Ein gestern veröffentlichtes Taxi-Gutachten bestätigt: Ein großer Teil Berliner Taxibetriebe steht im Verdacht, irregulär zu wirtschaften. In der Kritik steht aber auch die zuständige Senatsverwaltung.
Die „Untersuchung zur Wirtschaftlichkeit des Taxigewerbes in der Bundeshauptstadt Berlin“ wurde am 17. Februar 2015 von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadtUm) in Auftrag gegeben und von der Firma Linne & Krause durchgeführt.
Dabei wurden von den insgesamt rund 3.000 Berliner Betrieben knapp 900 in Form einer schriftlichen Erhebung untersucht, davon etwa 17% aller Einzelbetriebe, 50% aller Mehrwagenbetriebe mit zwei bis fünf Taxis und nahezu alle Mehrwagenunternehmer ab sechs Taxis. Die für die Untersuchung ausgewählten Taxiunternehmer waren verpflichtend aufgefordert, Angaben zu den betrieblichen Rahmendaten zu machen sowie die steuerrelevanten Daten der Jahre 2012-2014 mitzuteilen.
Ebenfalls in die Bewertung eingeflossen sind die Daten aus 123 Berliner Taxis, die über ein Fiskaltaxameter verfügten und deren Daten über das so genannte INSIKA-Verfahren manipulationssicher ausgelesen wurden.
Da Linne & Krause hinsichtlich der schriftlichen Erhebung ähnliche Untersuchungen in mehr als 100 anderen deutschen Taximärkten durchführten, sind die Berliner Ergebnisse vergleichbar.
In diesem Vergleich schneidet das Berliner Taxigewerbe sehr schlecht ab. Das Gutachten spricht von einem „Grundproblem Schattenwirtschaft“. Rund 80% der Betriebe fielen bei der Datenanalyse durch eine anhand fester Parameter durchgeführte Plausibilitätsprüfung. Sie wiesen erhebliche Unregelmäßigkeiten bei diversen Kennzahlen auf, beispielsweise bei den Erlösen pro Fahrzeug, pro Kilometer oder auch bei den Personal- und Kraftstoffkosten.
Besonders gravierend ist der Anteil bei den Mehrwagenbetrieben, von denen 76% unplausible steuerliche Daten vorlegten. In München, so das Gutachten, hatte eine vergleichbare Studie (die dort allerdings zu keinerlei Maßnahmen seitens der Genehmigungsbehörde führte) einen Wert von 27% ergeben.
Bei der Analyse dieser unerfreulichen Zahlen beschreibt das Gutachten die möglichen Ursachen: „Aus der u. a. personell bedingten unzulänglichen Aufsicht konnte sich flächendeckend ein Milieu entwickeln, das mittels Steuerhinterziehung und Sozialbetrug die öffentlichen Kassen erheblich schädigt und eine beispiellose Wettbewerbsverzerrung hervorgebracht hat. Kommt hinzu: Anders als in Köln oder München besteht in Berlin keine Mengenbeschränkung, so dass Konzessionen in beinahe unbegrenzter Zahl beantragt werden können. Zuweilen sind solche Betriebe nur für zwei Jahre geplant – bis zur ersten Wiedererteilung (‘Zwei-Jahres-GmbH’). So entsteht ein fataler Drehtüreffekt – mit immer neuen Strohmannkonstruktionen.“
Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Wirtschaftlichkeit des Berliner Taxigewerbes nicht mehr gegeben ist. Regulär arbeitende Betriebe seien zu einer „Restgröße“ geworden, die sich einem dramatischen Verdrängungswettbewerb ausgesetzt sehen, der in erster Linie um das Fahrpersonal ausgetragen wird. Demgegenüber stehen etwa 130 „Intensivtäterbetriebe“ mit zuweilen dutzenden Fahrzeugen und circa 210 „hochgradig irregulär arbeitende Betriebe“, deren primärer Geschäftszweck nicht die Personenbeförderung sei, sondern die Gewinnmaximierung, bei der man den Fahrern gleichzeitig kollektiven Zugang zu Schwarzgeld und Transferleistungen verschaffe.
Die von Vertretern des Berliner Taxigewerbes lange geforderte und nun erfolgte Veröffentlichung des Gutachtens (unter anderem auch in der Berliner Regionalausgabe der im Juni erschienenen Taxi Times) führte innerhalb der Tagespresse zu verheerenden Berichterstattungen. Die im Gutachten als Urheber der bundesweit einmaligen Schieflage genannte Senatsverwaltung gab gegenüber den Medien zu erkennen, dass man nun vor allem überlegen müsse, wie gegen die „Intensivtäterbetriebe“ vorgegangen werden könne. Die Vertreter der Berliner Taxiverbände haben hierzu verbandsübergreifend ihre Bereitschaft wiederholt, gemeinsam Maßnahmen zu überlegen. Taxi Times Berlin wird über diese Bemühungen in seiner nächsten Berliner Regionalausgabe berichten. jh
Durch Einführung des Fiskaltaxameters wir das Gewerbe aus der Grauzone gezogen. Weder Verbände, noch Stadt- oder Senatsverwaltungen haben das Problem lösen können. Gefragt sind Betriebsprüfungen nach Einführung des Fiskaltaxameters und konsequente Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten zur Vermeidung von Steuer- und Sozialversicherungsmissbrauch im Sinne ehrlich arbeitender Betriebe.