Bei einer Online-Diskussion tauschten sich Hermann Waldner, Oliver Friederici, Henner Schmidt und weitere Verkehrsexperten über die Zukunft des Berliner Verkehrs aus.
Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung hatte am 30.7. zum Webinar über den Berliner Stadtverkehr der Zukunft geladen. Teilnehmer waren Oppositionspolitiker und Experten zu einzelnen Segmenten.
Da das Taxi in der allgemeinen Verkehrspolitik kein zentrales Thema ist, standen zunächst der geplante Ausbau von Schienen-Nahverkehrswegen, Fußgängerverkehr und Sharing-Zweiräder im Vordergrund.
Zum Thema „Rufbus zur Überbrückung der letzten Meile“ sagte Hermann Waldner, der als Gründer des europaweiten Mobilitätsservices taxi.eu mit der höchsten Fahrzeugdichte Europas vorgestellt wurde, zugleich Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. und Geschäftsführer der Funkgesellschaft Taxi Berlin, dass das Taxigewerbe zwar auf keinen Auftrag gerne verzichte, doch würden auch moderne Verkehrsformen gebraucht. Man sollte aber das Taxigewerbe als bestehende Flotte einbeziehen. So habe sich das Taxi für spontanen Schienenersatzverkehr als bestens geeignet erwiesen.
Henner Schmidt, Sprecher für Infrastruktur und Umwelt der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, griff dieses Argument ohne klare Positionierung für das Taxigewerbe auf und merkte an, dass Rufbusse aufgrund der schlechten Anbindung der Außenbezirke eine sinnvolle, schnell darstellbare Ergänzung seien. Man müsse dazu lediglich Fahrzeuge kaufen und Verträge abschließen – und nicht zehn Jahre lang Schienen bauen. Dass die Taxiwirtschaft sich dafür anbiete, liege nahe, von daher sei es sinnvoll, beim Erstellen solcher Konzepte „die Taxiwirtschaft mit in den Blick zu nehmen und zu überlegen, wie man die am besten einbindet“.
Michael Rothe, Gesellschafter und Geschäftsführer eines Berliner Controllingunternehmens und Vorstandsvorsitzender des Verkehrspolitischen Informationsvereins (VIV), sagte, der Einsatz von Rufbussen in wesentlich mehr Gebieten könne den ÖPNV deutlich wirtschaftlicher machen, und der nächste Senat werde erheblich weniger Geld zur Verfügung haben als der jetzige, wie auch Henner Schmidt prognostizierte.
Das Thema Sharing-Mobilität veranlasste Oliver Friederici, Diplom-Politologe, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und Vorsitzender des dortigen Verkehrsausschusses, wie mehrere andere Themen auch zur Kritik an der Verkehrspolitik des Senats. Er erwartet, dass die von Grünen und Linken geplante Änderung des Berliner Straßengesetzes (BerlStrG), die nicht nur die Opposition, sondern auch die SPD ablehne, vor Gericht ebenso „krachend scheitern“ werde wie der Mietendeckel.
Schließlich ging es dann doch noch um das Thema Taxi und Mietwagen. Die Schwemme an Mietwagen in Berlin gefährde Arbeitsplätze im Taxigewerbe, wie Waldner betonte. Die im Mietwagengewerbe geschaffenen Arbeitsplätze seien prekär, da nur ein bestimmter Umsatz zu erzielen sei. Unterbiete man die Taxi-Fahrpreise, so geschehe dies zwangsläufug auf Kosten der Arbeitnehmer oder des Gemeinwesens – gemeint ist, dass Fahrer beim Arbeitsamt „aufstocken“ müssen und dem Staat Steuern entgehen. Daher sei eine Regulierung nötig. In Berlin werde derzeit die Bedeutung des Taxigewerbes für die Daseinsvorsorge „böse missachtet“.
Auf die Zuschauerfrage, wie die CDU einen fairen Wettbewerb garantieren will, antwortete Oliver Friederici ohne Zögern: „Indem wir das mehr kontrollieren, und zwar konzertiert mit Zoll, Finanzbehörden und der Polizei.“ Dem Taxigewerbe würde es besser gehen, wenn der Senat mehr Engagement für die Branche entfalten würde, die für Preissicherheit und einen klaren Tarif stehe – „etwas ganz anderes als das, was Uber anbietet.“ Im Fall des Flughafens BER habe der Senat bei der Tarifproblematik versagt. Weder hier noch bezüglich der Schwarzarbeitsproblematik zeige der rot-rot-grüne Senat Interesse, dem Taxigewerbe zu seinem Recht zu verhelfen, so Friederici.
Beim Thema Mindestpreise für Mietwagen bezeichnete Henner Schmidt den Wettbewerb zwischen Taxi und Mietwagen als „teilweise sehr unfair“. Dennoch solle man die neue Möglichkeit des Mindestpreises nicht missbrauchen und ihn zu hoch ansetzen. „Aber wenn man sagt, im Normalfall muss so ein Mietwagen die Kosten des Autos, des Benzins und den Mindestlohn für den Fahrer bezahlen, das lässt sich ja errechnen.“ Dauerhafte Preise darunter seien Dumping. Die Vermittlungsprovision für die Plattformkonzerne und der Gewinn des Mietwagenunternehmers kamen in der Rechnung allerdings nicht vor.
Beim Thema Flughafen BER beklagte Waldner das Fehlen eines vernünftigen Vertrages zwischen Berlin und Brandenburg, den man „vor vielen Jahren vergessen“ habe. LDS-Landrat Stephan Loge habe eine „etwas eigentümliche Vorstellung“ davon, wie viele Taxis an einem Flughafen mit drei Millionen Passagieren im Monat benötigt werden. Schon jetzt (bei 1,25 Millionen Abfertigungen im Juli) seien zu bestimmten Tageszeiten Engpässe zu beobachten. Zudem fahre kaum ein Berliner Taxi ohne Anlass nach Schönefeld, um sich dort womöglich mehrere Stunden bereitzuhalten. Zum Zeitpunkt der Diskussion war die neue, von der Senatsverkehrsverwaltung beschlossene 80-Prozent-Regelung noch nicht bekannt.
Am Rande erwähnte Waldner, dass das Taxigewerbe bereits mit dem Senat über die Möglichkeiten von Festpreisen für Standard-Verbindungen in Verhandlungen steht, was das novellierte Personenbeförderungsgesetz seit Anfang dieses Monats zulässt. Als Ziel müsse die Berliner Politik anstreben, dass 3.000 bis 4.000 Berliner Taxis am Hauptstadtflughafen ladeberechtigt werden. Aufgrund der Lage werde ohnehin immer nur ein Bruchteil der berechtigten Taxis in Schönefeld bereitstehen. Leider befinde Berlin sich nach wie vor in einer Bittstellerposition gegenüber dem LDS.
Scharfe Kritik zur diesbezüglichen Senatspolitik kam von Oliver Friederici: „Der Senat hat völlig falsch verhandelt.“ Von zehn Fluggästen am BER kämen etwa sieben aus Berlin, zwei aus Polen und einer aus Brandenburg. Wenn der LDS sich in den Verhandlungen nicht bewege, so müsse ein „Befahrverbot für die Taxis“ her. Technisch sei dies umsetzbar, indem man am Terminal 1 des Flughafens eine der beiden Ladeleisten für Berliner Taxen und die andere für LDS-Taxen reserviere und beiden verbiete, einen Fahrgast in das jeweils andere Bundesland zu bringen. Friederici warf Verkehrsstaatssekretär Streese vor, überhaupt nicht die Interessen Berlins gegenüber Brandenburg zu vertreten. ar