Ausgerechnet ein Digitalverband zeigt sich mit einer Umfrage zum Thema Rückehrpflicht als ewig gestrig und hinkt der wahren Entwicklung hinterher. Zudem wurden die Fragen höchst manipulativ gestellt.
Eigentlich hat der Digitalverband Deutschland Bitkom, der laut eigenen Angaben mehr als 2.700 Unternehmen der digitalen Wirtschaft, unter ihnen gut 1.000 Mittelständler, über 500 Startups und nahezu alle Global Player vertritt, einen guten Ruf. Diesen droht er allerdings durch eine aktuelle Umfrage zur Rückkehrpflicht für Mietwagen zu verspielen. Nicht etwa, weil eine beauftragte telefonische Befragung von 1.054 Bundesbürgern ab 16 Jahren als nicht repräsentativ eingestuft werden könnte. Das ist sie durchaus.
Allerdings muss man die Fragestellung als hochmanipulativ kennzeichnen, denn selbst wenn die massiven und öffentlichkeitswirksamen Taxiproteste dieses Jahres zu einer deutlich höheren medialen Präsenz der Personenbeförderung geführt haben, muss man davon ausgehen, dass ein Großteil der Bevölkerung nicht genau definieren kann, was Rückkehrpflicht konkret bedeutet.
Das war wohl auch dem Verband Bitkom klar, denn die Telefoninterviews begannen alle mit der gleichen Frage: „Neben Taxis dürfen auch Chauffeurunternehmen, deren Fahrten u.a. über Apps buchbar sind, Fahrgäste befördern. Wussten Sie, dass nach geltender Rechtslage die Fahrzeuge von Chauffeurunternehmen nach einer Fahrt zunächst leer zum Betriebssitz zurückehren müssen, ehe sie eine neue Fahrt beginnen, wenn sie nicht einen direkten Folgeauftrag haben?“ Danach wurden die repräsentativ ausgewählten Bürger mit verschiedenen Aussagen konfrontiert und befragt, ob sie diesen zustimmen würden. Dabei gab es mehrere vorformulierte Antwortmöglichkeiten in mehreren Abstufungen, darunter auch „stimme voll und ganz zu“ oder auch „stimme eher zu“.
Und hier genau beginnt der hochmanipulative Ansatz der Befragung. Der mit der eben beschriebenen Eingangsfrage aufgeklärte Bürger wurde nun beispielsweise mit der Aussage konfrontiert: „Fahrdienste bieten durch die Nutzung digitaler Technologien wie Apps oder mobile Bezahldienste mehr Nutzerfreundlichkeit und Komfort als Taxis.“ Dieses Statement haben 61 Prozent der Befragten mit „stimme voll und ganz zu“ bzw. „stimme eher zu“ bestätigt. Eine ähnliche Quote (65% Zustimmung) erreichte die Frage: „Fahrdienste sind eine wichtige Ergänzung zum bestehenden Mobilitätsangebot“.
Der manipulative Ansatz: Die erste Argumentation suggeriert, als gäbe es bei Taxis weder eine Bestellmöglichkeit per App noch die Option der bargeldlosen Bezahlung. Wem das glaubhaft gemacht wird, der denkt natürlich, dass neue Fahrdienste eine wichtige Ergänzung sind, vor allem die jüngere Generation der 16-29-jährigen, von denen sogar 70 Prozent der ersten Argumentation zustimmen.
Nicht weniger manipulativ lautete eine weitere Argumentation, der 89 Prozent aller Befragten (und 93% der Jüngeren) zugestimmt haben. „Durch die gesetzliche Vorschrift zur Rückkehrpflicht und damit einhergehenden Leerfahrten wird die Umwelt unnötig belastet.“ Und da dem neun von zehn Befragten zustimmen, kann man dann auch gleich auch die konsequente Argumentation hinterherschieben: „Die gesetzliche Rückkehrpflicht und damit einhergehende Leerfahrten sollten schnellstmöglich aufgehoben werden .“ Die Zustimmung dazu lag bei 82 Prozent, bei den Jüngeren bei 88 Prozent.
Der manipulative Ansatz: Dem befragten Bürger wird suggeriert, dass Leerfahrten nur dann entstehen, wenn das Personenbeförderungsgesetz einen Chauffeurdienst (Mietwagen) dazu zwingt, leer zum Betriebssitz zurück zu fahren. Es erfolgt keine Aufklärung darüber, dass ein Mietwagen, der von den Apps der neuen Anbieter keinen Auftrag hat, ziellos durch die Innenstadt kreist. Kein Hinweis darauf, dass diese Fahrzeuge dadurch mehr Abgase verursachen und noch dazu den Verkehr verdichten. All dies ist mittlerweile durch entsprechende Studien belegt. Der Bitkom-Verband scheint sie nicht zu kennen und zieht daher seine einseitigen Konsequenzen:
„Die Rückkehrpflicht im Personenbeförderungsgesetz ist völlig aus der Zeit gefallen und konterkariert aktuelle Anstrengungen der Politik für mehr Klimaschutz und weniger Verkehr. Das Leerfahrten-Gesetz ist ein Klima-Killer und dient heute nur noch dazu, das Taxi-Gewerbe vor unliebsamer Konkurrenz zu schützen“, lässt sich Bitkom-Präsident Achim Berg in einer Pressemeldung zum Ergebnis der Umfrage zitieren.
Ausgerechnet ein Digital-Verband agiert damit auf einem Wissensstand von 2014, als alle noch das Märchen von der besseren Welt dank der neuen Mobilitäts-Apps glaubten. Und als ob das nicht schon peinlich genug wäre, hebt Berg die hohe Zustimmung der 16-19-Jährigen hervor und setzt noch eine Aussage dazu, die ihn wie ein Bumerang selbst treffen wird: „Der Streit über die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes ist deshalb auch eine Generationenfrage: Wir können das Gestern bewahren oder das Morgen ermöglichen.“
Darauf lässt sich klar antworten: Wer klare wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahre ignoriert, ist in Wahrheit derjenige, der das gestern bewahrt. Wer Verbandsinteressen für Uber, Free Now und Co so plump und rückständig formuliert, verspielt seinen guten Ruf. Diese Umfrage war ein klassisches Eigentor. jh
Hinweis in eigener Sache: Diese Meldung können Sie auch in unserer Taxi Times-App nachlesen. Jetzt kostenlos runterladen.
Alles gut erklärt und auch vernünftig recherchiert. Nur bekommt dieser Lobbyisten Verband diesen Artikel auch zu lesen? Oder eine breite Öffentlichkeit? DAS WÄRE MAL EIN GUTER ANSATZ!!
Uber und Co starten eine Werbekampagne nach der anderen, FREE NOW ebenso, was setzt das Taxi Gewerbe dem mal entgegen?
Mit freundlichen Grüßen
M. Lindemann
Hallo Frau Lindemann, viele Fragen, die wir mal Stück für Stück beantworten wollen:
Alles gut erklärt und auch vernünftig recherchiert. Nur bekommt dieser Lobbyisten Verband diesen Artikel auch zu lesen?
Ja, wir haben den Link an Bitkom geschickt;
Oder eine breite Öffentlichkeit? DAS WÄRE MAL EIN GUTER ANSATZ.
Taxi Times ist als Fachzeitschrift das Sprachrohr für das Taxigewerbe. Wir hoffen, dass viele Taxiunternehmer und Taxifahrer unsre Meldungen lesen und dann die Argumente in ihren persönlichen Gesprächen mit der regionalen Politik, mit der regionalen Presse und vor allem mit den FAHRGÄSTEN austauschen. Wir geben als Taxi Times quasi die Vorlage, den Ball ins richtige Tor schießen muss dann jeder einzelne selber.
Uber und Co starten eine Werbekampagne nach der anderen, FREE NOW ebenso, was setzt das Taxi Gewerbe dem mal entgegen?
Der Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. hat nach der Kampagnen „Verlässlich ist modern“ jetzt eine zweite große Kampagne „Bleib sicher Fahr Taxi“. https://www.fahr-taxi.de/ Aber auch hier gilt: Dies ist lediglich eine Vorlage, ins Tor schießen muss den Ball jeder einzelne Taxiunternehmer und Fahrer, indem er den Slogan auf sein Taxi macht und damit mit den Fahrgästen ins Gespräch kommt, worum es hier wirklich geht. Damit bei der nächsten Umfrage kein Bürger mehr der Meinung ist, dass digitale Anbieter besser als Taxis sind.
Mit freundlichen Grüßen
Grüße zurück aus der Redaktion
Liebe Redaktion,
ich finde Ihre hier vorgebrachten Argumente als Antwort auf die Fragen von Frau Lindemann als völlig zutreffend und richtig. Jetzt folgt mein ABER:
Was Frau Lindemann wohl eher mit Ihren Fragen an Sie ausdrücken wollte, ist doch der Umstand, dass
A) sich die Firma Bitkom um Ihren Hinweis einen „Scheißdreck“ kümmern wird, da sie diese Umfrage nicht im Auftrag von Taxi Times gemacht hat und
B) wir, als dezentral verteilte „Einzelkämpfer“ ja selbst mit Unterstützung unseres Verbandes finanziel nicht dazu in der Lage sind und es auch wohl nie sein werden, solchen Konzernunternehmen parolie zu bieten. Wir werden z.B, niemals dazu in der Lage dazu sein, eine ganze Kinofilmproduktion, in der ein UBERFAHRER die HAUPTROLLE spielt, zu finanzieren, oder?
Zum Thema „Inhalt und Fragestellungen“ der Umfrage kann ich nur den Bischof Otto Dibelius zitieren, der einmal gesagt haben soll: “ Traue nur der Statistik, die Du selbst gefälscht hast!“
Und was das Thema „Diskussionsvorlagen“ angeht, kann ich nur aus eigener Erfahrung dazu sagen, dass ich auf Fragen meiner Fahrgäste zum Thema Uber und Co. immer nur eine Antwort gebe: „Wir Taxler stellen einen wesentlichen Bestandteil des ÖPNV dar, bei deren Wegfall Sie sich als Kunden ganz schnell wundern würden, wie teuer Ihre Heimfährt wäre, wenn es uns nicht mehr gäbe!“ Antwort der Fahrgäste: „Aber Uber ist doch viel billiger wie das Taxi.“ Meine Antwort darauf: „Noch!!!“
Gruß aus Köln, der Stadt, in der Uber bis Dato am erfolgreichsten bekämpft wurde und auch weiterhin bekämpft werden wird.
Lieber Kommentarschreiber Paul Popper, könnten Sie sich bitte mal telefonisch in der Redaktion melden? 089 / 14 83 87 91. Danke.
Wieder zeigt sich: Folge der Spur des Geldes und du wirst der Wahrheit näher kommen!
Es ist gängige Praxis der gewerblichen Meinungsforschung, die Interessen der zahlenden Auftraggeber auch durch geschickte Fragenauswahl und durch Vorsortieren der möglichen Antworten zu berücksichtigen.
Apps sind nichts weiter als Werkzeuge der Kommunikation.
Taxi ist kein schutzbedürftiges Relikt vergangener Zeit ist, sondern ein extrem flexibles, reaktionsschnelles und dabei zuverlässiges und seriöses öffentliches Verkehrsmittel mit umfangreichen Pflichten zum Schutz der Allgemeinheit.
Befragungen wurden schon immer genutzt, um Meinung zu machen statt zu ergründen.
Deshalb wieder gefragt :
Wer hat von dieser plumpen Propaganda den Nutzen?
Wer hat hier bezahlt?
Wer ist bei Bitcom tonangebend?
Es besteht also nach wie vor größter Bedarf an sachgerechter Information, um auch besonders den Unterschied zwischen öffentlichem Verkehrsmittel und privatem Fahrdienst klar zu machen!
Es ist einfach unerträglich, die privatgewerbliche Sondernutzung öffentlichen Straßenraums durch unsere Konkurrenten und jede Menge anderer ’neuer‘ Mobilitätsanbieter (Carsharing, Tretroller….) hinnehmen zu müssen. Die benutzen und blockieren Grund und Boden für ihre gewerbliche Tätigkeit, während andere Gewerbetreibende eigene Flächen und Gebäude anmieten oder besitzen müssen.
Hier hat sich offenbar jemand einseitig für bestimmte Zwecke einspannen lassen.
Denn auch das Taxi nutzt längst alle Werkzeuge der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten.
Und wird darin auch weiterhin immer besser neue Möglichkeiten nutzen, die dieses Werkzeug bietet.
Zu den hier gestellten drei Fragen nochmal kurz der Auszug aus unserem Beitrag:“Eigentlich hat der Digitalverband Deutschland Bitkom, der laut eigenen Angaben mehr als 2.700 Unternehmen der digitalen Wirtschaft, unter ihnen gut 1.000 Mittelständler, über 500 Startups und nahezu alle Global Player vertritt, einen guten Ruf. […] Wer Verbandsinteressen für Uber, Free Now und Co so plump und rückständig formuliert, verspielt seinen guten Ruf. „
Liebe Freunde, meine Fragen waren doch rein rhetorisch gemeint! Tut mir leid, wenn ich missverstanden wurde. HG
Kein Problem, man kann gar nicht ift genug darauf hinweisen, wer hinter Bitkom steckt.