit welcher Dreistigkeit Uber weltweit gegen Recht und Gesetz verstößt, die Straßen voller macht, für Luftverschmutzung sorgt, die Daseinsvorsorge untergräbt und wie viele Gerichtsurteile der Konzern allein in Deutschland bereits ignoriert habe und weiter ignoriere.
Auf das Angebot, dass zur nächsten Berlinale das Taxigewerbe einen ebenso guten und umweltfreundlichen Chauffeurservice mit Wasserstoff- oder reinen Elektrofahrzeugen anbieten könne und Uber dafür überflüssig sei, habe Rissenbeek dann hellhörig reagiert und ihre Bereitschaft signalisiert, bis zur Berlinale 2024 einen neuen Hauptsponsor als Ersatz für Uber zu suchen.
Die „Innungs“-Vorstände zeigten sich nicht 100-prozentig davon überzeugt, dass dies eine verbindliche Zusage ist, doch habe Rissenbeek immerhin gesagt, die Message sei bei ihr angekommen.
Für die diesjährige Berlinale war das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen, und so verlieh Taxi Times vor Bekanntwerden des Gesprächs symbolisch die „Goldene Augenbinde“ an Mariëtte Rissenbeek und Claudia Roth für ihre Ignoranz gegenüber Ubers Rechtsverstößen, die im vorangegangenen Anschreiben von der Redaktion auch mit zahlreichen Links belegt worden waren.
Sollte es dem Berliner Taxigewerbe gelingen, bis zum Herbst dieses Jahres eine gewisse Anzahl wasserstoffgetriebene Taxis auf die Straße zu bringen, so dürften die Chancen gut stehen, die Berlinale-Leitung von der Einhaltung ihrer Zusage zu überzeugen. Auch eine Sonderregelung mit auswärtigen Wasserstofftaxis als Berlinale-Fahrdienst brachte die „Innung“ als mögliche Option ins Spiel, doch wäre dies wohl kein überzeugendes Aushängeschild für das Taxigewerbe der Hauptstadt angesichts der Vorwürfe mangelnder Nachhaltigkeit gegenüber dem US-Konzern Uber. Hier kann das Berliner Taxigewerbe sicherlich mit dem raschen Aufbau einer Wasserstofftaxiflotte zu einem wirklichen Vorbild werden. ar
Beitragsfoto: Taxi-Soziallotse Klaus Meier protestiert gegen Uber. Foto: Axel Rühle
Wieso Wasserstoff-Taxiflotte ?
Gerade hier in Berlin werden es immer mehr reine E-Taxis, allein schon durch die Welmo-Förderung sind immer mehr Betriebe bereit auf E-Taxis umzusteigen.
Wie blind und Borchert muss man sein, wenn man Uber als seriös bezeichnet.
Armes Deutschland. Arme Politiker.
Die Hoffnung auf Wasserstofftaxis kann ich nicht teilen. Es gibt nur einen Anbieter, nämlich Toyota. Das Auto, der Mirai kostet 70000 Euro und kann nur geleast werden. Und dieses Auto braucht bei moderater Fahrweise 1 kg Wasserstoff auf 100 Kilometer. Ein Kilo Wasserstoff kostet 12,50 Euro. Welcher Unternehmer ist so mit dem Klammerbeutel gepudert und kauft ein solches Auto? Es gibt genug Elektro- und sogar Dieselmodelle, die unter 40000 Euro kosten und weniger als 10 Euro/100 km verbrauchen. Ach, was waren das für Zeiten, als wir mit Umwelttaxen nur 6 Euro pro 100 km Erdgas verbrauchten.