Um die Wartezeit für Kunden zu verringern, vermittelt der Fahrdienst Bolt in Berlin offenbar auch behördlich gesperrte Mietwagen weiter. Tino Schopf: Bolt ist so kriminell wie gesperrte Firmen.
Immer mehr große Medien finden Interesse am Thema illegaler taxigleicher Verkehr durch Mietwagen (Taxi Times berichtete). Der Berliner „Tagesspiegel“ hat gestern die Ergebnisse einer investigativen Recherche bekanntgegeben, laut der mehrere Mietwagenunternehmen Fahrten in ihren Autos in der Bolt-App haben buchen lassen, obwohl sie keine Erlaubnis zur Personenbeförderung hatten. „Bolt hätte dies wissen müssen, denn der Vermittler wurde vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) darüber informiert.“
Anhand konkreter Fälle hat der „Tagesspiegel“ nachgewiesen, dass Firmen, die zum Teil seit Monaten gesperrt waren, ihre Fahrten problemlos per Bolt-App vermitteln konnten. Die Recherchen „legen nahe, dass der Vermittler Bolt sich nicht immer an die Vorgaben der Behörde hält – und gesperrte Firmen und ihre Fahrer weiter auf seiner App anbietet“, was für Kunden unangenehme Folgen haben könne.
In einem Fall habe ein Fahrer, mit dem die Redakteure offenbar persönlichen Kontakt hatten, am 7. Oktober eine Fahrt in einem Mietwagen vermittelt bekommen, dessen Firma „an diesem Tag in Berlin keine Touren fahren“ durfte, was man sich von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) habe bestätigen lassen. Bereits am 2. August hatte das LABO, das der SenMVKU untergeordnet ist, den App-Vermittlern gemeldet, dass dem Unternehmen die Genehmigungen widerrufen worden seien, und die App-Betreiber aufgefordert, keine Fahrten mehr an dessen Mietwagen zu vermitteln. Über diese Aufforderung habe sich Bolt offenbar trotz bestehender schriftlicher Vereinbarung hinweggesetzt.
Die Mietwagen-Plattformen kritisieren ihrerseits eine ineffiziente Kommunikation seitens der Genehmigungsbehörde. So übermittle das LABO „viele Nachrichten mit Excel-Tabellen“, was „den Vermittlern und auch der Behörde viel Arbeit“ verursache, wie etwa Free-Now-Manager Alexander Mönch beklage. Das Vorgehen berge das Risiko, „dass wichtige Informationen sowohl seitens der Plattformen als auch seitens des LABO übersehen werden“, wird ein Bolt-Sprecher zitiert, der sich auf Anfrage zu dem konkreten Fall nicht äußern wollte. Stattdessen setzt man wie Uber auf Textbausteine mit Märchen-verdächtigen Einflechtungen: „Ein Sprecher erklärt, die Plattform stehe hinter den Vereinbarungen mit dem LABO und dem ‚Ziel eines konformen und lizenzierten Angebots auf der Plattform’.“ Würden „Verzögerungen und menschliche Fehler“ zu „Koordinierungsfehlern“ führen, augrund derer „einige der genannten Flotten im September nicht rechtzeitig gesperrt“ worden seien, so habe man diese inzwischen von der Plattform entfernt und setze sich dafür ein, dass dies nicht mehr vorkomme.
An Einzelfälle glaubt man bei der Zeitung nicht: Der Unternehmer, bei dem der erwähnte Fahrer beschäftigt war, habe auch zwei Monate nach der Sperr-Benachrichtigung vom LABO an die Plattformen noch Fahrten anbieten können. „Auch in anderen Fällen sind die Spannen teils wochenlang“, so der „Tagesspiegel“.
Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, Tino Schopf, der sich seit Langem gegen den illegalen Mietwagenverkehr einsetzt, sieht seine Vorwürfe bestätigt: Die Berichterstattung des „Tagesspiegel“ zeige einmal mehr, dass die Rahmenvereinbarung des LABO mit den Vermittlungsplattformen Uber, Bolt, Free Now und Bliq „in der Praxis nicht das Papier wert ist, auf dem sie verfasst wurde“, und „dass ein Flickenteppich an Maßnahmen bei Weitem nicht dazu führt, dass kriminelle Unternehmen vom Geschäft der Personenbeförderung ausgeschlossen werden.“ Die fortgesetzte Vermittlung von Fahraufträgen an Unternehmen mit widerrufenen Konzessionen durch und Bolt entgegen allen Beteuerungen sei „nicht nur in höchstem Maße fahrlässig, sondern auch von Seiten der Vermittlungsplattform ganz klar ein kriminelles Verhalten.“
Nach Schopfs Ansicht ist deutlich geworden, dass den Versprechen der Vermittlungsplattformen, bei widerrufenen Konzessionen keine Fahrten an die gesperrten Unternehmen zu vermitteln, kein Glauben geschenkt werden darf. Die Rahmenvereinbarung werde unterwandert und ignoriert – auf dem Rücken der Fahrgäste und der Fahrerinnen und Fahrer sowie der Berliner Steuerzahler. „Das LABO als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde hat die Situation nach wie vor nicht im Griff.“ Auch der „Tagesspiegel“ bestätigt: „Aus politisch informierten Kreisen heißt es, das kleine Amt sei heillos überfordert.“
Tino Schopf resümiert: „Der Senat muss endlich die richtigen Maßnahmen ergreifen und umgehend Konsequenzen ziehen: Die Kontrollen ausweiten und alle bisher erteilten Genehmigungen im Mietwagenbereich auf den Prüfstand stellen.“ Darüber hinaus müsse geprüft werden, welche rechtlichen Schritte gegen die Vermittlungsplattform Bolt eingeleitet werden können.
Das fehlende Funktionieren der Behörden beschränkt sich in Berlin allerdings nicht auf das LABO: Würden alleine die Polizei und die Ordnungsämter einmal nur für wenige Tage sämtliche Verkehrsverstöße aller Mietwagenfahrer ahnden, wäre das Problem Uber/Bolt/Bliq/Free Now selbst bei Ignorieren der Rückkehrpflicht vermutlich innerhalb kürzester Zeit erledigt. ar
Beitragsfoto: Axel Rühle